Ausgerechnet Wüstenstaaten wie Dubai leiden unter Sandmangel. Foto: dpa

Man sollte es nicht meinen: Sand ist Mangelware.
Ausgerechnet Wüstenstaaten importieren den Rohstoff für Beton aus Australien. Ein Münchner Start-up will Abhilfe schaffen.

München - Wie Sand am Meer gibt es in Überflussgesellschaften so einiges. Sand zählt paradoxerweise nicht dazu. Das gilt jedenfalls für jene Sande, die zur Herstellung von Beton taugen, dem weltweit meistgenutzten Baustoff. „Sand ist knapp, obwohl es Feinsand wie in der Wüste in rauen Mengen gibt“, sagt Helmut Rosenlöcher. Bislang habe es aber keine Technologie gegeben, mit der man Feinsande für Beton verwenden könne, erklärt der technische Direktor des Start-ups Multicon aus München. Das hat der Chemiker aus Weißenfels in Sachsen-Anhalt geändert.

Seit Juni 2018 hält er ein Schutzrecht des Deutschen Patentamts in Händen, das dem Multicon-Miteigner als bahnbrechende Innovation die Herstellung von Beton mittels Feinsand attestiert. Ende 2018 habe man die Innovation auf einer Baumesse in Dubai bekannt gemacht. „Seitdem können wir uns nicht retten vor Nachfrage“, sagt der 72-jährige Erfinder. Sie komme vor allem aus den reichen Ölstaaten am Persischen Golf mit ihren viele Milliarden Euro teueren Megabauvorhaben. „Aber denen ist der Sand ausgegangen“, stellt Rosenlöcher klar. Tatsache ist, dass beispielsweise Dubai schon schiffsladungsweise Bausand aus Australien importieren musste, um die eigene Bauwut befriedigen zu können.

Die Innovation macht 20 Prozent der Sandvorkommen nutzbar

Weil mit Multicon-Technologie jetzt auch Wüsten- und anderer Feinsand betontauglich ist, steht das erst 2016 gegründete Start-up nun schon mit einer chinesischen Investmentfirma in Verhandlungen, die in Saudi-Arabien jährlich 7000 Häuser baut. Auch aus Ägypten gebe es Interesse, aus Saudi-Arabien sogar eine Einladung des dortigen Königshauses, erzählt Rosenlöcher und wittert Geschäfte in bis zu dreistelliger Millionenhöhe. Neben dem Patentamt in München bestätigt auch das Institut für angewandte Bauforschung (IAB) in Weimar die Bedeutung der Innovation. Damit könne in der Tat erstmals in großem Stil Wüstensand zur Betonherstellung verwendet werden, sagt die IAB-Chefin für Baustoffforschung Barbara Leydolph. Bislang waren nur schätzungsweise fünf Prozent aller weltweiten Sandvorkommen dafür tauglich. Seine Erfindung weite das auf mindestens ein Fünftel aller Sande aus, verspricht Rosenlöcher. Engpässe beim Bauen könnten so beseitigt werden.

Der Sandbedarf beim Bauen ist enorm. Für ein Standardhaus sind etwa 200 Tonnen Bausand nötig, für ein Krankenhaus rund 3000 Tonnen. In einem Kilometer Autobahn stecken etwa 30 000 Tonnen. Das macht Sand nach Wasser zum wichtigsten Rohstoff unserer Erde. Nicht nur arabische Länder könnten von der Erfindung made in Germany profitieren. Denn auch in Deutschland wird Bausand knapp. Das liegt weniger an mangelnden Vorkommen als vielmehr an Abbauproblemen, wie die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) voriges Jahr gewarnt hat. Denn viele Flächen, unter denen hierzulande betontauglicher Sand ruht, seien überbaut, oder sie liegen in Schutzgebieten und sind damit tabu. Immer mehr Landwirte, die über entsprechende Flächen verfügen, verkaufen ihn zudem nicht mehr zur Sandgewinnung, weil andere Nutzung profitabler ist. Auch diese Not könnten Feinsande beseitigen, die es vor allem in nördlichen Teilen Deutschlands wie Mecklenburg-Vorpommern gibt, betont Rosenlöcher. Feinsandähnlich und für sein patentiertes Verfahren nutzbar seien Bauabfälle.

Beinahe wäre die Idee versandet

Denn beim Betonrecycling würden Feinanteile anfallen, die bislang nur Umweltprobleme verursacht hätten, nun aber zu Beton verarbeitet werden könnten. „Wir haben ein Pfund in der Hand“, sagt der Erfinder über seine vielversprechende Innovation. Dabei hatte es zeitweise so ausgesehen, als würde sie schlichtweg versanden. Seit 2004 ist der Chemiker und ehemaliger Leiter eines Betonwerks einem Verfahren zur Verwendung von Feinsand für Beton auf der Spur gewesen. Fünf Millionen Euro hat er auch über Kredite in seine Idee investiert und stand kurz vor der Pleite, als ein Münchner Investor zur Seite gesprungen ist. 2016 wurde Multicon gegründet, das heute einer Gruppe von Einzelpersonen gehört – einschließlich Rosenlöcher. Mittlerweile könnte man zwar leicht alles an einen Baukonzern verkaufen, man sei aber übereingekommen, die Sache erst zum Laufen zu bringen. Drei Jahre will Rosenlöcher noch durchhalten. Dann sei er 75 Jahre alt und wolle auf ein Lebenswerk zurückblicken.