Bei Krankenhaus-Therapien gibt es deutliche Qualitätsunterschiede. Martin Emmert, Juniorprofessor für Versorgungsmanagement an der Universität Erlangen-Nürnberg, hat in einer Studie untersucht, wie verständlich Informationen zur Qualität von Krankenhäusern auf Internetportalen dargestellt werden. Foto: dpa

Bei Krankenhaus-Therapien gibt es  deutliche Qualitätsunterschiede. Martin Emmert, Juniorprofessor für Versorgungsmanagement an der Universität Erlangen-Nürnberg, hat in einer Studie untersucht, wie verständlich Informationen zur Qualität von Krankenhäusern auf Internetportalen dargestellt werden.

Herr Emmert, nehmen wir einmal an, einer Ihrer Freunde sucht ein Krankenhaus für einen operativen Eingriff. Was würden Sie ihm raten?
Ich würde ihm raten, sich umfassend zu informieren und dazu mehrere Quellen zu nutzen. Das können die Ratschläge niedergelassener Ärzte oder Erfahrungen von Verwandten sein. Außerdem gibt es im Internet inzwischen eine Vielzahl an Webseiten, auf denen man Informationen zur Qualität von Kliniken einsehen kann. Zwischen den einzelnen Krankenhäusern in Deutschland bestehen nämlich zum Teil erhebliche Qualitätsunterschiede bei bestimmten Behandlungen. Leider ist das der Bevölkerung häufig so nicht ganz bewusst. Wichtig ist aber auch, sich mit seiner Krankheit vertraut zu machen. Sonst kann man vieles von dem, was ein Arzt vermittelt, nicht einschätzen und auch keine Rückfragen stellen.
Können Sie eine Behandlung nennen, bei der man sehr große Qualitätsunterschiede ermittelt hat?
Ein Beispiel ist die Knie-TEP, also das Einsetzen eines künstlichen Kniegelenks. Dazu hat das wissenschaftliche Institut der Krankenkasse AOK in Krankenhäusern, in denen mindestens zehn AOK-Patienten behandelt worden waren, den Komplikationsindex ausgewertet. Man sieht dort gravierende Unterschiede. Während die einen Krankenhäuser eine Komplikationsrate von zwei bis drei Prozent haben, wurde für andere eine Komplikationsrate von über 30 Prozent festgestellt.
Wie sehr können sich Patienten auf die Empfehlung des überweisenden Arztes verlassen?
Niedergelassene Ärzte können sich zum Teil auf jahrelange Erfahrungen berufen, vor allem in ihrer Region. Wenn es aber um überregionale, spezialisierte Zentren geht, haben sie oft nicht den vollen Überblick. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass sich niedergelassene Ärzte nur unzureichend mit Ergebnissen der gesetzlichen Qualitätsmessung auseinandersetzen und demnach keinen umfassenden und objektiven Überblick über die Qualität deutscher Krankenhäuser haben können. Daher bleibt einem Patienten, der auf der Suche nach einem Krankenhaus mit Spitzenergebnissen ist und räumlich flexibel ist, die eigene Recherche nicht erspart.
Es gilt als Qualitätsindikator, wenn ein bestimmter Eingriff in einem Krankenhaus besonders häufig vorgenommen wird. Sind hohe Fallzahlen also ein Kriterium?
Das kann so sein, muss es aber nicht unbedingt. Krankenhäuser, die eine sehr niedrige Fallzahl haben, schneiden in der Tat oft schlechter ab. Dies ist auch nicht verwunderlich, bedenkt man die Komplexität vieler Eingriffe, für die hochspezialisierte Geräte notwendig sind. Daher würde ich als Patient zumindest kein Krankenhaus mit einer geringen Fallzahl wählen. Ab einer bestimmten Fallzahl mag sich das möglicherweise wieder umkehren. Einzelne Operateure haben nur begrenzte Kapazitäten. Wenn ein erfahrener Arzt sozusagen überbucht ist, kann es sein, dass man von einem anderen, unerfahrenen behandelt wird.
Geht der reine Vergleich von Fallzahlen nicht zu Lasten kleiner Häuser? Vielleicht wird man im Kreiskrankenhaus von Hintertupfingen individueller und menschlicher behandelt als in der riesigen Universitätsklinik.
Jeder Patient muss selber wissen, was ihm wichtig ist. Legt man Wert auf eine individuelle und menschliche Behandlung mit einer schönen Aussicht ins Grüne und weniger auf die medizinische Versorgungsqualität, dann ist das vollkommen in Ordnung. Da muss jeder für sich entscheiden.
Inzwischen gibt es zur Krankenhaussuche eine ganze Reihe von Internetportalen. Was bringen diese?
In der Tat gibt es inzwischen über hundert solcher Portale, die in ihrer Handhabung aber sehr unterschiedlich sind. Sie variieren auch stark darin, wie verständlich die Informationen aufbereitet werden. Deshalb sollte man die Portale ausprobieren. Empfehlenswert sind Portale, auf denen die Ergebnisse der gesetzlichen Qualitätsmessung oder weiterer Qualitätsinitiativen dargestellt werden. Einige davon erlauben eine bundesweite Recherche wie zum Beispiel der AOK-Krankenhausnavigator, Qualitätskliniken.de, der TK-Klinikführer oder auch das Barmer GEK Krankenhausnavi. Darüber hinaus gibt es aber auch regional fokussierte Webseiten, die sehr aktiv sind, etwa die Krankenhausspiegel Hannover, Thüringen, Bremen, Hamburg oder auch der Klinikführer Rheinland.
Können bestimmte Angaben aus den Qualitätsberichten auch Nutzern einen falschen Eindruck vermitteln? Eine hohe Sterblichkeitsrate schreckt etwa ab, dabei liegt sie vielleicht nur daran, dass das Krankenhaus besonders viele Ältere behandelt.
Das ist in der Tat ein sehr spannendes Thema. Man kann hier aber Entwarnung geben. Viele Informationen werden inzwischen risikoadjustiert veröffentlicht. Das heißt, dass Patientencharakteristika und Schweregrade der Erkrankungen mittels statistischer Verfahren herausgerechnet werden.
Einige Menschen, vor allem Senioren, können mit dem Internet nicht so viel anfangen. Wie können sie sich alternativ informieren?
Manche Websites bieten telefonisch Unterstützung an. Auch die Unabhängige Patientenberatung Deutschland und andere Organisationen können hier weiterhelfen. Ansonsten sollte man Familienmitglieder um Unterstützung bitten oder auch bei der Krankenkasse anfragen. Dort ist man im Umgang mit den Portalen inzwischen sehr vertraut. Es muss aber noch viel gemacht werden, um die Infos seniorengerecht darzustellen.

Zur Person:

Martin Emmert hat Betriebswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg studiert. 2008 Promotion zum Dr. rer. pol..

Seit seinem Studienabschluss arbeitet Emmert am Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem im Bereich von Arztbewertungsportalen im Internet. (StN)