Mirella Bunoaica als Amina mit Jesús León als Elvino Foto: Sigmund

An der Oper Stuttgart steht Jossi Wielers und Sergio Morabitos fastastische Inszenierung von Bellinis „La Sonnambula“ wieder auf der Spielplan.

Stuttgart - Am Ende sitzen die Liebenden wieder am Tisch, links die Sopranistin, rechts der Tenor. „Keiner kann ahnen, wie glücklich ich bin“, singt Amina, aber an diesem Abend in der Oper Stuttgart nimmt ihr diesen Satz niemand ab, nicht diesseits und auch nicht jenseits der Bühne. Jossi Wieler und Sergio Morabito haben das unvermittelte, unglaubhafte Happy End von Vincenzo Bellinis „La Sonnambula“ in ihrer Inszenierung des Stücks 2012 nicht anders denn ironisch bebildern können. Und die feine Balance zwischen Ironie und tiefenpsychologischer Deutung, die als starke rote Fäden die losen Handlungsstränge des Stücks zusammenhalten, sorgte mit dafür, dass sich das Publikum bei der Wiederaufnahme des Stücks am Sonntagabend wieder lange für das eigentlich ziemlich kolportageträchtige Stück rund um eine auf ziemlich abstruse Weise ins Bett eines Fremden schlafwandelnde junge Frau begeistert hat.

Bejubelt wurden aber auch die Sänger. Catriona Smith als wundervoll zickige Lisa und die omnipräsente Helene Schneiderman als entzückend übermütterliche Teresa sind von der Premierenbesetzung übrig geblieben, ebenso Liang Li, der einen enorm ausdrucksstarken, (manchmal ein bisschen zu) kraftvollen Hallodri-Grafen gibt. Alle anderen Partien sind neu besetzt. Christian Tschelebjew verleiht dem Alessio große Präsenz, Prägnanz und Vitalität. Der Elvino von Jesús León hat Schmelz, Emotion, große Beweglichkeit, selbst in seinen narzisstischsten Tenor-Momenten darstellerische Überzeugungskraft und gewinnt im Laufe des Abends außerdem immer mehr Sicherheit in der geforderten Höhe.

Prunkstück der Aufführung ist der Staatsopernchor

Bei der Premiere hat Ana Durlovski die Amina gesungen: mit eher kleiner Stimme, dabei extrem koloraturfest und mit einer hinreißenden Mischung aus Zerbrechlichkeit und expressiver Kraft. Wenn jetzt Mirella Bunoaica die Partie übernimmt, hört man mehr Farben, mehr Körper, eine größere, geerdetere Stimme, der zwar auch Höhentöne gelingen, die dafür aber manchmal (und zum Ende hin immer häufiger, also auch bei ihrer großen Arie „Ah, non credea mirarti“) mehr Kraft einsetzen muss. Bunoaicas Amina ist weniger ätherisch, mehr ein bodenständiges denn ein Traum-Wesen – sehr anders als ihre Vorgängerin, aber ebenfalls überzeugend. Am Pult des Staatsorchesters sorgt der junge Italiener Michele Gamba zwar nicht für so raffinierte Farben wie ehedem Gabriele Ferro, aber er leitet die exzellent einstudierte Aufführung mit klaren Zeichen, sorgt für gute rhythmische Kontur der Begleitfiguren und für eine meist genaue Koordination zwischen Orchestergraben und Bühne. Für die Wiederaufnahme ist Michael Alber zum Staatsopernchor zurückgekehrt – das Ergebnis ist sängerisch wundervoll und geht das Hand in Hand mit Wielers und Morabitos augenzwinkernder szenischer Individualisierung des Kollektivs. Bravi!