Justizminister Guido Wolf (CDU) plädiert für ein Verbot ohne große Ausnahmen: „Auch bei 16- bis 18-Jährigen muss die Ehe in aller Regel aufgehoben werden“ Foto: dpa

Die Familiengerichte im Land lassen Ehen von Minderjährigen nur ausnahmsweise zu. Was aber ist mit Kinderehen, die im Ausland geschlossen wurden? Die Große Koalition plant ein Verbot, im Stuttgarter Jugendamt setzt man auf Gespräche.

Stuttgart - Flüchtlingsmädchen, die bereits verheiratet in Deutschland ankommen, gibt es auch in den Asyl-Unterkünften in Stuttgart. Bei einem verwaltungsinternen Fachgespräch sei ihr vor wenigen Wochen von rund einer Handvoll Fälle berichtet worden, sagt die zuständige Abteilungsleiterin im Jugendamt, Barbara Kiefl.

Familiengerichte genehmigen nur wenige Kinderehen

Die Mädchen sind aber allesamt bereits 16 Jahre oder älter gewesen. Das ist ein Alter, in dem ein Mädchen unter bestimmten Bedingungen auch schon in Deutschland heiraten kann. Allerdings handhaben das die Familiengerichte im Land relativ streng. Laut einer Übersicht des baden-württembergischen Justizministeriums wurden von Anfang 2015 bis Mitte 2016 im Südwesten insgesamt 24 Ehen mit einer Minderjährigen beantragt. Eine Genehmigung wurde allerdings nur in zehn dieser Fälle erteilt.

In Nigeria dürfen Mädchen schon mit 12 verheiratet werden

Gleichwohl hat die Zahl der Kinderehen in Deutschland und Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, und zwar durch den Flüchtlingszustrom. Die Große Koalition in Berlin sieht daher Handlungsbedarf. Union und SPD wollen Kinderehen grundsätzlich verbieten, der entsprechende Gesetzentwurf soll in den ersten Monaten des neuen Jahres vorgelegt werden. Bislang werden Ehen in Deutschland spätestens ab einem Alter von 16 Jahren akzeptiert, wenn sie nach dem Heimatrecht der Betroffenen auf legalem Weg zustande gekommen sind. Das heißt zum Beispiel: Wenn in Nigeria ein Mädchen mit 12 Jahren verheiratet wird und mit 16 nach Deutschland kommt, wird diese Ehe in der Regel nicht angefochten, denn in Nigeria dürfen Mädchen ab 12 Jahren heiraten.

Ein pauschales Verbot fände man im Stuttgarter Jugendamt nicht gut

Sollte es bei der harten Haltung der Koalition gegenüber Kinderehen bleiben, müssten die Behörden künftig in jedem solcher Fälle beim Familiengericht die Aufhebung der Ehe beantragen. „Wenn das kommt, werden wir es so machen“, sagt Barbara Kiefl vom Stuttgarter Jugendamt. Ganz wohl ist ihr dabei aber nicht.

Zwangsehen stehen unter Strafe

Wenn das Jugendamt von einem verheirateten Flüchtlingsmädchen erfährt, gehen Mitarbeiter vor Ort in die entsprechende Unterkunft. Laut Kiefl handelt es sich dabei um erfahrene Sozialpädagoginnen, die mit Hilfe eines Dolmetschers mit dem Mädchen reden. Dabei wird geprüft, ob eine Zwangsehe vorliegt, das Mädchen also gegen ihren Willen mit dem Ehemann zusammen ist. Dann würde die Ehe aufgehoben, sogar eine Strafe ist laut den Gesetzen möglich.

Unterschiedliche kulturelle Vorstellungen

Alle verheirateten Flüchtlingsmädchen haben in Stuttgart allerdings bislang beteuert, dass sie unbedingt mit ihrem Mann zusammen bleiben wollen. Zwar sei eine solche Ehe nach den hiesigen kulturellen Vorstellung fragwürdig oder zumindest nicht unbedingt nötig, meint Kiefl, aber nach den kulturellen Vorstellungen der Mädchen sei das eben oft anders. Sie plädiert daher weiterhin für Einzelfallprüfungen, um nicht zusätzliches Leid bei den Mädchen auszulösen. „Man müsste die eheliche Verbindung unter Zwang kappen, das löst ja auch einiges aus“, sagt Kiefl.

Wenige Ausnahmen soll es geben

In der CDU räumt man ein, dass das Ganze „ein schwieriges Thema sei“ und es ohne Ausnahmeregelung wohl nicht gehe. Die Ausnahmeregelung soll aber streng sein. „Auch bei 16- bis 18-Jährigen muss die Ehe in aller Regel aufgehoben werden“, sagt zum Beispiel Landesjustizminister Guido Wolf (CDU) und drängt die Koalition zur Eile: „Wir brauchen schnell klare Regeln.“

Warnung vor Parallelgesellschaft

Die Regierungsfraktionen von Union und SPD wollen im Januar weitere Gespräche führen. Eine Rechtsreferentin der Union plädiert für nur wenige Ausnahmeregeln. Wenn man Flüchtlingsmädchen von ihrem Mann trenne, komme man vielleicht eher noch an sie heran, meint sie. Andernfalls säßen solche Frauen zuhause mit ihren Kindern und würden die deutsche Sprache nicht lernen. „Das ist die klassische Parallelgesellschaft, die wir uns da heranzüchten.“