Zurück auf der großen Bühne: Wim Wenders ist nach Cannes gekommen, um seinen Film über Papst Franziskus vorzustellen. Foto: AFP

Während der Deutsche von seinen Treffen mit dem Papst berichtet und der Däne mit Gewaltexzessen langweilt, entpuppt sich der Amerikaner mit „BlacKkKlansman“ als zeitgemäßer Palmen-Anwärter.

Cannes - Kaum ein Deutscher ist dem Festival in Cannes so eng verbunden wie Wim Wenders. Er gewann die Goldene Palme, war Vorsitzender der Jury und insgesamt schon mit mehr als zwei Handvoll Filmen im Programm vertreten. Es spricht also ein Experte, wenn Wenders nun sinniert: „Ich weiß gar nicht, was los ist: Irgendwie ist es dieses Jahr leerer in Cannes. Und dadurch auch ein bisschen menschlicher! In den letzten Jahren erschien mir der Rummel hier oft viel zu groß, aber heute wirkt es fast wie früher. Ich habe fast das Gefühl, es geht wieder mehr um die Filme, nicht nur um Halligalli.“

Wenders sitzt in der Lobby des kleinen Hotel de Provence, in dem nicht unweit der Croisette gerade deutsche Filmemacher während der Filmfestspiele immer gerne ihre Interviews geben. Ein wenig müde sieht er aus, weil er früh morgens erst angereist ist, aber eine Portion Schokoladeneis (leider ohne Sahne, die es im Hotel nicht gibt) soll während des Gesprächs für neue Energie sorgen. In diesem Jahr konkurriert der Wahl-Berliner nicht um die Goldene Palme, doch als Special Screening feierte am Sonntag sein neuer Dokumentarfilm „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ Premiere, der ab dem 14. Juni auch in den deutschen Kinos zu sehen ist.

Die Anfrage kam direkt aus dem Vatikan

Die Anfrage, den Film zu drehen, kam vor fünf Jahren direkt aus dem Vatikan, wenn auch nicht vom Papst direkt. „Der hat sich beim Kennenlernen gleich entschuldigt, dass er meine Arbeit nicht kennt“, lacht Wenders. „Aber er hat tatsächlich noch nie einen Film gesehen.“ Das Interesse an dem Mann war bei dem Filmemacher längst geweckt, der einst katholisch aufwuchs, später zum Protestanten wurde und sich als uneingeschränkt gläubig beschreibt. „Der Mann hat mich interessiert, bevor ich ihn zum ersten Mal gesehen habe. Schon als auf dem Petersdom damals verkündet wurde, dass der neue Papst sich den Namen Franziskus gegeben hatte, bin ich vor dem Fernseher aufgestanden und habe gesagt: Das gibt’s nicht! Dass sich das einer traut, hat mich beeindruckt.“

Die Bewunderung für das Kirchenoberhaupt, das sich in die Tradition des Franz von Assisi stellt, ist Wenders’ Film deutlich anzumerken, für den er – ganz ohne inhaltliche Vorgaben des Vatikans – das Material aus vier langen, eigens auf Spanisch geführten Interviews mit Aufnahmen aus dem Archiv des Vatikans kombiniert. „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ ist kein aufregendes, aber ein hingebungsvolles und sehr menschliches Porträt geworden, in dem es ganz bewusst nicht um die katholische Kirche als Institution geht. Dass Wenders Franziskus tatsächlich für einen ganz ungewöhnlichen Papst hält, dem in Zeiten wie diesen eine wichtige Rolle zukommt, ist jedenfalls deutlich zu spüren: „Er ist ein sehr kommunikativer Mensch, mit einer großen Menschenfreundlichkeit und enormen Herzlichkeit. Wie er auf die Menschen zugeht und in sehr einfache Worte fasst, was er vertritt, das ist ein ganz neuer Wind, der da aus dem Vatikan weht. Er hat ein Rad angestoßen, dass sich nicht mehr aufhalten lassen wird.“

Ein Serienkiller präsentiert seine Taten

Genau wie Wenders ist auch Lars von Trier Cannes-Veteran, wenn auch mit einer ganz anderen Geschichte – und einem ganz anderen neuen Film. Früher war der Däne Dauergast an der Croisette und gewann dort regelmäßig Preise (unter anderem die Goldene Palme für „Dancer in the Dark“), doch nach seiner skandalösen Pressekonferenz anlässlich der „Melancholia“-Weltpremiere verbannte das Festival von Trier als persona non grata. Sieben Jahre später durfte er nun – wenn auch nur außer Konkurrenz – mit „The House That Jack Built“ zurückkehren.

In dem lange angekündigten Projekt lässt von Trier einen Serienkiller (Matt Dillon) seine Taten anhand von fünf Beispiel selbst präsentieren; wer der Zuhörer und Fragensteller (Bruno Ganz) ist, dem er sich dazu im Off offenbart, beginnt man erst spät zu ahnen. Daran, dass der Regisseur nur allzu gerne provoziert und schockiert, hat sich noch immer nichts geändert, doch die Gewaltausbrüche – vor allem gegen Frauen und Kinder – in „The House That Jack Built“ haben selbst für ihn eine neue, schwer erträgliche und durchaus fragwürdige Dimension.

Demgegenüber stehen jede Menge Dialoge, über das Morden genauso wie über Kunst, Literatur oder Architektur, die anders als in früheren von Trier-Filmen aber nicht tief in der menschlichen Psyche und Gesellschaft schürfen, sondern vor allem langweilig sind. Und spätestens wenn er in einer Abhandlung über das Böse gleichzeitig seiner Vorliebe für Albert Speer huldigt, Bilder aus Konzentrationslagern zeigt und obendrein Ausschnitte aus eigenen Filmen präsentiert, fragt man sich ernsthaft, ob von Trier „The House That Jack Built“ womöglich als verquere Rechtfertigung oder doch eher als Entschuldigung für sein bekanntermaßen häufig übergriffiges und grausames Verhalten gerade gegenüber Frauen betrachtet. So oder so hätte er diese Sache vielleicht besser für sich behalten.

Spike Lee schlägt den Bogen zum aktuellen Rassismus

Gang gegenteilig verlief dagegen die Cannes-Rückkehr eines weiteren alten Regie-Hasen. 27 Jahre nach seiner letzten Wettbewerbsteilnahme hob sich am Montagabend der Vorhang für Spike Lees „BlacKkKlansman“. Die auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte des Films ist bemerkenswert: In den späten Siebziger Jahre infiltriert Ron Stallworth (John David Washington), erster afroamerikanischer Polizist in Colorado Springs, mit der Hilfe seines jüdischen Kollegen Flip (Adam Driver) den Ku Klux Klan.

Spike Lee, dem als Produzent hier Oscar-Gewinner Jordan Peele zur Seite stand, macht daraus einen Film, der gleichermaßen bitter, energiegeladen, herrlich komisch und als umfangreiche Auseinandersetzung mit dem Rassismus in den USA (inklusive Gastauftritt von Bürgerrechtsikone Harry Belafonte) enorm kraftvoll ist. Subtilität ist dabei seine Sache einmal mehr nicht. Doch die hätte womöglich auch nur im Weg gestanden, wenn es am Ende darum geht, den Bogen zu schlagen zur amerikanischen Gegenwart, in der weiße Polizisten noch immer unschuldige Schwarze erschießen, Neonazis durch Charlottesville marodieren und Präsident Trump hemmungslos mit rechten Extremisten sympathisiert. Und so ist „BlacKkKlansman“ definitiv genau der Film für unsere Zeit – und anders als die Arbeiten von Wenders oder von Trier auch wirklich ein großer Wurf.