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Nach Haarfund ist sich das Land sicher: Die Wildkatzen sind heimisch geworden.

Stuttgart - Ein paar Haare nur. Mehr ist es nicht, was Naturschützer dieser Tage am westlichen Albtrauf gefunden haben. Die Haare stammen von einer Wildkatze und beweisen: Diese Tiere fühlen sich wohl im Südwesten. Doch bis sie landesweit heimisch werden, dauert es wohl noch eine Weile.

Anrauen, mit Baldrian einsprühen und aufstellen: Lockstöcke sind einfach herzustellen, umso verblüffender gestalten sich ihre Ergebnisse. Denn mit Hilfe von Lockstöcken lässt sich beweisen, ob und wie viele Wildkatzen in einer Region leben. Für sie riecht Baldrian wie ein Sexualduftstoff, deshalb reiben sie sich an den Lockstöcken, hinterlassen Haare und damit wichtiges Genmaterial.

Immer wieder gab es Meldungen über solche Funde - die meisten aus der Rheinebene und vom Kaiserstuhl. Zum ersten Mal nun haben das Landwirtschaftsministerium und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) eine Karte herausgebracht, auf der sämtliche Funde verzeichnet sind: 64 an der Zahl. Darauf zeigt sich: In der Rheinebene leben die Wildkatzen am häufigsten. Und sie vermehren sich sogar. Im Sommer vergangenen Jahres wurden in einem Waldstück bei Baden-Baden zwei junge Wildkatzen gefunden.

Wie viele der Tiere tatsächlich im Südwesten leben, kann niemand genau sagen. Nach Meinung von Experten dürften es aber deutlich mehr sein. "Offensichtlich bieten die naturnah bewirtschafteten Wälder sowie die vielfältigen Offenlandschaften eine hervorragende Lebensgrundlage", sagt Landwirtschaftsminister Rudolf Köberle (CDU).

Neu hinzugekommen als mögliches Wildkatzenrevier ist die Schwäbische Alb, um genauer zu sein die Gemeinde Ohmden im Kreis Esslingen, gelegen am westlichen Albtrauf. Dort hinterließ eine Wildkatze zuletzt ein paar Haare. "Wir suchen weiter", sagt BUND-Landesgeschäftsführer Berthold Frieß. Denn dass Wildkatzen sich in dieser Region angesiedelt haben - diese Aussage ließe sich mit ein paar Haaren nicht machen. Zwischen Januar und März wollen BUND-Mitarbeiter neue Lockstöcke aufstellen. In dieser Zeit gehen Wildkatzen auf die Balz. Für Sexualduftstoffe sind sie besonders empfänglich.

Wildkatzen galten seit 1912 als ausgestorben

Wildkatzen galten seit 1912 in Baden-Württemberg als ausgestorben. Im Januar fanden Spaziergänger ein überfahrenes Tier, das aussah wie eine Wildkatze. Ort: bei Breisach im Kaiserstuhl. Ein Gen-Test brachte die Gewissheit: Das Tier war eine Wildkatze. Seither suchen Forscher systematisch nach den Tieren.

Seit Jahren kämpft die Landesregierung gegen den Rückgang der Artenvielfalt im Südwesten. Die dauerhafte Ansiedelung von Wildkatzen wäre ein wichtiges positives Symbol in diesem Kampf. "Nur wenn Politiker, Behörden, Bürger und Umweltschutzbehörden an einem Strang ziehen, ist der Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen", sagen die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender und Köberle. Deshalb hat das Land in den vergangenen Monaten einen Generalwildwegeplan herausgebracht. Eine Karte, auf der man erkennt, wo sich Tiere am liebsten aufhalten - und wo nicht gebaut werden sollte. Denn die Siedlungs- und Verkehrsflächen im Land wuchern ungebremst. Sie wachsen jeden Tag um etwa acht Hektar, das entspricht elf Fußballfeldern. Nach Meinung namhafter Wissenschaftler kann nur eines den Flächenfraß stoppen: staatliche Begrenzung und Kontrolle von Bauland. Die Landesregierung müsse endlich Ernst machen mit der Reduzierung des Flächenverbrauchs.

Der Generalwildwegeplan wird diesen Flächenverbrauch wohl nicht eindämmen - dafür aber in geordnete Bahnen lenken. So lautet jedenfalls die Hoffnung von Landesregierung und Umweltverbänden. Der Plan "verbindet die Notwendigkeiten des Straßenbaus einerseits mit den Kernlebensräumen und bedeutsamen Korridoren für Wildtiere andererseits", sagt Landwirtschaftsminister Köberle. Rechtlich bindend ist der Plan nicht. Das heißt: Die Bauträger können sich daran halten - oder auch nicht. Doch im Landwirtschaftsministerium ist man überzeugt, "dass wir mit dem Plan in eine Marktlücke gestoßen sind", wie es Max Reger ausdrückt. Viele Regierungspräsidien wollten sich beraten lassen beim Thema Straßenbau und wie sich die Kollision mit Wildtieren verhindern lässt. Es gebe bereits 30 Anfragen. "In solchen Fällen können wir Lösungen anbieten." Eine lautet: Grünbrücken bauen. Das sind begrünte Bauwerke, auf denen die Tiere über die Straße finden. Das Land unterstützt solch ein Lösung. Mit Hilfe von 7,5 Millionen Euro sollen im kommenden Jahr Grünbrücken gebaut werden.