Stuttgart von oben - "Willkommen bei Habib" zeigt die Stadt von ihrer unglamourösen Seite. Foto: Verleih

Es gibt viel aufzuräumen - mitten in Stuttgart. Dort spielt der Film „Willkommen bei Habib“  – er dreht sich um vier Männerschicksale, um Heimat, Identität und Lebenslügen.

Filmkritik und Trailer zum Kinofilm "Willkommen bei Habib"

Michael Baumann zeigt vier Männerschicksale im Deutschland der Gegenwart. Dass die beiden Migranten unter ihnen in der Wahrnehmung in den Vordergrund drängen, liegt daran, dass es über diese Gruppe noch so wenig Wahrhaftiges gibt.

Hier wirkte schon die für den Dreh auf dem Stuttgarter Wilhelmsplatz errichtete blaue Döner-Bude so echt, dass reale Gastronomen aus der Nachbarschaft Übernahmeangebote machten. Am Rand des Rotlichtviertels kreuzen sich die Lebenslinien der kriselnden Männer. Imbissbesitzer Habib, der alle Brücken in die Türkei abgebrochen hat, beschleicht das Gefühl, falschen Prioritäten gefolgt zu sein.

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Habibs Sohn Thomas, halber Deutscher, flüchtet in ein diffuses Türkei-Ideal und verachtet den assimilierten Vater. Manager Bruno, ein Dampfplauderer, wird im Büro eiskalt abserviert und campiert aus Protest auf der Verkehrsinsel gegenüber. Der halbdemente Ingo ist aus dem Heim geflohen, um seine verlorene Tochter zu suchen. Und weil im Film die Müllabfuhr streikt, stapelt sich rund um den Platz der Unrat – sinnbildlich.

Es gibt viel aufzuräumen. Bruno findet bei Habib Zuflucht, der ihm hilft, eine Sperrmüll-Matratze auf die Verkehrsinsel zu tragen. Auf dieser werden sie gemeinsam liegen, in den Nachthimmel schauen, philosophieren – ehe Bruno den hohen Lichtmast auf der Kreuzung erklimmt, um über den Dächern von Stuttgart seinen Frust loszuwerden.

Das sind die Drehorte in Stuttgart:


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Thorsten Merten („Halbe Treppe“) gelingt der Spagat, den Choleriker Bruno trotzdem sympathisch wirken zu lassen. Ein demoliertes Auto und eine türkische Hochzeit später stehen auch Habib und Thomas am Scheideweg. Vedat Erincin („Almanya“) glänzt als äußerlich in sich ruhender Senior, in dem es gewaltig brodelt, Burak Yigit („Bis aufs Blut“) als nervöser Heranwachsender, der alle anderen und sich selbst belügt.

Baumann biedert sich nicht an, er inszeniert kein Wohlfühl-Multikulti, sondern skizziert sehr realistisch, wie schmerzhaft Zerrissenheit qua Herkunft sein kann – und wie schwierig die interkulturelle Annäherung selbst dann ist, wenn die Umstände sie eigentlich begünstigen. Und auch die Kulisse stimmt: Der Stuttgarter Kesselgrund jenseits von Prachtbauten und Halbhöhenlagen, selten im Film zu sehen, wirkt hier so urban, wie man es sich nur wünschen kann.

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