Ein „goldenes Band“ über die B14 – Brückenentwurf von Werner Sobek Foto: Pläne/Visualisierung Werner Sobek

Stuttgart muss lernen, in größeren Zusammenhängen zu denken, meint Lokalchef Jan Sellner. Bisher erschöpft sich die Diskussion um die Stadtenwicklung häufig im Kleinklein.

Stuttgart - An diesem Dienstag wird in Stuttgart auf Einladung von Oberbürgermeister Fritz Kuhn über das sogenannte Kulturquartier diskutiert, also auch über Ideen, wie die Stadtautobahn B14 zwischen der Oper und dem Österreichischen Platz, mindestens aber bis zum Charlottenplatz, zurückgebaut, tiefer gelegt oder sonst wie domestiziert werden kann, um der Stadt Luft und der Kultur Raum zu verschaffen.

Dabei sollte auch über eine Idee gesprochen werden, die bereits seit längerem existiert, bisher jedoch nicht den Weg an die Öffentlichkeit gefunden hat: die Idee einer Brücke über die B14 nach einem Entwurf des Stuttgarter Architekten Werner Sobek. Er stellt sich eine Überführung unweit von Oper und Musikhochschule als eine begehbare Installation vor, als ein Kunstobjekt mitten in der Stuttgarter Kulturlandschaft. Hört sich nach einer glänzenden Idee an. In jedem Fall glänzt der Name: das goldene Band. Es soll das Grau der Stadtautobahn in den Hintergrund treten lassen.

B14 – das graue Band der Antipathie

Das Stuttgarter Staatsministerium sympathisiert mit diesem Entwurf, überhaupt mit der Idee eines Brückenschlags über die B14 – ohne Fritz Kuhn in die Parade fahren oder die Planungshoheit der Stadt in Abrede stellen zu wollen, wie es versichert. Dass die Regierungszentrale dennoch aktiv wird – und in dem Zusammenhang auch ihre Sympathie für die Idee eines „Bürgerschlosses“ bekräftigt –, hat nachvollziehbare Gründe. Etliche wichtige Landes- und Kultureinrichtungen, angefangen von der Oper und dem Landtag bis zur Staatsgalerie, liegen an der B14, dem grauen Band der Antipathie.

Dazu kommt die aktuelle Baustellensituation, unter der insbesondere die Staatsgalerie massiv leidet. Eine bauliche Anbindung an die Stuttgarter Mitte könnte dem Besucherschwund entgegenwirken. Verständlich also, dass das Land in der Endlosdiskussion um die Zukunft der B14 nach einer kurzfristigen Lösung sucht und dafür offenbar auch bereit ist, sich an den Kosten zu beteiligen. Die Stadt tut gut daran, diesen Impuls nicht als Störsignal aufzunehmen, sondern als eine bedenkenswerte Wortmeldung.

Wie wollen wir in Stuttgart leben?

Davon kann es übrigens gar nicht genug geben. Nicht nur bezogen auf das B14-Problem, sondern auf die Stadt als Ganzes – unabhängig davon, wer der Absender ist. Stuttgart braucht dringend Ideen und eine Vorstellung davon, wie und wohin es sich entwickeln will. Bisher wird diese Diskussion vor allem punktuell geführt; sie endet mal am Eckensee, mal am Paketpostamt, mal am Österreichischen Platz. Bedarf besteht jedoch an einer viel größeren Erzählung – nicht im Sinne von Quantität, sondern von Qualität. Es geht um die Stadt der Zukunft. Die Überschrift dazu könnte lauten: „Wie wollen wir in Stuttgart leben?“

Bisher bewegt sich die Debatte allerdings vorwiegend in Form von Kapitelüberschriften: Stuttgart 21, Rosensteinviertel, das Kulturquartier. Solange diese Einzelbeiträge nicht zusammengedacht werden, bleibt Stuttgart Stückwerk. Daran ändert alle Bauwütigkeit nichts, die derzeit an vielen Stellen in der Stadt zu beobachten ist. Im Gegenteil. Stuttgart braucht dringend eine ordnende öffentliche Hand. Und es braucht Ideengeber, Weiterdenker, Planer, die in diesen Prozess eingebunden sind.

Die Wahrheit ist: Stuttgart hat bisher keinen Stadtplan für die Zukunft. Das ist ein trauriger Befund. Höchste Zeit, dass er entwickelt wird – mit klarer Zielsetzung und in einem offenen Dialog. Das goldene Band ist in diesem Rahmen nur ein Gedankenblitz, das Ziel der Stadt muss eine goldene Zukunft sein.

jan.sellner@stzn.de