Wer hätte gedacht, dass eine blutjunge Deutsche die beste Rasenspielerin aller Zeiten schlagen könnte? Am 2. Juli 1988 schrieb Steffi Graf aus Brühl Tennisgeschichte und besiegte Martina Navratilova im Wimbledon-Finale. Foto: dpa

Am 2. Juli 1988 gewann eine 19-jährige schüchterne Blondine aus der badischen Provinz das Finale von Wimbledon. Steffi Grafs erstem Sieg auf englischem Rasen sollten sechs weitere folgen.

London - Der historische Tag vor 25 Jahren begann so gar nicht außergewöhnlich. Das Endspiel von Wimbledon nahm den gleichen Verlauf wie das im Vorjahr, und Steffi Graf fand wieder kein Mittel, ihre so viel erfahrenere Kontrahentin Martina Navratilova aus dem Rhythmus zu bringen. Es war der 2. Juli 1988, und nichts deutete in diesem ersten Satz darauf hin, dass das gerade 19 Jahre alt gewordene schüchterne Mädchen aus dem badischen Brühl an diesem Samstag zur "Queen von Wimbledon" werden sollte, wie die Londoner "Times" später schrieb.

"Es war ein besonderes Spiel. Ich erinnere mich an die Euphorie, die ich empfand, als ich nach dem verlorenen ersten Satz besser und besser spielte", erinnerte sich Steffi Graf in einem Interview 2008 an jenen Samstag, der ihr Leben prägte. "Schließlich gelang es mir, das Match gegen die beste Rasenspielerin aller Zeiten noch zu drehen." Doch zunächst war das Geschehen auf dem Center Court irgendwie an ihr vorbeigelaufen.

Peter Graf machte verzweifelte Zeichen

Bei jeder Gelegenheit blinzelte sie auf die Tribüne, von wo aus ihr Vater und Förderer Peter Graf stumme Zeichen sandte. "Die zwei gestreckten Finger sollten bedeuten, dass sie beim zweiten Aufschlag von Navratilova nach hinten gehen und sich nicht schon vorher für irgendeine Seite entscheiden sollte", erklärte Peter Graf. "Doch sie hat das total missverstanden, sie meinte, sie sollte vorsichtiger aufschlagen und das erste Service wie ein zweites ins Feld bringen." Die folgsame Tochter gehorchte - und gab den ersten Satz ab.

"Wenn ich so weitergespielt hätte, hätte ich verloren", gestand Steffi Graf - und setzte sich über die falsch verstandene Vorschrift hinweg, nachdem sie im zweiten Satz gleich wieder 0:2 zurückgelegen hatte. Doch dann gewann sie neun Spiele nacheinander, und der Widerstand der 31-jährigen Amerikanerin war gebrochen. Mit 5:7, 6:2, 6:1 entthronte sie die damals achtmalige Siegerin und schaffte ihren ersten Triumph bei den All England Championships, dem sechs weitere folgen sollten. 57 Jahre nach der Kölnerin Cilly Aussem wurde sie die zweite deutsche Wimbledonsiegerin.

"Wimbledon ist das Mekka des Tennis"

"Wimbledon ist das Mekka des Tennis. Als Elfjährige habe ich Wimbledon zum ersten Mal besucht. Noch heute erinnere ich mich genau an die besondere Atmosphäre, als ich zum ersten Mal den Heiligen Rasen auf dem Center Court gesehen habe." Der Zauber des wohl bedeutendsten Tennisturniers wirkt noch heute. Wimbledon ist und bleibt auch für sie "absolut das Höchste der Gefühle".

Nach dem dritten Schritt zum sogenannten "Golden Slam" schwärmte der "Observer": "Die langbeinige Blonde aus Brühl wurde vom Rampenlicht Wimbledons angestrahlt." Wenige Wochen später brachte sie mit dem Sieg in Flushing Meadows den Grand Slam und mit Gold in Seoul als erste und bislang einzige Tennisspielerin den sogenannten Golden Slam unter Dach und Fach. Die Dimension des Erfolges in Wimbledon erkannte die "Times" sofort: "Es gibt deutliche Zeichen, dass eine neue Ära der Dominanz beginnt." Tatsächlich blieb Steffi Graf für insgesamt 377 Wochen an der Spitze der Weltrangliste, die sie am 17. August 1987 übernommen hatte.

Die 15.000-Seelen-Gemeinde Brühl stand beim Empfang der "Wimbledon-Queen" Kopf. Es gab sogar ein vierbeiniges Geschenk für "Lady Schmetterhand". Einen sechsjährigen Haflinger-Wallach namens "Stern".