Der Duft von Heu liegt in diesen Tagen in der Luft. Doch wie oft sollte man eine Wiese eigentlich mähen? Fünf Menschen von den Fildern geben fünf verschiedene Antworten.
Filder - Während einige Wiesen in diesen bilderbuchhaften Sommertagen noch in voller Pracht dastehen, sich die Insekten an den Blüten laben, liegen die geschnittenen Halme vielerorts bereits zum Trocknen aus oder werden in Reihe gebracht. Vier schöne Sommertage braucht es, so lautet die Faustregel, dann wird das Heu perfekt. Doch wie oft sollte man, auch vor dem Hintergrund des Artensterbens, Wiesen eigentlich mähen? Auf diese Frage gibt es ganz verschiedene Antworten. Wir lassen hier fünf Stimmen zu Wort kommen, die eine unterschiedliche Sicht auf das Thema Wiesenmahd haben.
Der Nabu-Mann gibt Mähtipps
Stefan Kress ist Diplom-Biologe, sein besonderes Interesse gilt den Insekten, und die findet er vor allem auf Wiesen. Auf einem Englischen Rasen – grasgrün, kurz geschnitten und ohne jedes Blümchen – lebe hingegen kaum etwas, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Nabu Stuttgart. Er wirbt dafür, seltener, weniger und anders zu mähen. Auch im heimischen Garten könne so viel für den Artenschutz erreicht werden.
Auf seinem Grundstück habe er den „langweiligen grünen Rasen“ in eine bunte Blumenwiese transformiert. Zum Teil habe er dafür extra Wildblumenmischungen gesät. „Und ich mähe nicht mehr wie früher alle zwei Wochen“, sagt Kress. Am besten mähe man dann, wenn eine der Wildblumenarten verblühe, wie aktuell der Rotklee. „Dann blüht der noch mal.“
Wichtig sei es, sogenannte Mähinseln zu belassen, also nie die gesamte Fläche auf einmal zu kürzen. Dann haben die Insekten einen Rückzugsort, von dem aus sie die nachwachsende Wiese neu besiedeln können. Gemäht werden sollte von innen nach außen. Denn sonst kreist man die flüchtenden Tierchen immer weiter ein und am Ende werden sie vom Mäher geschreddert. Das Mähgut sollte entfernt werden. Bleibt es liegen, reichert sich der Boden zu sehr mit Nährstoffen an und er verfilzt. Das macht es Blumen schwerer, sich zu entfalten. Um Konflikte mit den Nachbarn zu vermeiden, empfiehlt Kress Akzeptanzstreifen. Also entlang von Wegen und Grundstücksgrenzen einen Streifen kurz machen. Dies zeige, dass der Gartenbesitzer nicht einfach faul sei, sondern mit der bunten Wiese ein Ziel verfolge.
Seine Roboter sind im Trend
Die Hausroboter sind im Trend. Nicht nur als Staubsauger, sondern auch als Rasenmäher in so manchem Garten. Das merkt auch Simon Hörz vom gleichnamigen Technik-Center in Filderstadt-Plattenhardt, denn er ist zurzeit täglich unterwegs, um die vollautomatischen Helfer auf den Grünflächen seiner Kunden zu installieren. „Für einen schön gemähten grünen Rasen sind Mähroboter super“, sagt er. Für eine Blumenwiese seien die Geräte aber nicht geeignet, da sie idealerweise mehrmals pro Woche die gesamte Fläche kurz schneiden und gar nicht fürs hohe Gras gedacht seien. Seine Kunden sind hauptsächlich Privatleute, aber auch manche Sportvereine und Firmen wollen sich das regelmäßige Rasenmähen von Hand ersparen. Laut Hörz ist dabei auch ein Vorteil, dass Mähroboter die gemähten Halme als Dünger zurücklassen und man so keine Berge von Grünschnitt wegbringen muss, die oft nicht in die Biotonne passen.
Die Investition in einen der Roboter, die mehrere Hundert oder Tausend Euro kosten können, empfiehlt Hörz vor allem auf lange Sicht: „Alle zwei Wochen einen großen Garten zu mähen, wäre in Arbeitsstunden teurer als ein Roboter, der 15 Jahre läuft.“ Vor dem Start des Roboters müssen Hörz’ Kunden manchmal noch Stufen oder Hindernisse im Garten beseitigen, danach soll der kleine Helfer von alleine nach einem festen Zeitprogramm arbeiten. „Ich empfehle meinen Kunden, das Gerät nur tags fahren zu lassen“, sagt Hörz. Damit schütze man nachtaktive Tiere wie Igel, für die die Roboter teils als Gefahr gesehen werden.
Der Forscher sieht zwei Seiten
Wer Ulrich Thumm nach der Wiesenmahd fragt, merkt schnell, wie komplex die ökologischen und landwirtschaftlichen Zusammenhänge auf Wiesen sein können. Thumm forscht am Institut für Kulturpflanzenwissenschaften der Universität Hohenheim. Er erklärt, dass Grünland hierzulande eigentlich gar nicht der Naturzustand ist: „Wiese wird in Mitteleuropa langsam zu Wald, wenn sie nicht genutzt wird.“ Werden sie zweimal im Jahr gemäht, sind auf den Fildern die sogenannten Glatthaferwiesen der Normalfall. In ihrer „mageren“ Variante auf nährstoffärmerem Boden sind sie durch eine EU-Richtlinie geschützt und sind laut Thumm zum Beispiel daran zu erkennen, dass dort auch Margeriten oder Wiesensalbei wachsen.
