Parken verboten: der Gehweg in der Unteren Poststraße in Böblingen soll den Fußgängern gehören. Trotzdem wird dort ständig geparkt. Foto:factum/Granville Foto:  

Mehr Kontrollen und ein Dinner-Tarif sollen in Böblingen zu geordneten Park-Verhältnissen führen. Im Vergleich mit Herrenberg, Sindelfingen und Leonberg hat die Stadt die meisten Ordnungshüter im Einsatz.

Böblingen - In der Poststraße soll eine Mutter mit einem Kind an der Hand die Falschparker abschrecken. Der Fahrradweg wurde an der Stelle abgeschafft, ein reiner Gehweg daraus gemacht. Große Piktogramme der Frau und ihres Nachwuchses hat die Stadt Böblingen auf den Asphalt malen lassen. „Nun bekommen es Falschparker nicht nur mit Radfahrern, sondern auch mit Fußgängern und Kinderwagenverkehr zu tun“, sagt die Verwaltung, die auf Besserung hofft. Trotzdem missbrauchen Autofahrer den Streifen weiterhin als Abstellfläche. Aber Marcel Launer rechnet damit, dass bald mehr Parkdisziplin herrscht, weil von Januar an zusätzliche Ordnungshüter im Einsatz sind. „Dann können wir deutlich mehr kontrollieren“, kündigt der Ordnungsamtsleiter an. Und abschleppen.

Überall steigt die Zahl der Falschparker

Das Problem beschäftigt viele Rathäuser: „Sowohl die Zahl der Falschparker als auch die Beschwerden darüber haben stark zugenommen“, heißt es aus Herrenberg, „mit weiter steigender Tendenz“. Sindelfingen und Leonberg beklagen die gleiche Entwicklung. Der Stuttgarter Ordnungsbürgermeister Martin Schairer stellte kürzlich ein Konzept gegen Falschparker vor. Mit einem Onlinekatalog, der die größten Parksünden auflistet, wird an das Gewissen der Autofahrer appelliert. Mit konsequenten Abschleppaktionen werden Verfehlungen künftig stärker sanktioniert. Die ebenfalls zunehmende Rücksichtslosigkeit der Verkehrsteilnehmer hat Herrenberg als Ursache des Problems ausgemacht. Das Parken auf Gehwegen, in Kurven oder vor Einfahrten habe zugenommen, sagt die Stadtsprecherin Anne Reichel. Selbst Schilder würden teilweise ignoriert.

Die Lösung ist laut Marcel Launer im Prinzip einfach. „Wenn wir mehr kontrollieren, gibt es weniger Falschparker“, sagt er. Zuletzt war sein Ordnungsamt diesbezüglich wegen Fluktuation unterbesetzt, aber demnächst verfügt er über zehn Mitarbeiter, davon acht in Vollzeit. Dann würden auch Abschleppaktionen in einzelnen Bereichen möglich. „Punktuell das ein oder andere Exempel zu statuieren, bringt etwas mehr“, erklärt der Amtsleiter die harte Maßnahme. „Einen Strafzettel zahlt man locker, aber das Auto ist den Leuten sehr heilig.“ Und zwischen einem Bußgeld von rund 15 Euro und ein paar hundert Euro für die Auslöse des Wagens herrscht ebenfalls ein großer Unterschied. Die Streifen laufen außerdem zu unregelmäßigen Zeiten, damit sie unverhofft auftauchen, und künftig öfter auch am Abend.

Massive Probleme machen die Falschparker in der Böblinger Altstadt am Schlossbergring. In der Poststraße werden vor allem mittags und abends an der linken Straßenseite die Autos abgestellt – obwohl neben der Mutter mit ihrem Kind das Parkverbot auch durch weitere Schilder verdeutlicht wurde. Dort befindet sich eine Reihe von Schnellimbissen. Auch in den engen Gassen der Altstadt parken die Autofahrer auf verbotenen Flächen, um einzukaufen oder in ein Lokal zu gehen, sowie in der Nähe der Fußgängerzone. Im Stadtteil Flugfeld wird vor einem Ärztezentrum regelmäßig eine Spielstraße in einen Parkplatz verwandelt. „Jeder will so dicht wie möglich an sein Ziel heran“, erklärt Marcel Launer das Verhalten der Parksünder in der Innenstadt. Auch aus den Wohngebieten kommen Beschwerden über Falschparker beim Ordnungsamt an.

