Aus Helfern werden Freunde (von links): Renate Oberprieler, Tamara Croitor, Rebecca Wawzyniak und Jyoti Jyoti. Foto: factum/Bach

Wer neu in eine Stadt kommt und niemanden kennt, ist froh um jede Hilfe. Vor allem, wenn diese niederschwellig zu erreichen ist. Die Willkommenspaten in Ludwigsburg sind eine solche Hilfe.

Ludwigsburg - Wenn man die vier Damen so am Tisch sitzen sieht, hat man gleich das Gefühl: Hier stimmt die Chemie. Dabei kennen sich Jyoti Jyoti, Rebecca Wawzyniak, Renate Oberprieler und Tamara Croitor noch gar nicht so lange, und gefunden haben sie sich mit Hilfe der Stadt Ludwigsburg. Doch die vier verbindet etwas: Sie alle sind irgendwann als Neuzugewanderte in die Barockstadt gekommen und treffen sich nun regelmäßig beim Patenprojekt der Stadt mit dem Titel Willkommen in Ludwigsburg.

Große Sicherheit gespürt

Die 29 Jahre alte Jyoti Jyoti aus Indien etwa lebt gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn seit sieben Monaten in Ludwigsburg. Weil sie kaum Deutsch sprach und niemanden kannte, habe sie zunächst arge Bedenken gehabt, vor allem bei den Behördengängen. „Doch meine Patin Rebecca hat mir geholfen und mich unterstützt, sodass ich mich gleich viel sicherer gefühlt habe“, berichtet sie. Für sie sei das Projekt eine tolle Sache, es sei ein gutes Gefühl, jemanden in der Stadt zu kennen. „Die Patenschaften geben uns allen viel Selbstvertrauen und sind sehr wichtig für uns“, sagt die in Indien ausgebildete Tourismusmanagerin.

Die 48 Jahre alte Rebecca Wawzyniak stammt aus den USA. Auch sie ist vor vielen Jahren neu und als Fremde in die Stadt gekommen und kann sich gut daran erinnern, wie es ihr damals persönlich ging. „Ich hatte Hemmungen, die Sprache zu sprechen, und ich kannte ja niemanden. Ich wäre damals froh gewesen, wenn es ein solches Projekt gegeben hätte.“ Daher habe sie gleich eine Patenschaft übernommen. Sie ist eine von derzeit 19 aktiven Paten im Alter zwischen 28 und 66 Jahren, die sich ehrenamtlich um die Neuzugänge kümmern.

Zu Beginn gabs eine Schulung

Der Startschuss des Projekts erfolgte mit den ersten Planungen im April 2015, konkret los ging es dann im Juli vor zwei Jahren mit einem ersten Infotreffen. „Wir dachten damals, es kommen vielleicht 20 interessierte Ehrenamtliche – tatsächlich kamen aber mehr als 60!“, berichtet die Integrationsbeauftragte Anne Kathrin Müller, die mit ihrer Kollegin Louisa Gegner das Projekt koordiniert. Für alle, die konkret mitmachen wollten, habe es eine dreitägige Schulung zum Thema „interkulturelle Kompetenz“ gegeben. Diese Schulung hinterließ bei Renate Oberprieler einen nachhaltigen Eindruck. „Mir hat diese Schulung sehr viel gebracht, ich fand sehr faszinierend, was wir dort gelernt haben.“

Renate Oberprieler betreut die 50 Jahre alte Tamara Croitor, die vor zwei Jahren aus Moldawien nach Ludwigsburg kam. Aus einzelnen Treffen wurden immer intensivere Gespräche – auch deshalb, weil sich Tamara Croitor auf ihre Deutschprüfungen vorbereitete. „Da gibt’s ja jede Menge Unterrichtsmaterial, langweilig ist uns wirklich nie geworden“, sagt ihre Patin und lacht. Für Tamara Croitor ist sie „ihr Engel“, ihre „Rettung.“ „Ohne sie hätte ich den Kurs und die Prüfungen nie geschafft“, sagt die ausgebildete Krankenschwester, die demnächst ein Praktikum am Ludwigsburger Klinikum absolviert.

Schlossführung und Stammtisch

Die Verbindung der beiden Paten-Paare zeigt auch, dass sich die Patenschaft nicht nur auf Behördengänge konzentriert, sondern auch auf Hilfestellungen ganz anderer Art. „Da geht es auch um ganz banale Dinge wie die Frage nach einem guten Bäcker, oder wo man schön einen Kaffee trinken gehen kann“, sagt Anne Kathrin Müller. Vor allen Dingen gehe es aber darum, die deutsche Sprache miteinander zu sprechen und damit die Integration voranzubringen. Dies gelinge auch mit regelmäßigen, gemeinsamen Treffen der gesamten Gruppe. Mal geht’s dabei zu einer Schlossführung, mal trifft man sich zum Stammtisch.

Seit dem Start sind so mehr als 40 Patenschaften mit 91 Menschen entstanden, betreut werden Neubürger aus 19 Ländern. Weshalb Anne Kathrin Müller schon jetzt eine positive Bilanz ziehen kann – obwohl das Projekt noch Ende März 2018 läuft. „Es ist eine wichtige Ergänzung zu dem, was etwa Vereine und andere Ehrenamtliche mit Flüchtlingen leisten“, sagt sie. Denn die Vereine könnten schon rein zeitlich gar nicht alles stemmen, zudem hätten sie auch eine ganz andere Aufgabe: die Flüchtlinge ins Vereinsleben integrieren. „Unser Projekt schließt eine Lücke und ist eine Ergänzung zu den bestehenden Angeboten.“