Seitdem Braunbärin Susi im November eingeschläfert wurde, ist das alte Bärengehege im Tiergarten leer Foto: © Tiergarten Ulm/Katrin Walch

Seitdem Braunbärin Susi im November eingeschläfert wurde, ist das alte Bärengehege im Tiergarten leer. Die Verantwortlichen sind unsicher, was sie tun sollen. Tierschützer haben eine klare Meinung.

Ulm - Im Oktober 2011 war Schluss. Im Bärenzwinger am Köllnischen Park unweit der Berliner Spree musste Schnute eingeschläfert werden, die letzte verbliebene Braunbärin. Nichts war es mehr mit der von Tierschützern längst geforderten Befreiung des Raubtieres aus der 1939 eröffneten Anlage. Die Proteste führten, aus Sicht der Aktivisten, trotzdem zum späten Sieg: Die Berliner Stadtverwaltung entschied, den Bärenzwinger als unzeitgemäß aufzugeben.So weit ist man in Ulm noch lange nicht. Im dortigen Tiergarten an der Donau wurde im vergangenen November Braunbärin Susi eingeschläfert: fortgeschrittene Arthrose. Die letzte Bärin von Ulm war 30 Jahre alt geworden. So schlecht, schlussfolgerten manche Ulmer, könne das Tier also nicht gelebt haben. Susi und ihr Bruder Cheppo, der drei Jahre zuvor starb, galten als Besuchermagnet im Ulmer Tiergarten. Wie in Berlin begann die Bärenhaltung hier ebenfalls 1939, bis zum Umzug ins neue Parkgebäude 2003 stand lediglich ein beengter Zwinger zur Verfügung.

Erst mal viele Stimmen sammeln

Seit einem halben Jahr nun wird seitens des Rathauses die Frage offen gehalten, ob die verlorenen Attraktionen ersetzt werden sollen. Zuständig ist der Bau- und Umweltbürgermeister Tim von Winning. „Wir wollen erst hören, was in der Öffentlichkeit darüber gesprochen wird“, sagt er. Vor Herbst dieses Jahres werde keine Entscheidung gefällt.

Soll erst abgewartet werden, welches Loch die fehlende Bären-Attraktion wirklich in die Kasse des Tiergartens schlägt? Bis zu 160 000 Besucher strömen jährlich in die Anlage, deren letzte große Erweiterung aus dem Jahr 2008 stammt. Damals wurde das Donauaquarium eröffnet, ein begehbarer Tunnel, hinter dessen Glaswänden heimische Fischarten beobachtet werden können. Der Baubürgermeister sagt, finanzielle Erwägungen spielten keine Rolle. Wichtiger sei ihm in der Bärencausa die Frage: „Wie kann man das gesellschaftlich vertreten?“

Der Landestierschutzverband ist grundsätzlich skeptisch

In der zweiten Jahreshälfte sollen dazu Bürger und Interessengruppen gehört werden, auch Tierschützer. Der Landestierschutzverband Baden-Württemberg hat bereits eine klare Meinung. Die Biologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin Martina Klausmann sagt: „Gerade kleinere Tierparks können den Bären keine artgerechten Bedingungen bieten, weshalb wir den Plänen der Ulmer Verantwortlichen sehr kritisch gegenüberstehen.“ Bären in Gefangenschaft benötigten, um nicht gestörte Verhaltensweisen zu entwickeln, große, naturnahe Flächen mit Schwimm- und Klettermöglichkeiten.

„Nur wenige Anlagen in Deutschland erfüllen derartige Anforderungen“, so Biologin Klausmann. Ein Beispiel sei die Bärenanlage des Deutschen Tierschutzbundes im Tierschutzzentrum Weidefeld (Schleswig-Holstein), wo den Tieren mehrere Tausend Quadratmeter zur Verfügung stünden. Den südwestdeutschen Freizeitpark Tripsdrill oder den privaten „Alternativen Wolf- und Bärenpark Schappach“ in der Schwarzwaldgemeinde Bad Rippoldsau-Schappach, wo die Großraubtiere ebenfalls noch zu sehen sind, erwähnt der Landestierschutzverband ausdrücklich nicht.

Bei Zirkusauftritten will der Gemeinderat Wildtiere nicht sehen

Unklar ist, wohin der Ulmer Gemeinderat in Sachen Tierpark tendiert. 2016 verhängte die Stadt ein Wildtierverbot gegen Zirkusunternehmen. Der Zirkus Krone klagte dagegen, die Stadt ging bis vor den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Im Dezember gestatteten die Mannheimer Richter per Urteil die Haltung von Löwe und Co. und schützten so die Freiheit der Berufsausübung.Es gehe, sagt Tim von Winning, um mehr als nur die Bären. Auch das Tropenhaus müsse grundsaniert werden. Das Konzept des ganzen Tierparks stehe auf dem Prüfstand, externe Berater sind seit längerem eingeschaltet. Eine Idee ist es aktuell offenbar, den Tiergarten zu einem Schaufenster der Tierwelt des gesamten Donauraumes zu machen. Affen und das Krokodil Timo, das seit mehr als einem halben Jahrhundert in Ulm lebt, passten dazu nicht mehr gut. Braunbären, da zum Beispiel auch Rumänien zum Donauraum gehört, allerdings durchaus.

Sollten trotz aller Bedenken wieder Bären nach Ulm geholt werden, sagt Tierschützerin Klausmann, dann wenigstens geschundene Kreaturen aus dem osteuropäischen Ausland. Die Hamburger Tierschutzstiftung Vier Pfoten schließt sich an. Nach Susis Ableben, so eine Sprecherin, habe man sich per Brief an den Tiergarten gewandt „und diesem nahegelegt, künftig dort Braunbären zu halten, die aus nicht artgemäßer Haltung stammen.“ Die Idee, lautete die Antwort, werde „grundsätzlich nicht ausgeschlossen“.

Gedankenspiele mit Osteuropa