In einem Jahr 23 000 Fälle

Der kommunale Ordnungsdienst hat im vergangenen Jahr in Böblingen fast 18 800 Strafzettel verteilt. Von die Polizei wurden knapp 1900 Parkvergehen gemeldet, Privatleute zeigten rund 2400 Verstöße an. Und 108-mal schleppte die Stadt ab. Insgesamt hat das Ordnungsamt im Bereich ruhender Verkehr 23 000 Fälle bearbeitet, also pro Monat fast 2000 Strafzettel. „Uns geht es weniger um die Einnahmen“, betont Marcel Launer gleich, „der erzieherische Wert hat bei uns Vorrang“. Falschparken sei kein Kavaliersdelikt, ergänzt er. Bequemlichkeit dürfe nicht die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrer gefährden. Besonders schlimm sei es, wenn die Rettungsdienste durch Falschparker aufgehalten würden.

Für Marcel Launer ist das regelwidrige Verhalten so mancher Autofahrer absolut nicht nachzuvollziehen. „Entgegen dem Empfinden vieler Autofahrer haben wir in der Innenstadt genügend Parkplätze“, sagt er. Die oberirdischen Stellflächen werden nur in den Spitzenzeiten knapp, spätestens dann könnten die Autofahrer die Tiefgaragen ansteuern, hat eine Untersuchung ergeben. Allein am Schlossbergring stehen 1600 Parkmöglichkeiten an den Straßen zur Verfügung, dazu vier Parkhäuser, deren Auslastung bei höchstens 60 Prozent liegt. „Dennoch ist in einigen Quartieren eine Vielzahl von Falschparkvorgängen beobachtet worden“, heißt es in der Untersuchung vom vergangenen Jahr. Obwohl legale Parkplätze frei waren, stellten sich Autofahrer ins Halte- oder Parkverbot.

Möglicherweise entspannt der neue Dinnertarif die Situation: Von 1. Januar an müssen Tiefgaragennutzer von 18 Uhr an nur einen Euro für das Parken in der Altstadt bezahlen. Gleichzeitig werden die Parkgebühren an den oberirdischen Parkplätzen um rund 30 Prozent erhöht. Mit relativ wenig Aufwand könne viel erreicht werden, erklärte Hans-Dieter Schühle den Antrag der CDU im Gemeinderat. Im neuen Jahr will die Verwaltung darüber hinaus für den Schlossberg ein Parkleitsystem vorlegen. Ob die Falschparker ihr Verhalten ändern, ist allerdings fraglich. Laut Marcel Launer zeigen sie wenig Einsicht: „Wenn ein Strafzettel ausgestellt wird und sie kommen dazu, ärgern sie sich meistens.“

Sindelfingen, Herrenberg und Leonberg klagen ebenfalls

Kreis Böblingen - Das Thema treibt die Bürger um – und zwar beide Seiten. Sowohl Falschparker beschweren sich auf den Rathäusern über ihre Strafzettel, als auch Bürger über Falschparker. Obwohl die Zahl der Verstöße zugenommen hat, werden in Sindelfingen, Herrenberg und Leonberg die Kontrollen aber nicht erhöht.

Wünsche aus Sindelfingen

„In Sindelfingen und seinen Teilorten hat die Zahl der Falschparker in den vergangenen Jahren leider deutlich zugenommen“, teilt das Ordnungsamt mit. Mehrmals täglich gingen Beschwerden aus der Innenstadt, aus Wohn- und Gewerbegebieten im Rathaus ein. Sieben Vollzeitkräfte, eine Teilzeitkraft und zwei Aushilfen hat Böblingens größere Nachbarstadt im Vollzugsdienst eingestellt, die sich nicht nur um Falschparker kümmern. Die Zahl der Mitarbeiter wurde indes nicht erhöht. Im Moment hat das Ordnungsamt einen Kontrollschwerpunkt auf die Innenstadt gelegt. Dies bedeutet gleichzeitig „weniger engmaschige Kontrollen in anderen Gebieten“.

