Die Begegnung mit streunenden Hunden kann für Rehe lebensgefährlich werden. Foto: imago/blickwinkel

Im Ramsbachtal bei Stuttgart-Birkach wurde kurz vor dem Jahreswechsel ein Reh getötet. Die Jagdpächter haben einen wildernden Hund im Verdacht und prangern an, dass Herrchen und Frauchen ihre Vierbeiner oftmals nicht unter Kontrolle hätten.

Birkach - Die tote Rehgeiß lag hüfttief im Bach, als Andreas Leypoldt und die anderen an die Stelle kamen. Die Jäger waren am 30. Dezember gegen 9 Uhr in der Nähe auf einer Wiese bei Birkach unterwegs, ein Falkner hatte dort mit seinem Adler Jagdflüge trainiert, als der Anruf wegen des gerissenen Rehs einging.

Der Anblick, der sich den Jägern bot, war alles andere als schön, berichtet der Plieninger Andreas Leypoldt. Die Geiß habe im Ramsbachtal direkt am Fußweg an einem Brückchen im Bach gelegen, sie habe Bisswunden aufgewiesen. „Die Gurgel war offen“, sagt er. Von einem Vorderlauf seien die Fleischfetzen gehangen. Und damit nicht genug: „Es war eine trächtige Geiß“, sagt Leypoldt, „sie hatte zwei Embryos im Bauch“.

Die Rehkitze werden es wohl nicht überleben

Andreas Leypoldt ist zusammen mit anderen als Jäger für das Revier Plieningen/Birkach zuständig. An den milchigen Zitzen der toten Geiß konnten die Jäger erkennen, dass das Tier Junge haben muss, die noch gesäugt werden. „Die werden jetzt wahrscheinlich verrecken“, sagt Leypoldt. Zu vielen Jägern gehört offenbar nicht nur das Jägerlatein, sondern auch eine derbe Ausdrucksweise. Manches wollen sie aber auch gar nicht mehr schönreden. Andreas Leypoldt und seine Kameraden sagen, sie haben die Nase langsam aber sicher gestrichen voll.

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Denn sie sind sich sicher, dass ein Hund die Rehgeiß gerissen hat – wie es viel zu oft vorkomme in den Wäldern rund um Stuttgart und eben auch im Ramsbachtal. „Im Jahr 2021 waren es zum Beispiel zwei Rehkitze und ein Junghase“, erzählt der Plieninger.

Die Stelle im Ramsbachtal sei ein Landschaftsschutzgebiet, erklärt Martin Thronberens, ein Sprecher der Stadt Stuttgart. Hunde müssten nicht angeleint sein, „allerdings muss der Hundehalter jederzeit auf seinen Hund einwirken können“. Dass dies nicht immer gelingt, legen die Berichte der Jagdpächter nahe, die wiederholt zu Wildtieren gerufen würden, „wo wir eindeutig einen Hunderiss erkennen“, sagt Andreas Leypoldt. Das passiere unabhängig von der Jahreszeit, „im Winter hat es der Hund aber vielleicht noch etwas einfacher“, sagt er, „weil die Rehe nicht so agil sind“.

Mann mit Hund beobachtet

Im Falle der trächtigen Rehgeiß, die am 30. Dezember im Ramsbachtal den Tod gefunden hat, soll es zudem eine Zeugenbeobachtung gegeben haben, berichtet der Plieninger Jäger. Jemand, der ihm bekannt sei, habe zur fraglichen Zeit einen Mann mit Hund gesehen, „der verzweifelt nach einem zweiten Hund gerufen hat“. Eine Personenbeschreibung liege vor, und auch ein möglicher Name des ausgebüchsten Hundes. All dies sei der Polizei bekannt, bisher habe diese sich aber noch nicht bei dem Zeugen gemeldet, wie Leypoldt in Erfahrung gebracht haben will. Die Jäger fühlen sich mit dem Problem wildernder Hunde alleingelassen.

Die Polizei Stuttgart hat eine andere Sicht auf den konkreten Fall vom 30. Dezember. Soweit ihm bekannt sei, sei den Beamten lediglich ein Name, aber kein Wohnort und keine Telefonnummer übermittelt worden. „Das ist oft das Problem mit der ungenauen Datenweitergabe“, sagt ein Sprecher der Polizei. Generell gelte, dass die Polizei Stuttgart keine Auffälligkeiten bei derlei Vorkommnissen registriere. Es gebe beispielsweise keine Zunahme von gerissenen Wildtieren, wie der Sprecher sagt. Zu unterscheiden sei grundsätzlich zwischen Jagdwilderei einerseits, bei der ein Hundehalter sein Tier gezielt auf ein Wildtier hetzt, um das Fleisch einzusacken, hierbei handele es sich um eine Straftat. Hat andererseits jemand seinen Hund nicht im Griff und der töte ein Wildtier, handele es sich um einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, erklärt der Polizei-Sprecher. Über das Strafmaß kann die Staatsanwaltschaft Stuttgart keine pauschale Aussage treffen, sagt eine Sprecherin. „Es kommt auf den konkreten Fall und viele Einzelumstände an.“

Jagdwilderei oder Verstoß gegen Tierschutzgesetz

Andreas Leypoldt sagt über sich, er sei kein Hundefeind, sondern ein Hundemensch. Er selbst hat zwar derzeit keinen eigenen Hund, sein neuer sei erst fünf Wochen alt, den bekomme er erst demnächst. Der Plieninger erzählt auch, dass ihm im Wald immer wieder freundliche Hundehalter begegnen. Aber eben nicht nur. Wenn die Jäger darauf hinweisen würden, dass Hunde hier nicht frei herumstreunen dürften, dass dies auf Schildern geschrieben stehe, „dann kriegt man oft eine dumme Gosch“, sagt er. „Oder sie sagen zu ihren Kindern: Schaut mal, das ist der Kitz-Mörder.“ In der Coronazeit habe das Problem seiner Ansicht nach zugenommen, weil die Leute mehr draußen unterwegs seien. „Dann laufen sie überall rum und stieren rum.“

Die gerissene Rehgeiß aus dem Ramsbachtal wurde übrigens vertilgt. Selbst essen dürften die Jäger ein Wildtier, das auf unklare Weise zu Tode kam, nicht. Verkaufen erst recht nicht, erklärt Leypoldt. Also haben sie das Reh dem Falkner gegeben, als Schmaus für die Raubvögel.