Mieter protestieren vor dem Hochhaus Friedhofstraße 11 gegen ihren Vermieter Vonovia und dessen Preispolitik. Foto: Lichtgut-Oliver Willikonsky

Der Konflikt um satte Mieterhöhungen bei Deutschlands größtem Immobilienunternehmen Vonovia spitzt sich zu. Der Stadt Stuttgart liegt jetzt eine Anzeige vor. Bestätigen sich die Vorwürfe, könnte es teuer werden.

Stuttgart - Die Aufforderung ist deutlich. „Wir zeigen hiermit an, dass die Vonovia bei Wiedervermietungen in Stuttgart nicht nur gegen die Mietpreisbremse, sondern auch gegen Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes verstößt. Wir verlangen von der Stadt Stuttgart, dass sie diese Ordnungswidrigkeit verfolgt.“ Diese Zeilen finden sich in einer Anzeige gegen Deutschlands größtes Immobilienunternehmen. Sie stammt von einer Mieterinitiative und ist jetzt an mehrere Ämter sowie an Oberbürgermeister Fritz Kuhn gegangen.

Vonovia besitzt bundesweit 390 000 Wohnungen, gut 4600 davon befinden sich in der Landeshauptstadt. Viele Mieter begehren derzeit gegen den Wohnungsriesen auf, weil nach umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen die bisher günstigen Mieten stark steigen sollen. Bezahlbarer Wohnraum wird so immer knapper. Die Mieterinitiative kritisiert jetzt aber, dass Vonovia generell in zahlreichen Fällen viel zu hohe Mieten verlange. So hoch, dass das Wirtschaftsstrafgesetz ins Spiel kommt. Das nennt den Tatbestand der Mietpreisüberhöhung. Der tritt ein, wenn „unter Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen“ die üblichen Entgelte um mehr als 20 Prozent überschritten werden. Das wäre eine Ordnungswidrigkeit, für die Bußgelder bis zu 50 000 Euro verhängt werden können.

In der Anzeige wird ein Dutzend aktuelle Beispiele aufgeführt, die diesen Tatbestand angeblich erfüllen. So ist zum Beispiel die Rede von einer 85-Quadratmeter-Wohnung im Hochhaus Friedhofstraße 11 im Nordbahnhofviertel. Dort liege die Kaltmiete seit kurzem bei 1032 Euro – nach Berechnungen der Anzeigeerstatter 35 Prozent zu hoch. In einer Wohnung in der Mönchstraße kommt die Initiative auf 40 Prozent zu viel. Und besonders fassungslos ist man über eine möblierte Zwei-Zimmer-Wohnung, 55 Quadratmeter groß, Baujahr 1956. Sie kostet seit Frühjahr 1102 Euro Kaltmiete. Die Angebote grenzten zum Teil an Mietwucher, klagen die Anzeigeerstatter.

Bei Mietwucher ermittelt der Staatsanwalt

Bei der Stadt bestätigt man den Eingang der Anzeige. „Sie wird nun vom Amt für Liegenschaften und Wohnen geprüft“, sagt Sprecher Martin Thronberens. Das bedeute, dass man sich die einzelnen Mieten genau anschauen und in Relation zur ortsüblichen Vergleichsmiete setzen müsse. In jedem Fall müsse man das Einverständnis des Mieters einholen und das Gespräch mit dem Vermieter suchen.

Interessant sind allerdings die möglichen Folgen. Kommt die Stadt zum Urteil, dass Vonovia tatsächlich zu hohe Mieten verlangt, gibt es zwei mögliche Szenarien. Überschreitet die Miete den zulässigen Wert um 20 bis 50 Prozent, kann die Stadt wie beschrieben ein Bußgeld laut Wirtschaftsstrafgesetz verlangen. Doch das ist nicht das Ende der Fahnenstange. „Sollte sich eine Mietpreisüberhöhung von mehr als 50 Prozent ergeben, würde das Verfahren an die Staatsanwaltschaft übergeben. Es würde sich dann um Mietwucher handeln“, sagt Thronberens. In diesem Fall würden offiziell Ermittlungen gegen den Vermieter eingeleitet – was bisher aber äußerst selten vorkommt.

Vonovia weist Vorwürfe zurück

In der Bochumer Vonovia-Zentrale äußert man sich zurückhaltend zu den Vorwürfen aus Stuttgart. „Sobald uns die Anzeige vorliegt und wir die Prüfungen vorgenommen haben, werden wir uns gerne im Detail dazu äußern“, sagt eine Sprecherin. Generell sei es aber „selbstverständlich, dass wir uns als börsennotiertes Unternehmen mit hohen Verpflichtungen an Transparenz an geltende Gesetze und an die Mietpreisbremse halten“. Das gelte natürlich auch für die Stuttgarter Wohnungen.

Verhältnismäßig hohe Mieten können laut der Sprecherin aber dennoch zustande kommen – und trotzdem rechtens sein. „Steht eine Wohnung nach Auszug eines Mieters leer, modernisieren wir sie. Zum Teil auch altersgerecht, um dem demografischen Wandel und der Suche nach zeitgemäßem Wohnraum zu begegnen. Dieser Modernisierungsanteil darf auf die ortsübliche Vergleichsmiete draufgerechnet werden“, sagt sie. Zudem führten die neuen Ausstattungsmerkmale dazu, dass die Wohnung im Mietspiegel in eine bessere Kategorie eingruppiert werden könne als zuvor. Womit das Thema wieder am Ausgangspunkt angekommen ist, den umstrittenen Modernisierungen. Alles andere muss jetzt die Stadt entscheiden. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.widerstand-gegen-vonovia-in-stuttgart-mieter-zeigen-immobilienriesen-an.4730dc65-a31c-4310-a889-7d5dd72a382d.html