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Der amerikanische Sänger Willy DeVille ist tot. Er starb in der Nacht von Donnerstag auf Freitag im Alter von 55 Jahren in einer New Yorker Klinik an Bauchspeicheldrüsenkrebs.

New York - "Forever is a long time, I know that when tomorrow comes", lautet eine Zeile im Song "My forever come today" von Willy deVilles vorletzter CD "Crow Jane Alley", in dem er sich mit den Freuden und den Schmerzen des Lebens befasst. Jetzt ist der charismatische Rocksänger, Gitarrist und Bandleader, kurz vor seinem 56. Geburtstag, an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben. Für immer verstummt damit eine der prägnantesten Stimmen der Rockgeschichte.

Es dauerte Jahre, bis es der Bluesbeseelte William Borsay aus der New Yorker Lower East Side zum respektierten Rockkünstler geschafft hatte. Durch Zufall vom ehemaligen Stones-Produzenten Jack Nitzsche entdeckt, wurde sein erstes Album "Cabretta" von Fans und Kritik wie eine Erlösung aus dem Stillstand des 1970er-Rocks gefeiert: "Seine Anmache lässt uns zittern" ("Musik Express") oder "Er ist das Gewissen des Rock’n’Roll" ("Die Zeit") – solche Kommentare begleiteten fortan jedes der folgenden 15 Alben seiner Band Mink de Ville und der Jahre nach 1987, als er unter dem Namen Willy deVille and his Band mit immer neuen Ideen weiter machte.

Der "Aristokrat des Rhythm’n’Blues" verband dabei als Musiker, Sänger und Arrangeur alle Stilarten zwischen Blues und Pop, Tex-Mex-Style und purem Rock’n’Roll, ohne in Klischees zu verfallen. Auch auf der Bühne, im Stuttgarter Theaterhaus zuletzt im März 2008, zeigte Willy deVille trotz aller Exzentrik immer, dass er den Rock’n’Roll als kreative Herausforderung ernst nimmt: "Ich hänge mich voll rein und biete ehrliches Musiktheater". Zu dem gehörten weiße Rosen, Tequila und filterlose Zigaretten genauso wie die schulterlangen, pechschwarzen Haare , blitzende Goldzähne und ein messerscharfes Menjou-Bärtchen. Kein Wunder, dass bei seinen Konzerten die Frauenquote im Publikum auffallend hoch war. Er konnte den Rockflegel ("Cadillac Walk") geben oder den sensiblen Liebesflüsterer ("Demaziado Corazon"), Liebe und Schmerz gleichermaßen betörend besingen, mit einer Stimme, die direkt aus einem Film der Schwarzen Serie zu kommen schien – und im dem das Gute siegte, selbst im düster geknurrten "Hey Joe", das auch Jimi Hendrix verzückt hätte.

Anläßlich des Auftritts im Theaterhaus gab Willy deVille in einem Gespräch mit unserer Zeitung auch Einblicke in seine Gedankenwelt. Die Mithilfe bei der Bewältigung der Folgen des Hurrikans Katrina in New Orleans, wo er zuletzt wohnte, lag ihm genauso am Herzen wie die Würdigung der musikalischen Vermächtnisse der alten Blueser aus dem Süden oder die Erinnerung an "die sensiblen, zerbrechlichen Typen wie Woodie Guthrie oder Edith Piaf". Von einem "Edith-and Willy-Blues" habe er immer geträumt, vielleicht, weil er sich in Paris anfangs der 1970er-Jahre mit miesen Kaschemmenjobs das Geld fürs Baguette und Zigaretten verdienen musste. Das Duo Piaf/deVille mit beim Auftritt im großen Musikhimmel – diese Vision mag ein Trost am Tag des Todes eines der ganz Großen der Rockgeschichte.