Der angeschmolzene Wetterhahn erinnert an eine Picasso-Skulptur. Foto: AFP/Philippe Lopez

Der Wiederaufbau der Kathedrale in Paris geht quälend langsam voran – doch die Anwohner rund um die Kirche haben ganz andere Probleme.

Paris - Der einst stolze Hahn sieht mitgenommen aus. Er ähnelt einer etwas bizarren Skulptur von Picasso, ziemlich gequetscht, unnatürlich verzerrt, den Schnabel zum Schrei weit aufgerissen – aber er hat überlebt. Eine kleine Ewigkeit schon hatte das kupferne Tier schon auf der Spitze des Daches von Notre-Dame gethront, stürzte bei dem verheerenden Brand im April mehr als 90 Meter in die Tiefe und wurde am Tag nach dem Inferno reichlich ramponiert aus der Asche geborgen. Nun wurde er im Rahmen des französischen Tages des offenen Denkmals in Paris im Palais Royal der staunenden Öffentlichkeit präsentiert.

Vor den Toren der kleinen Ausstellung standen die Menschen schon früh morgens Schlange. Der Hahn, der auf der Turmspitze thront, ist keine gewöhnliche Wetterfahne. Seit 1935 enthält er eine Reliquie des Heiligen Denis, eine der Heiligen Genoveva und einen Splitter der Heiligen Dornenkrone.

Der geschmolzene Wetterhahn ist wie ein Symbol des zähen Überlebenswillens geworden, einer der wenigen Lichtblicke, die den schwierigen Wiederaufbau der Kathedrale begleiten. Quälend langsam gehen die Arbeiten voran, nichts ist mehr zu hören von den forschen Ankündigungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der noch in der Brandnacht versprochen hatte, ein aus Trümmern wiedererstandenes Gotteshaus schon in fünf Jahren wieder den Franzosen und den Besuchern aus aller Welt zu übergeben.

Die Anwohner sorgen sich um giftige Bleiablagerungen

Ein halbes Jahr nach der Katastrophe sind die Fachleute noch immer damit beschäftigt, zu retten, was zu retten ist. Auf der einen Seite müssen die Arbeiter immer wieder Teile der Mauern und Bögen abstützen, um sie vor dem Einsturz zu bewahren, auf der anderen Seite müssen die Bauleute die Schäden erst noch katalogisieren. Philippe Villeneuve, zuständig für die Arbeiten an der Kathedrale, erklärte jüngst nur noch sehr vorsichtig, dass man innerhalb von fünf Jahren wahrscheinlich das Gewölbe und das Dach wiederherstellen könne, um die Kirche in Teilen wieder dem Publikum zugänglich zu machen – mehr nicht.

Eine ganz andere Perspektive haben die Anwohner rund um die Kathedrale. Sie sorgen sich weniger um den Fortgang der Arbeiten als um die Belastung durch Giftstoffe. Bei dem Brand waren fast 500 Tonnen im Dach verbautes Blei geschmolzen und als giftige Dämpfe in die Luft gestiegen. Die unmittelbare Umgebung wurde bereits mehrfach gereinigt, doch über die tatsächliche Gefahr herrscht weiter Ungewissheit.

Ende vergangener Woche wurden die Bewohner aufgeschreckt von einem Bericht in der „New York Times“. Darin ist von vertraulichen Dokumenten die Rede, in denen berichtet werde, dass die Belastung durch Blei in manchen Stadtteilen die vorgeschriebenen Werte um das bis zu 1300-fache übersteige. Die Stadt versucht, die Gemüter zu beruhigen, doch viele Pariser haben Angst um ihre Gesundheit.

Die katholische Kirche glaubt den Spendenversprechen

Allein um die Finanzierung des Wiederaufbaus scheint sich niemand Sorgen zu machen. Rund 850 Millionen Euro wurden nach der Katastrophe von Spendern aus der ganzen Welt zugesagt. Berichten über einen angeblich nur zähen Eingang des Geldes widerspricht Patrick Chauvet, der Domdekan von Notre-Dame. Er sagte, Großspender wie die französischen Milliardärsfamilien Arnault und Pinault, die Beträge in dreistelliger Millionenhöhe zugesagt haben, würden natürlich nicht die ganze Summe auf einmal überweisen. „Sie wollen die Rechnungen sehen“, erklärte Chauve im Radio Notre-Dame das Vorgehen. Der Domdekan versicherte, dass alle Spender ihre Versprechen halten würden.