Lias sei der fotogenste Luchs Deutschlands, sagt Armin Hafner. Er zeige keinerlei Scheu vor den Fotofallen. Foto: Thomas Faltin, Armin Hafner

Niemand kennt die Luchse im Südwesten so gut wie der Ranger Armin Hafner im Donautal. Sein größtes Glück ist es, einem Tier in freier Wildbahn zu begegnen.

Beuron - Als Armin Hafner im August 2005 das erste Mal einem Luchs in freier Wildbahn begegnete, ahnte er noch nicht, dass dieses Tier sein Leben verändern würde. Mit einem Bekannten saß der leidenschaftliche Jäger abends auf einem Hochsitz, da wanderte ein Luchs in aller Seelenruhe 50 Meter vor ihnen vorbei: „Luchse sind sehr selten, und Raubtiere üben immer eine besondere Faszination aus.“ So begründet der heute 52-jährige Hafner, warum ihn der Luchs nie wieder losgelassen hat. Heute arbeitet er zur Hälfte als Ranger für den Naturpark Obere Donau, zur anderen Hälfte kümmert er sich im Auftrag der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg um das Luchsmonitoring im Donautal.

 

Tatsächlich ist diese Gegend zwischen Sigmaringen und Fridingen ein Lieblingsort der Luchse in Baden-Württemberg. Zwar lebt ein Tier namens Wilhelm auch im Südschwarzwald, doch im Donautal gaben sich seit 2015 gleich vier Luchse nacheinander ein Stelldichein: Friedl, Tello, ein Tier ohne Name und seit Anfang vergangenen Jahres Lias.

Armin Hafner hat ihn in der Nähe der Burg Wildenstein im Januar 2019 gefangen und mit einem Sender ausgestattet; er durfte ihm den Namen geben – und er begegnet ihm immer wieder im Wald. Einen der scheuen Luchse zu sehen, sei wie ein Sechser im Lotto, sagt Hafner. Viele Experten der FVA hätten nie dieses Glück gehabt. Doch Hafner traf Lias schon fünf Mal, und einmal, als das Tier betäubt war, durfte er ihn sogar tragen. „Lias wiegt 25 Kilo und ist eines der schwersten Luchsmännchen in Deutschland“, sagt Hafner: „Und er war ganz schön kuschelig.“ Andere beneiden Hafner – hat der Mann eigentlich einen Magneten eingebaut, der Luchse anzieht, fragen sich manche.

Lias kann in einer Nacht fast 50 Kilometer zurücklegen

Mittlerweile ist es für Armin Hafner nicht mehr ganz so schwierig, Lias zu sehen. Er hat rund 20 Fotofallen aufgestellt, um Fotos und Videos von Lias zu bekommen – jetzt kennt er die Wechsel, die Lias häufig nimmt. Und der Sender liefert täglich sechs Ortspunkte, an denen sich der Luchs aufgehalten hat. Das geschieht aber zeitversetzt, denn soviel Privatsphäre will man auch einem Luchs zugestehen: Wenn Lias an einem Abend bei Beuron geortet wurde, kann er am nächsten Morgen schon viele Kilometer entfernt sein. Meist hält sich Lias im Donautal auf, aber zwei Mal machte er auch einen Ausflug, sogar bis in die Schweiz: „In vier Nächten hat er 180 Kilometer zurückgelegt“, so Hafner. Für ihn ist Lias längst ein Teil seines Lebens, er fühlt sich für ihn verantwortlich.

Mit einer von Hafners Fotofallen gelang am 11. Mai auch zum zweiten Mal der Nachweis eines Wolfes im Donautal. Der Wolf bleibe weiter ein umstrittenes Tier, sagt Hafner, die Deutschen litten an einem „Rotkäppchen-Syndrom“; dabei sei seit der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland vor fast 30 Jahren noch nie ein Mensch angegriffen worden.

Wäre das Donautal der beste Ort für eine Wiederansiedlung?

Beim Luchs dagegen sei vieles einfacher, vor allem im Donautal. Hafner lebt schon immer dort und kennt Gott und die Welt. Wenn ein Nutztier gerissen wird, kommt er am gleichen Tag vorbei und spricht mit dem Halter. Lias hat in zwei Fällen sieben Damhirsche in einem Gehege gerissen, Friedl tötete 15 Schafe. Und wenn ein Reh gefunden wird, nimmt Hafner den zuständigen Jäger immer mit zum Riss. Er wolle für alle transparent bleiben. Auf diese Weise ist viel Vertrauen im Donautal gewachsen, auch wenn einige Jäger und Schafhalter skeptisch geblieben sind. Aber die Menschen leben seit mehr als drei Jahren ständig mit dem Luchs. Die Schafhalter sehen, dass nur sehr selten ein Nutztier sterben muss. Und die Jäger erfahren, dass der Luchs nicht alle Wildtiere vertreibt und keine Konkurrenz darstellt. Seit Lias ein Halsband trägt, dokumentiert Armin Hafner die Risse ganz genau: vier Gämsen und 17 Rehe waren es seit März, also etwa sechs Tiere pro Monat. Das verkraftet die Natur. „Die Akzeptanz gegenüber dem Luchs ist im Donautal sicher höher als anderswo“, sagt Hafner. Das ist vor allem seiner Arbeit zu verdanken; Armin Hafner kann alle Positionen nachvollziehen und versteht sich deshalb vor allem als Vermittler.

Womöglich wäre deshalb das Donautal der beste Ort in Baden-Württemberg, um eines Tages Luchse aktiv anzusiedeln – ein Männchen und zwei Weibchen hätten dort Platz. Tatsächlich ist ein solches Projekt nicht mehr auszuschließen. Denn die FVA hat in einem Konzept mittlerweile drei konkrete Szenarien erarbeitet, und die Wiederansiedlung, wie sie etwa derzeit im Pfälzer Wald unternommen wird, ist eines davon.

Da weibliche Luchse sehr zurückhaltend sind in ihrem Wandertrieb, ist eine natürliche Rückkehr der Luchse unwahrscheinlich. Der Ranger Armin Hafner will in dieser Sache aber neutral bleiben. Aber so ganz kann er nicht verhehlen, dass ihm die Luchse ans Herz gewachsen sind: „Es ist ein unwahrscheinlicher Glücksfall, dass ich das alles miterleben darf“, sagt er.

Eine bedrohte Tierart

In Deutschland sind mehr wild lebende Luchse unterwegs: 135 Tiere wurden 2018 bei einer Erhebung des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) gezählt. Im Vorjahr meldete das Amt noch 114 Tiere. Der Anstieg ist laut einer BfN-Mitteilung vor allem auf ein Auswilderungsprojekt in Rheinland-Pfalz zurückzuführen. Daneben gibt es in Deutschland zwei größere Vorkommen: Eine Population lebt in Ostbayern, eine zweite erstreckt sich vom Harz bis nach Nordhessen und Nordrhein-Westfalen.

Die BfN-Präsidentin Beate Jessel beschreibt den Erhaltungszustand der Tiere weiterhin als kritisch. „Vor allem durch die Zerschneidung von Lebensräumen und durch illegale Tötungen ist die Art hierzulande nach wie vor stark gefährdet.“ Der Eurasische Luchs (Lynx lynx) ist in Deutschland streng geschützt und war lange ausgerottet. Luchse ernähren sich hauptsächlich von Rehen.