Im Schönbuch bei Waldenbuch: Der Stein erinnert an ein Mordopfer Foto: Karl-Georg Martin

Dunkel ist nicht nur der Tann, sondern auch die Absicht einzelner Waldbesucher. Und Opfer von Wilderern wurden nicht nur Rehe und Hasen, sondern auch Forstleute. Ein Gedenkstein bei Waldenbuch erinnert an eine frevelhafte Tat.

Stuttgart - „Du wirst mehr in den Wäldern finden als in den Büchern“, schrieb Bernhard von Clairvaux. Wir haben uns auf die Suche gemacht und stellen Ihnen in einer Serie jeden Montag Besonderheiten aus den Wäldern rund um Stuttgart vor. Heute: der Klinglerstein im Schönbuch.

War es Hunger, der die beiden Burschen mit Flinten in den Wald trieb? Oder war es der Jagdtrieb, dem sie nichts entgegenzusetzen hatten? Der Grund ist nicht überliefert, und für den armen Forstanwärter Wilhelm Klingler ging die Begegnung mit den Burschen so oder so böse aus. Am 19. Juli 1913, einem Samstag, ist der Forstmann im Schönbuch unterwegs. Die Chronisten konstatieren für diesen Julitag „kühle Witterungsverhältnisse“, 17 Grad Celsius. Im Unterholz, südlich der Aich und östlich von Waldenbuch, liegen zwei 18- und 19-jährige Wilderer auf der Lauer. Möglicherweise haben sie einfach geschossen, weil sie ein Wildschwein oder Reh vermuteten. Zum Unglück aller Beteiligten treffen die Kugeln den Mann, der verletzt liegen bleibt.

Seit 1848 ist im Schönbuch zwar die herrschaftliche Jagd abgeschafft, aber der sogenannte Forstfrevel wurde noch lange bestraft. Förster waren im 19. Jahrhundert Polizei und Richter in Personalunion. Ängstigen sich die beiden jungen Männer vor der Autorität des Forstmanns? Wollen sie ihren Wildfrevel und den Unfall vertuschen? Wie sie den Mann so da liegen sehen, tun sie jedenfalls das Falsche: Wilhelm Klingler, „der ledige Forstamtsanwärter vom Forstamt Plattenhardt, wurde alsdann mit dem Gewehrkolben totgeschlagen“, schreibt der „Filder-Bote“ am 22. Juli 1913.

Ein Bursche beschuldigt den anderen

An das Opfer erinnert ein spitzkegliger, fast mannshoher Block aus Stubensandstein (Koordinaten: 48.63083, 9.16450). Darauf steht: „Hier ist Forstpraktikant Wilh. Klingler am 19. Juli 1913 im Kampf mit Wilderern gefallen. Auf Wiedersehn.“

Wälder schweigen. Der Mord wäre deshalb womöglich ungesühnt geblieben, hätte sich einer der beiden nicht am 21. Juli 1913 der Polizei gestellt und behauptet, der Komplize habe den Mord begangen. Sie führten die Polizei zum Tatort in der sogenannten Alten Scheerwässere. Die Burschen wanderten am Ende für viele Jahre ins Zuchthaus.

Welche Waldgeheimnisse kennen Sie? Wir sind gespannt. Schreiben Sie uns per Mail: lokales@stzn.de oder per Post: Zentralredaktion, Postfach 10 44 52, 70 039 Stuttgart, Stichwort: Wald.