Selbstbewusst, meinungsstark, ambitioniert: Martin Körner Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Der SPD-Fraktionschef im Rathaus der Landeshauptstadt ist kein ­Leisetreter. Viele glauben, dass Martin Körner sich schon für die Oberbürgermeister-Wahl im Herbst 2020 warm läuft. Was sagt er selbst dazu?

Stuttgart - Von Selbstzweifeln ist er augenscheinlich nicht gezeichnet. Blickt man in diesem Sommer vor der nahenden Kommunalwahl auf Martin Körner, erkennt man klare Anzeichen von Wohlgefühl. Was die nur neunköpfige SPD-Fraktion im Gemeinderat gestaltet habe, sei aller Ehren wert, freut er sich – und lobt damit auch sich selbst.

Körner ist Fraktionschef der SPD – und das schon, seit er 2014 als Neuling in den Gemeinderat kam. Insofern beschleunigte er von null auf Tempo 100. So etwas ist auch dann nicht selbstverständlich, wenn man vorher unter anderem Berater der SPD im Landtag, Kandidat für Bundes- und Landtag sowie Bezirksvorsteher im Stuttgarter Osten war. Es zeugt von Ego. Kaum im Amt, begann Körner, sich in Szene zu setzen. Viele Weggefährten und Beobachter sind deshalb überzeugt: Der will 2020 für das OB-Amt in Stuttgart kandidieren.

Seinen Ehrgeiz bestreitet er nicht

Dass der bald 48-jährige Volkswirt scharf darauf wäre, die fast totgesagte SPD wieder zu Erfolgen zu führen, dessen kann man sicher sein. Ein schönes Lebenszeichen für die Genossen wäre es, wenn sich nach Ute Kumpf im Jahr 2004 wieder ein Sozialdemokrat als konkurrenzfähig erwiese im Rennen um den OB-Sessel. Käme jemand mit SPD-Parteibuch wirklich ins Amt, würde man das historisch nennen. Einen wie Körner muss das reizen.

„Ja, den Ehrgeiz für die OB-Kandidatur hat er“, bestätigt ein Fraktionskollege. Und die Tatsache, dass Körner ständig Flagge zeigt, dass er fast immer Position beziehen will, dass er die Öffentlichkeit sucht, spricht Bände. Wie das stete Bemühen, den grünen OB Fritz Kuhn zu stellen – oder ihn lieber noch vorzuführen. „Sorry, aber das geht gar nicht“, pflegt er manchmal Mitstadträte und den OB zu schurigeln. „Sorry, Herr Körner, das nervt ein bisschen“, denken sie dann oft auf den anderen Sitzen.

Häufig vermittelt Körner das Gefühl, er versuche mit Vehemenz den alten sozialen Markenkern der SPD aufzupolieren, worüber dann Themen aus Klima- und Umweltschutz eher ins Hintertreffen geraten. Körner bestreitet aber, dass die Pflege der SPD-Tradition ständige Triebfeder ist. Man mache sich und anderen jedoch immer wieder mal klar, „wofür die SPD steht“.

Seine Fraktion sieht er als „Motor“ im Rathaus

Seinen Ehrgeiz bestreitet er nicht. In Sachen OB-Wahl im Herbst 2020 hält er sich trotzdem bedeckt: „Darauf werde ich im ersten Halbjahr 2020 antworten.“ So etwas hänge auch von der Familie ab, sagt der verheiratete Vater einer achtjährigen Tochter, vom Rückhalt in der Bürgergesellschaft und davon, ob interne Mitbewerber fachlich und menschlich eher überzeugen.

Manche glauben, das Schicksal von Körners heimlichem OB-Traum hänge vor allem am Ausgang der Kommunalwahl am 26. Mai 2019; dass die Ambitionen zerschlagen würden, sollte die SPD-Fraktion stagnieren oder gar weiter schrumpfen. Körner sieht das ganz sicher nicht so. Bei der Wahl entscheide sich doch zunächst nur, wie die Wähler ihre jeweils 60 Stimmen auf mehrere Hundert Kandidatinnen und Kandidaten verteilen, glaubt er. Zwischen der Kommunalwahl und der OB-Wahl lägen zudem noch anderthalb Jahre.

In denen wird er wohl weiterhin Fraktionschef sein. Bei der Wahl kandidiert er natürlich wieder für den Gemeinderat. Zuvor will er aufzeigen, dass die Fraktion, ihrem Schrumpfstatus zum Trotz, „in der Wohnungspolitik erfolgreicher Antreiber“ gewesen sei, außerdem „Impulsgeber für die Tarifreform“ im öffentlichen Nahverkehr und – siehe Stuttgarter Familiencard – ein Motor bei der finanziellen Entlastung von Familien. Das ist nicht falsch, aber zu einem Gutteil auch Marketing. Jedenfalls steht Körner im Rathaus unter Verdacht, dass er seiner Partei manchmal Kränze windet, für die er auch Lorbeeren aus anderen Gärten verwendet. Beispiel: In der Nahverkehrsdebatte warf er mit Ideen um sich, wovon einige ihm und anderen im Aufsichtsrat der Stuttgarter Straßenbahnen präsentiert worden waren.

Körner steht für einen Wandel im Gemeinderat

Körner weiß freilich, dass man allein mit der Ansage, wie toll man war, keine Kommunalwahl gewinnt. Daher strebt er ein Programm an, aus dem drei strategische Ansätze hervorstechen. Dass Stuttgart für Menschen mit normalem Einkommen bewohnbar bleiben muss, dass es die Energiewende schaffen muss und dass es eine „Fünf-Minuten-Stadt“ werden muss. Sprich: Stuttgart sollte für die Einwohner in fast allen Dingen des täglichen Lebens eine Stadt kürzester Wege sein. Das mit den fünf Minuten könne man aber „nicht sklavisch“ anwenden, gibt Körner zu.

Er ist sehr optimistisch, dass er mit dem Programm und mit der Kandidatentruppe im Wahlkampf „ein Signal der Erneuerung“ senden kann – nachdem er bereits mit dem Auftreten seiner Vorgängerin Roswitha Blind gebrochen und einen politischeren Stil ins Rathaus gebracht hat: mehr Parlamentarismus statt trockene Fachlichkeit im Hauptorgan Gemeinderat.

Für den Wandel im Gremium steht neben Körner auch sein CDU-Kollege Alexander Kotz, weshalb die beiden wohl nicht zufällig gern strategische Koalitionen auf Zeit schmieden. Wie bei der „Wohnraumoffensive“, die sie mit 150 Millionen Euro aus der Stadtkasse dotierten. Inhaltlich blieb das vage. Selbst in den beiden Fraktionen sah man darin eine Signalpolitik fürs Wahlvolk. Werden die beiden irgendwann noch deutlich mehr Bauflächen liefern und gegen den Widerstand der Bezirksbeiräte durchsetzen? „Am Ende werden sie daran gemessen“, sagt ein Parteifreund Körners. Außerdem: Bei der OB-Wahl gäbe es sicher mehr Messlatten. Da müsste Körner unterschiedlichste Wählergruppen überzeugen.

Da könnte es Nachholbedarf geben. Zumindest einmal musste sich Körner von CDU-Bürgermeister Michael Föll vorhalten lassen: „Sie machen es sich ein bisschen einfach und gemütlich in Ihrer sozialdemokratischen Welt, Herr Körner.“