In Degerloch wird das neunjährige Gymnasium als Erfolg gewertet. Der Modellversuch wurde – wie an anderen Stuttgarter Schulen – erneut verlängert. Der Schulleiter hätte gern eine Genehmigung ohne Verfallsdatum.
Nicht überall im Land mussten Schüler in der jüngeren Vergangenheit nach acht Jahren auf dem Gymnasium Abitur machen. Am Wilhelms-Gymnasium, am Zeppelin-Gymnasium im Stuttgarter Osten und am Feuerbacher Leibniz-Gymnasium ist es seit neun Jahren wieder möglich, das Abi nach Klasse 13 zu erlangen. Der Modellversuch in insgesamt 44 baden-württembergischen Gymnasien hätte ursprünglich im Sommer 2023 auslaufen sollen. Jetzt hat die Landesregierung eine Verlängerung um fünf Jahre beschlossen. Dies machte einen bereits vorbereiteten Antrag der CDU-Fraktion im Bezirksbeirat Degerloch überflüssig, er konnte zurückgezogen werden.
Bei aller Erleichterung bleiben aber Zweifel. „Natürlich freut es uns, dass wir weitermachen können“, sagt der Schulleiter Peter Hoffmann. Leider bleibe ein Gefühl der Ungewissheit. Schließlich sei nur der sogenannte Modellversuch verlängert worden. Er frage sich, ob man in fünf Jahren erneut bangen müsse, ob der G9-Zug am Wilhelms-Gymnasium eine Zukunft habe. Den Begriff „Modellversuch“ empfindet Hoffmann ohnehin als irreführend: „Aktuell findet meines Wissens keine wissenschaftliche Auswertung irgendwelcher Ergebnisse statt“, merkt er an. „Aus unserer Sicht ist daher unklar, auf welcher Grundlage in fünf Jahren eine Entscheidung fallen soll.“
Guter Abi-Schnitt des ersten Jahrgangs
Der Schulleiter teilt die positive Einschätzung des G9-Konzepts, die von der CDU Degerloch in der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirats hervorgehoben wurde. Der Abi-Schnitt von 2,1 im ersten Jahrgang, der 13 Jahre Schule absolviert hat, ist nur einer von mehreren Gründen für die erfreuliche Zwischenbilanz. Durch die Rückkehr zu neun Gymnasialjahren würden Kapazitäten frei, die Schüler nutzen könnten, um das Schulleben aktiv mitzugestalten, sagt Hoffmann. Er nennt beispielhaft die Schülermitverwaltung oder die Mitwirkung in AGs und Projekten.
Es gebe aber auch mehr Raum für Hobbys außerhalb der Schule. Das Interesse an längeren Auslandsaufenthalten während der Schulzeit habe zudem spürbar zugenommen. Einschränkungen, was den angestrebten Kompetenzerwerb betrifft, sind laut Hoffmann nicht zu verzeichnen. Stattdessen sieht er einen Vorteil in zusätzlichen Unterrichtsstunden und das Potenzial für den weiteren Ausbau pädagogischer Freiräume in den kommenden Jahren. So ließen sich die Ziele, die sich das Wilhelms-Gymnasium für die schulische Bildung gesetzt hat, noch besser verfolgen.
Peter Hoffmann hat eine klare Vision: „Die Option des G9-Zuges müsste zumindest als wählbare Alternative für alle Schüler und Schülerinnen bestehen, die ein Gymnasium besuchen.“ Von dieser Sichtweise ist die Landesregierung weit entfernt. Wie Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur mitteilte, werde man – gemäß Koalitionsvertrag – keinerlei Strukturdebatten führen. G8 bleibe in Baden-Württemberg die Regel.