Noch sieht die Wilhelma-Titanwurz eher unscheinbar aus. Foto: Wilhelma, Harald Knitter

Sie stinkt erbärmlich, blüht nur alle paar Jahre und ist eine ganz besondere Pflanze in der Wilhelma. die Titanwurz. Ende Juni kommt es wieder zu einem bemerkenswerten Schauspiel.

Stutttgart - Ein wirklich rares Ereignis bahnt sich in der Wilhelma in den nächsten Tagen an. Die wahrscheinlich berühmteste Pflanze unter den mehr als 8000 Arten und Sorten des zoologisch-botanischen Gartens, die Titanwurz, wird in den nächsten Tagen wieder einmal blühen. Das war zuletzt im Jahr 2011 der Fall.

Die Titanwurz bildet einen der größten Blütenstände der Welt aus. Er erreicht innerhalb von nur zwei Wochen mehr als zweieinhalb Meter Höhe. Aber nicht sehr lange, denn der Sonderling von der indonesischen Insel Sumatra blüht gerade einmal eine Nacht, heizt sich dabei auf mehr als 30 Grad auf und stinkt erbärmlich. Aus gutem Grund: denn so täuscht die pfiffige Pflanze ahnungslosen Fliegen vor, ein Tierkadaver zu sein. Die Tierchen braucht die Pflanze für die Bestäubung. Weil dies so kraftraubend ist, bringt die Amorphophallus titanum, so der botanische Name, die meiste Zeit nur einen Stängel mit Blättern hervor, um Energie zu tanken. Alle Jubeljahre, wenn die einige Kilogramm schwere Knolle stark genug geworden ist, kommt es zu dem bemerkenswerten Schauspiel.

Wohl keine Chance für neuen Wilhelma-Rekord

Für die Gärtner der Wilhelma war am 12. Juni erstmals erkennbar, dass der Spross in diesem Jahr kein Blattstängel, sondern ein Blütenstand werden wird. Seither geht es rasant voran. Jeden Tag schießt das Hochblatt etliche Zentimeter nach oben. „Unsere Überraschung war groß, denn die Knolle wiegt nur elf Kilogramm“, sagt Björn Schäfer, Leiter des Fachbereichs Botanik. Er ergänzt: „In der Fachwelt erwarten wir einen Blütenwuchs bei der Titanwurz erst bei Knollen ab 30 Kilogramm.“ Den Weltrekord in der Wilhelma von 2005 dürfte die jetzige Pflanze deshalb nicht knacken.

Der eigenwillige Botanik-Star war damals wegen seiner Unberechenbarkeit von den Wilhelma-Gärtnern liebevoll „Diva“ genannt worden und hatte satte 40 Kilo auf die Waage gebracht. Sie erreichte 2,94 Meter Höhe und übertraf deutlich die damalige Bestmarke von 2,76 Meter, die im Botanischen Garten in Bonn gemessen worden war. Als Rekord gilt heute eine Titanwurz-Blüte mit 3,10 Meter, die der Pflanzenzüchter „Winnipesaukee Orchids“ in New Hampshire (USA) 2010 hervorgebracht hat.

Am Tag vor der Blütenöffnung tritt Flüssigkeit aus

Weitere Blüten gab es in der Wilhelma 2008 und 2011. Doch möglicherweise hat sich die Pflanze dabei übernommen, denn seitdem herrschte Ruhe. Übrigens: Die aktuelle Titanwurz ist nicht mehr die „Diva“, sondern eine Nachzucht. Damit die Besucher der Wilhelma an diesem botanischen Spektakel teilhaben können, ist die Titanwurz am Freitag von ihrem Dauerquartier hinter den Kulissen an einen repräsentativeren Ort im Schmetterlingshaus gebracht worden. Dort können die Besucher zusehen, wie die Blüte täglich größer wird.

Derzeit ist die Titanwurz etwas mehr als einen Meter groß. Eine Schautafel erläutert den Besuchern die zu erwartende Entwicklung. Üblicherweise geht das Wachstum zehn Tage lang sehr rasch. Fünf Tage vor der Blüte beginnen die Nebenblätter zu welken. An den letzten vier Tagen kommen nur noch wenige Zentimeter hinzu. Am Tag vor der Blütenöffnung tritt Flüssigkeit aus. Das ganz spezielle Vergnügen mit Nachtblüte und üblen Gerüchen dürfte – wenn alles nach Plan geht – um den 27./28. Juni liegen.