Für Thumm hat die Diskussion, wie oft eine Wiese gemäht werden sollte, zwei Seiten. „Je häufiger ich die Wiese schneide, desto mehr Nährstoffe werden dem Boden entzogen und desto weniger Arten wachsen dort“, sagt er. Denn nach der Mahd wachsen Gräser schneller nach als Blütenpflanzen, die sich in der Konkurrenz um Licht schlechter durchsetzen. Die Blüten wären jedoch für Insekten wichtig.
„Auf der anderen Seite machen Landwirte die häufigen Schnitte ja nicht zum Spaß, sondern für die Qualität ihres Tierfutters“, meint Thumm. „Junges Pflanzenmaterial ist für Milchkühe leichter verdaulich.“ Es enthält mehr Nährstoffe und kann damit teils das Kraftfutter ersetzen, das Hochleistungskühe sonst brauchen. Er gibt zu bedenken: „Grünlandbewirtschaftung hing traditionell schon immer stark am Bedarf der Nutztiere.“
Der Landwirt ist im Heu-Fieber
Würde Frank Handte seine Wiesen am Stück mähen, bräuchte er zehn Tage, schätzt er. Der 36-Jährige arbeitet als Landwirt auf dem Hof seines Vaters in Filderstadt-Bonlanden. Früher hatte die Familie Kühe, heute baut sie Getreide, Gemüse und natürlich Kraut an. Aber die Futterwiesen von damals hat sie eben immer noch, und deshalb verkaufen die Handtes Heu an Reitställe.
In den zurückliegenden Tagen herrschte aus Sicht von Frank Handte perfektes Heu-Wetter. Vier schöne Sommertage brauche es. Vier Tage, in denen der Landwirt das Heu immer wieder wenden muss, in denen er es schwadet, das bedeutet, dass er es in Reihen zusammenfasst, die später zu Ballen gepresst werden. Das Heu darf nicht mehr nass sein. Zum einen würde es schimmeln, was Frank Handte unzufriedene Kunden einbrächte. Zum anderen brennen Scheunen ab, wenn sich die Ballen durch Restfeuchtigkeit entzünden. Das größte Risiko dieser Tage: ein Gewitter. Frank Handte hat schon mal eine ganze Wiese an einen Sommerregen verloren.
Er mähe zweimal im Jahr. Die erste Mahd stehe zur Blütezeit an, sie bringt das beliebte Pferdeheu. Etwa acht Wochen später wird erneut gemäht, das Produkt heißt dann Öhmd. Es sei energiereicher, weil eiweißhaltiger, erklärt er. Pferdebesitzer verschmähen es, weil Pferde es wohl schwer verdauen. Deshalb geht der zweite Schnitt an einen Milchviehbetrieb. Um die Wiesen gesund zu halten, düngt Handte mineralisch. Breitet sich zum Beispiel Sauerampfer aus, was der Heuqualität schadet, bringt er spezielle Mittel aus. Mit Glyphosat habe das aber nichts zu tun.
Seine Tiere pflegen Wiesen
Die morgendliche Stille liegt über dem Eichenhain. Im Naturschutzgebiet zwischen Sillenbuch und Riedenberg ist nur das Pfeifen der Vögel und das Zirpen der Grillen zu hören. Andere Tiergeräusche: nicht zu vernehmen. Aber Tiere sind da, und zwar zahlreich. Schafe, Ziegen und ein Jungbulle, zusammengenommen 250 Exemplare, haben sich weiter unten am Hang ein schattiges Plätzchen gesucht. „Die haben in der Nacht gefressen und machen jetzt Siesta“, sagt der Halter Tibor Wodetzky.
Der 33-Jährige ist Schäfer – oder wie er sagt, Hirte. Seit dem Frühjahr 2019 ist er mit der Beweidung des Eichenhains beauftragt. Die Herden halten den Bewuchs zwischen den Eichen klein und verhindern, dass die Flächen verwildern, denn im Eichenhain gibt es den im Stadtgebiet einzigartigen Magerrasen. Seltene Krabbeltiere, etwa der Große Heidegrashüpfer, leben hier, auch Kräuter, Orchideen und andere Pflanzen sind zu finden. Damit sie gedeihen, dürfen die Flächen nicht zuwuchern. Die Nutztiere betreiben also Landschaftspflege und erhalten die natürliche Vielfalt. Zudem: Diese Art der Bewirtschaftung sei schonender als mit Maschinen. Und Spaziergänger freuen sich.
Anfang Mai hat der Hirte mit den Tattoos und der Camouflagehose seine Herde vom Stall in Nellingen für den Sommer hergebracht. „Ich bleibe, bis es kein Futter mehr gibt.“ Alle paar Tage, wenn eine abgesteckte Fläche abgefressen ist, geht’s ein Stück weiter. Andere Areale im Eichenhain, sogenannte Fettwiesen, mäht Tibor Wodetzky maschinell ab. So gewinnt er Futterheu für die kalte Jahreszeit.