OB: Fehlende Wickeltische im Männer-WC sind „kein gravierendes Problem“ Foto: Lg/Piechowski

Die Absage von OB Fritz Kuhn, in öffentlichen Herrentoiletten in Stuttgart Wickeltische nach New Yorker Vorbild zu installieren, verärgert die SPD. Sie stellt das Geschlechterrollenverständis des Rathauschefs infrage.

Stuttgart - Es ist vielleicht nicht das bestimmende Thema im Kommunalwahlkampf, dennoch ist es der SPD eine Herzensangelegenheit: Wickeltische in öffentlichen Gebäuden auch in Herrentoiletten zu installieren. Die Idee geht auf Barack Obama zurück, der bereits 2016 verfügte, dass in den USA das Wickeln von Kindern nicht mehr nur Frauensache sein sollte. New York war die erste Stadt, die ein entsprechendes Gesetz auf den Weg brachte. Auch in Schweden wird das gerade umgesetzt. Jetzt hat OB Fritz Kuhn (Grüne) einen entsprechenden Antrag der SPD abblitzen lassen – und die ist stinksauer.

„In der Praxis sind der Verwaltung aktuell keine gravierenden Probleme in der Frage von Wickeltischen bekannt“, heißt es in der Antwort des Oberbürgermeisters. Im Allgemeinen würden Herren in „Wickelmission“ auch auf der Damentoilette toleriert. Eine „flächendeckende Bestandsaufnahme“, wo zusätzlich Wickeltische auf Herrentoiletten angebracht werden könnten, sei darum aus Kapazitätsgründen nicht zu leisten.

Perc: Kuhn agiert wie ein CDU-OB

Die SPD bewertet die Lage komplett anders. Demnach hätten viele Väter häufig damit zu kämpfen, keine Gelegenheit zu haben, ihre Kinder zu wickeln, wenn sie gemeinsam mit ihnen unterwegs sind. Medienberichte erzählen von Vätern, die zumindest in den USA auf Instagram mit Wickel-Fotos protestieren.

Außerdem sei laut SPD die Vorstellung nicht mehr zeitgemäß, dass vor allem Mütter die Kinder hüten würden, wenn Väter anderen Tätigkeiten nachgehen. Der Stuttgarter SPD-Chef Dejan Perc: „Die Antwort ist fast erschreckend. Wenn es ein CDU-OB unterschrieben hätte, hätte ich es vielleicht noch verstanden. Aber ein grüner OB?“ Zumal sich Anna Deparnay-Grunenberg, die Fraktionschefin der Grünen im Stuttgarter Gemeinderat, für die Idee ausgesprochen hatte.

70 öffentliche Toiletten in Stuttgart

„Das sagt irgendwie auch was über Kuhns Rollenverständnis von Frauen und Männern“, sagt Perc. Selbst Warenhäuser und Restaurants gingen teilweise dazu über, die Wickeltische nicht mehr nur in Damentoiletten anzubieten. „Wenn wir wollen, dass sich Männer und Frauen die Kindererziehung teilen, dann müssen wir auch mit baulichen Maßnahmen dafür sorgen, dass die klassische Zuordnung geändert oder zumindest ergänzt wird“, sagt Perc.

Die Stadtverwaltung zählt rund 70 öffentliche Toiletten in Stuttgart, die sich in 27 Säulen- und Automatikanlagen und 44 konventionell betriebene Toiletten aufteilen. Immerhin: In seiner Antwort hat Kuhn versichert, bei städtischen Neubauvorhaben ein Auge auf separate Wickelräume zu haben – die für alle Geschlechter zugänglich sind.