Die Königstraße ist Fußgängerzone. Viele andere Bereiche der Innenstadt sind in Stuttgart für Autos freigegeben. Foto: dpa

Eine Stadt ohne Autos – ist das möglich? Wien ist zumindest auf einem guten Weg. Ein Professor aus Wien hat als Gast bei Aufbruch Stuttgart darüber gesprochen und Tipps gegeben, wie dies auch in der Landeshaupstadt möglich sein kann.

Stuttgart - Wien macht es vor: Die Stadt ohne Autos ist möglich. Na ja, räumt Hermann Knoflacher ein, ganz habe er sein Traumziel, im Zeitraum von zehn Jahren den ersten Bezirk der Donaumetropole wirklich vom Individualverkehr frei zu räumen, noch nicht erreicht, aber er sei optimistisch. „Denn das Auto, ein Virus, das reine Gift, muss raus aus der Stadt. Dann wird sie wieder schön und attraktiv.“ Den Weg dahin auch für Stuttgart und andere Städte weist der Ingenieur und emeritierte Professor am Institut Verkehrsplanung und -technik an der Universität Wien, der als Papst der Autokritiker gilt, auf Einladung von Aufbruch Stuttgart im Hospitalhof. Er führe, so der 78-Jährige, zwingend über eine Änderung der Bauordnung, um die so genannte Stellplatz-Verordnung abzuschaffen. Denn diese Vorschrift, bei jedem Bauprojekt Parkplätze auszuweisen, okkupiere ständig noch mehr öffentlichen Raum und sei daher „kriminell, geradezu ein Verbrechen“.

Die Misere Stuttgarts

Die Städte, so der streitbare 78-Jährige im voll besetzten Saal des Hospitalhofes, hätten das menschliche Maß verloren. Als positives Beispiel führt er Venedig an: Nicht nur, weil es zwangsläufig autofrei ist, sondern weil es hier die vielen kleinen Plätze gebe, die in der heutigen Stadtplanung vernachlässigt werden. „Wir haben versucht, eine Welt für Autos zu bauen“, sagt Knoflacher. Der Fußgänger komme in dieser Konzeption nicht mehr vor. Damit trifft der Verkehrswissenschaftler genau den wunden Punkt von Stuttgart: „Eine Verkehrsschneise, die sich Kulturmeile nennt, Plätze, die keine sind, Fußgänger, die sich im Straßenraum oft nicht einmal geduldet fühlen.“ So beschreibt man bei Aufbruch Stuttgart die bis heute unveränderte Situation.

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Wie lässt sich das ändern? Mit der konzertierten Aktion von Experten, Strukturwandel und Politik, erklärt Knoflacher. Denn auch in Wien habe man Anfang der siebziger Jahre noch eine Stadtautobahn bauen und die Ringbahn abschaffen wollen. Alte Fotos zeigen den Stephansplatz und den Graben voller Autos, wo jetzt Fußgänger ungestört flanieren. Heute bestehe das Verkehrsaufkommen in der Hauptstadt von Österreich zu 70 Prozent aus Fußgängern, Radfahrern und einem sehr gut funktionierenden System des öffentlichen Nahverkehrs. Weil Parkplätze sukzessive abgebaut werden und „sich die Autos in der Innenstadt nirgendwo mehr sicher fühlen können“.

Nach der Baustelle sind die Parkplätze weg

Bürgersteige werden aufs Niveau der Straße für eine Flanierzone abgesenkt, wo eine Baustelle eingerichtet wird, sind die Parkplätze anschließend weg und machen nicht selten der Freiluftgastronomie Platz. Wer sein Auto irgendwie unterbringen muss, zahlt monatlich 400 bis 600 Euro. Dank dieser konsequenten Konzeption sei Wien nun schon zum neunten Mal zur Weltstadt mit der besten Lebensqualität gewählt worden.

„Wie können wir das in den nächsten zehn Jahren in Stuttgart schaffen?“ , will Arno Lederer vom Aufbruch Stuttgart wissen. „Es ist auch für diese Stadt keine unerreichbare Utopie“, versichert der Gast. Aber es führe kein Weg daran vorbei, die Pflicht zu Parkplätzen in der Bauordnung abzuschaffen: „Dann bleiben die Autos draußen.“ Bis dieses Ziel erreicht sei, empfiehlt er, kleine Fußgängerbereiche bei den ÖPNV-Haltestellen einzurichten. Als ersten Schritt zur Entschleunigung.