David Bowie als Außerirdischer in „Der Mann, der vom Himmel fiel“ Foto: Studiocanal

Verblüfft und aus der Komfortzone herausgeholt hat der britische Regisseur Nicolas Roeg sein Publikum immer. An seinem 90. Geburtstag am 15. August 2018 kann er auf hochoriginelle Filme zurückblicken. „Der Mann, der vom Himmel fiel“ von 1976 war aber auch für ihn etwas Besonderes.

Stuttgart - Das hatte man nun davon, sich mit dem verrückten Engländer Nicolas Roeg eingelassen zu haben: einen Film, den kein Mensch verstand. Barry Diller, Chef des Hollywood-Studios Paramount, weigerte sich 1976, wie vereinbart zu bezahlen: Roegs „Der Mann, der vom Himmel fiel“ sei Vertragsbruch.

Der ebenso hemdsärmelige Donald Rugoff, der nun den US-Vertrieb übernahm, ließ erst einmal 20 Minuten aus diesem Science-Fiction-Streifen ohne Raumschiffe und Roboter herausschneiden, nachdem eine Testvorführung das Publikum vorzeitig aus dem Saal getrieben hatte. Dass der am 15. August vor 90 Jahren in London geborene Roeg da einen Klassiker vorgelegt hatte, der so gedankenanregend, atmosphärisch, geheimnisvoll und bissig wie sein sehr viel bekannterer Grusler „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ ist, sprach sich erst allmählich in kleinen Kreisen herum.

Zu den Sternen

Dass immer wieder jemand einen zweiten Blick riskiert, verdankt Roegs Verfilmung eines Romans von Walter Tevis ihrem Hauptdarsteller David Bowie. Der geniale Pop-Sonderling spielt einen erhaben blassen, stete Verwirrung niederkämpfenden Außerirdischen, der in New Mexico landet. Von Anfang an fährt Roeg dabei Bilder auf, in denen etwas nicht ganz stimmt, fehl am Platze scheint: etwa die rostende alte Lokomotive mitten in der Wüste, wo der Alien zuerst auftaucht, oder das schrottreife Motorrad, das am Ufer des Sees liegt, an dem der Fremdling so gebannt Rast macht, als habe er bereits gefunden, wozu er weit durchs All gereist ist.

Dieser Eindruck täuscht auch nicht. Thomas Jerome Newton, wie der sich Anpassende nennt, kommt von einer verdurstenden Welt. Mit futuristischer Technologie zieht er einen Mega-Konzern hoch – mit dem vorerst nur ihm bekannten Ziel, die Menschheit zu den Sternen zu führen, damit sie die letzten Ausharrenden seines Heimatplaneten retten kann.

Die Grundhandlung aber interessiert Roeg nur so beiläufig wie den Vorlagenautor Tevis. Der hatte mit dem allmählich dem Suff verfallenden Alien Newton von seinem eigenen Alkoholismus und seinen Verlorenheitsgefühlen erzählt. Roeg geht es wie immer um Stimmungen, um Atmosphäre, um Symbole, um Dinge, die sich dem klaren Zugriff entziehen.

Verführung im Hotel

Eine der schönsten Szenen in „Der Mann, der vom Himmel fiel“ spielt nachts in einem Hotel. Newton, von den irdischen Verhältnissen überfordert, ist im Fahrstuhl zusammengesackt, das Zimmermädchen Mary-Lou (Candy Clark) hat ihn zu Bett gebracht. Aus Hilfsbereitschaft und Erstversorgung ist Faszination geworden. Mary-Lou möchte den androgynen Wunderkauz verführen, weiß aber nicht wie, möchte lieber noch von ihm verführt werden.

Auch bei ihm scheint aber unklar, ob und wie er die Situation begreift. Aus der Mensch-Alien-Begegnung wird bei Roeg ein Porträt irdischer Hilflosigkeit in Sachen Annäherung: Jeder von uns wird nahe an einem Mitmenschen zum orientierungslosen Fremden von einem anderen Planeten.

Der 2016 verstorbene Bowie hielt „Der Mann, der vom Himmel fiel“ für einen wichtigen Teil seines Schaffens, in Nicolas Roeg erkannte er eine verwandte Seele, einen Mann, der die Zone des Vertrauten verlassen wollte. Bowie war es, der durchsetzte, dass die ursprüngliche Schnittfassung des Films 1992 wiederhergestellt wurde. Und als im Jahr 2005 in Hollywood ein Remake in Angriff genommen werden sollte, kaufte Bowie flugs die Rechte auf, um das zu verhindern. Manchmal war er eben kein bisschen weltfremd.

Heimkino: Die restaurierte, vollständige Fassung (138 Minuten) von „Der Mann, der vom Himmel fiel“ ist als DVD und Blu-ray mit viel Zusatzmaterial bei Studiocanal erschienen.