Michaela Kimmich freut sich auf ihren nächsten Lebensabschnitt. Foto: Steinert

Michaela Kimmich nimmt nach 32 Jahren Abschied von der Wilhelm-Hauff-Grundschule. Die Rektorin blickt zurück auf viele Höhen, aber auch auf einige Tiefs. An diesem Freitag wird die 63-Jährige offiziell in den Ruhestand verabschiedet.

S-Süd - Exakt 365 Stufen sind es, die die Mädchen und Jungen überwinden müssen, um vom Erwin-Schoettle-Platz ein Klassenzimmer im zweiten Stock der Wilhelm-Hauff-Schule zu erreichen. Die meisten Grundschüler kommen aus dem Tal, über mehrere Treppen führt der Weg steil nach oben in die Hohentwielstraße 23. Ein strammes Frühsportprogramm, das die Erst- bis Viertklässler jeden Morgen zu bewältigen haben, bevor der Unterricht beginnt, genau so viele Stufen, wie das Jahr Tage hat. Müssten die Schüler für jeden Tag, den ihre Rektorin an der Wilhelm-Hauff-Schule war, eine Stufe steigen, dann wäre ihr Schulweg nicht nur beschwerlich, sondern unmöglich. Knapp 32-mal so viele Stufen wie jetzt wären das, fast 32 Jahre hat Michaela Kimmich an der Grundschule unterrichtet. An diesem Freitag wird sie in den Ruhestand verabschiedet.

„Ich kann es nicht fassen, dass es jetzt schon vorbei sein soll“, sagt die 63-Jährige, als sie sich die auf einem Blatt zusammengeschriebenen Eckdaten ihres Arbeitslebens ansieht. Nach Studium und Mutterzeit kam sie im Dezember 1979 als Krankheitsvertretung an die Wilhelm-Hauff-Schule, ihre erste Berufsstation und zugleich ihre letzte. Bereits 1985 wurde die Kunst- und Biologielehrerin zur Konrektorin ernannt. Als die damalige Schulleiterin nach Kanada zog, übernahm Kimmich im April 1987 deren Posten, 25 Jahre lang war sie Rektorin. „Als ich mir diese Zahlen angeschaut habe, dachte ich: oh Gott, ich bin ein Fossil!“, sagt sie lachend.

Viel Freude, aber auch furchtbares Leid

Viele Erinnerungen wird Michaela Kimmich mit in den Ruhestand nehmen, fragt man sie nach ihrer schönsten, fällt ihr zuerst die große Feier zum 25-jährigen Bestehen ihrer Schule im Jahr 2001 ein. Auch der Satz einer Schülerin wird sie wohl für immer begleiten. „Sie sagte: Ich hätte gerne, dass du meine Mama wärst und meine Mama meine Lehrerin“, erinnert sie sich.

Aber auch bei der Frage nach dem schlimmsten Erlebnis muss Michaela Kimmich nicht lange überlegen. „Anfang 1990 ist im Schwimmunterricht ein Kind ums Leben gekommen“, erzählt sie. Es sei die letzte Stunde einer Schwimm-AG gewesen, alle Schüler hätten bereits schwimmen können, bei einem Kind habe einfach das Herz versagt, plötzlicher Kindstod hätte das Ergebnis der Obduktion gelautet. „Ich bin zum Schwimmbad gefahren, habe die Eltern informiert und bin mit der Mutter dort gewesen“, erinnert sich die 63-Jährige. „Das war nur furchtbar.“

Vieles habe sich in drei Jahrzehnten Schulalltag verändert, sagt sie. „Die Kinder haben heutzutage ihren eigenen Kopf, wissen, was sie wollen, sind selbstbewusster und unerschrocken.“

Schule passt sich an verändertes Lebensumfeld an

Anders sei auch die familiäre Situation ihrer Schüler. „Das Lebensumfeld der Kinder hat sich durch eine stärkere Berufstätigkeit der Frauen verändert“, erzählt die scheidende Rektorin. Die Wilhelm-Hauff-Schule habe auf diesen Trend bereits sehr früh reagiert, bereits 1991 habe man die Kernzeiten eingeführt, mittlerweile können Schüler von 7.30 bis 17 Uhr unter ständiger Betreuung in der Schule bleiben.

Die Einführung der Kernzeiten war sicherlich eines der prägendsten Projekte unter ihrer Regie, aber bei weitem nicht das einzige. Immer wieder hatte die Vollblut-Pädagogin Ideen, wie man den Schulalltag bereichern könnte. „Ich habe angeregt, dass wir viel rausgehen“, sagt die 63-Jährige. Theater- und Museumsbesuche, Workshops, Exkursionen, Teilnahmen an sportlichen Wettbewerben, Kooperationen mit Vereinen – für jede Form der Abwechslung zum normalen Unterricht im Klassenzimmer war Kimmich stets zu begeistern.

Am Freitag um 11 Uhr wird offiziell Abschied gefeiert

Sie gehe nun mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge, sagt Michaela Kimmich, es sei ein schweres Abschiednehmen, aber auf der anderen Seite freue sie sich auch auf den Ruhestand. „Ich habe ein vierjähriges Enkelkind, das in der Nähe wohnt, ich reise gerne und werde einfach was unternehmen“, erzählt sie.

Am Freitag um 11 Uhr wird sie mit einem offiziellen Akt in der Turnhalle verabschiedet. „Ich bin emotional sowieso wackelig, da kann es durchaus sein, dass die Tränen fließen“, sagt die 63-Jährige. Wer in Michaela Kimmichs Fußstapfen tritt, ist noch nicht entschieden. Die Noch-Schulleiterin hat jedoch klare Vorstellungen, wie ihr Nachfolger sein sollte. „Ich wünsche mir, dass die Schule für ihn nicht nur ein Job ist, sondern mit Herz weitergeführt wird.“