Die Bandbreite der Verstöße sei weit gefächert: Immer seltener werde Rücksicht auf Rettungs- und Feuerwehrzufahrten oder auch Parkplätze für Schwerbehinderte genommen. Außerdem nehmen die Beschwerden bezüglich zugeparkter Grundstücksein- und -ausfahrten sowie einer zu geringen Durchfahrtsbreite zu. Sindelfingen hat im vergangenen Jahr fast 300 000 Euro aufgrund von Parkvergehen eingenommen. „Allein die Personalkosten des Vollzugsdiensts sind jedoch schon höher als die Einnahmen“, stellt das Amt klar.

Die Beschwerden über Falschparker halten sich die Waage mit den Beschwerden über erhaltene Strafzettel. „Nicht selten sind es auch Beschwerden von Ladeninhabern, deren Kunden wegen Falschparkens Strafzettel erhalten haben“, berichtet die Verwaltung. Mit Hilfe von Parkraumbewirtschaftung versucht die Stadt, das Dauerparken in der Innenstadt zu reduzieren und damit Kundenparkplätze schaffen. „Wir würden uns seitens der gesamten Bevölkerung ein rücksichtsvolles Parkverhalten wünschen“, schreibt das Amt.

Herrenberg schleppt wenig ab

In der Stadt Herrenberg hat der Parkdruck zugenommen. Seither könnten gehäuft Ordnungswidrigkeiten im gesamten Stadtgebiet festgestellt werden, teilt die Stadt mit. Im Vollzugsdienst gibt es drei Vollzeitstellen. Gingen Beschwerden ein, würden diese Straßen verstärkt kontrolliert. Fahrzeuge werden nur dann abgeschleppt, wenn sie im Weg stehen. Die Einnahmen durch Bußgeld liegen bei 150 000 Euro.

In Herrenberg ist vor allem der Bahnhof ein Problembereich: Bei schlechtem Wetter würden mehr Autofahrer auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen und illegal im Park&Ride-Parkhaus oder in anliegenden Wohngebieten parken. „Nach Auffassung der erwischten Sünder gibt es im gesamten Stadtgebiet zu wenig Parkplätze“, erklärt die Stadtsprecherin Anne Reichel. Aber diese Einschätzung will das Ordnungsamt nicht pauschal bestätigen: „Teilweise werden kostenpflichtige Parkflächen nicht belegt und stattdessen kostenfreie Flächen in den Wohngebieten überbelegt.“

Über die ausgestellten Strafzettel gebe es natürlich viele Beschwerden, berichtet Anne Reichel. Aber in Herrenberg nehmen auch Beschwerden über die Falschparker und ihr rücksichtsloses Verhalten stark zu. „Sie sind in der Regel gerechtfertigt“, ergänzt sie. Diese Personen würden auch immer mehr neue Schilder und Markierungen fordern, die von den Parksündern wiederum zunehmend ignoriert würden.

Keine Kapazität in Leonberg

„Die Anzahl der Parkverstöße ist ansteigend“, teilt auch der Leonberger Pressesprecher Tom Kleinfeld mit – und das gilt ebenfalls für die Beschwerden über Falschparker. Derzeit gibt es sechs Mitarbeiter im Vollzugsdienst. Im Juni hatte die CDU-Stadträtin Elke Staubach einen stärkeren Einsatz des Ordnungsamtes am Wochenende und abends gefordert. Mit Hinweis auf die Personalsituation lehnte der Ordnungsamtsleiter Jürgen Beck das Ansinnen ab: Aus Sicherheitsgründen müssten die Ordnungshüter nachts zu zweit unterwegs sein, dafür gebe es keine Kapazitäten.

Problematisch sind in Leonberg die Stadtmitte und Wohngebiete. Ein Dauerärgernis sind Falschparker auf dem Gehweg vor einem Einkaufszentrum in der Römerstraße, die oft den Notausgang versperren, obwohl es in direkter Nähe 250 kostenlose Parkplätze gibt. In den Wohngebiete steige der Parkraummangel, berichtet Tom Kleinfeld, weil die Bewohner mehr als nur ein Auto besäßen oder ihre Garagen mit Möbeln und dergleichen „fremd belegen“.