80 Kilometer lang ist die Wasserstraße, die Pazifik und Atlantik miteinander verbinden. Foto: EFE

Am Sonntag wird die zweitwichtigste Wasserstraße der Welt nach einer umfangreichen Erweiterung mit viele Prominenz eröffnet. Die vielfältigen Probleme des Projekts treten dann in den Hintergrund.

Mexiko-Stadt - Wenn am Sonntag das erste Schiff den erweiterten und runderneuerten Panamakanal passiert, wird zwei Männern ein Stein vom Herzen fallen: dem Präsidenten der kleinen mittelamerikanischen Republik, Juan Carlos Varela, und dem Chef der Kanalbehörde ACP, Jorge Quijano. Dem Staatschef kommt es sehr gelegen, dass sein Land endlich wieder im Zusammenhang mit etwas anderem als den Schwarzgeldkonten der Panama Papers in Verbindung gebracht wird. Und der Chef der Kanalbehörde macht drei Kreuze, dass Renovierung und Ausbau der zweitwichtigsten Wasserstraße der Welt zu einem guten Ende gekommen sind. Danach sah es zwischendurch nicht aus, als die Bauarbeiten Anfang 2014 wegen Streitigkeiten über die Kosten zwischen dem Baukonsortium GUPC und der Kanalbehörde gestoppt wurden.

Eigentlich sollte die vor neun Jahren begonnene Erweiterung bereits 2014 fertig werden, pünktlich zum Hundert-Jahr-Jubiläum des Kanals. Aber der Streit um Geld und die bei Megaprojekten üblichen Verzögerungen machten das unmöglich. Inzwischen sind die Baukosten auf fast 5,6 Milliarden explodiert, doppelt so viel wie zunächst veranschlagt. Das Baukonsortium GUPC unter der Führung des spanischen Baukonzerns SACYR streitet sich derzeit mit Panama vor einem Schiedsgericht in Miami darum, wer die Mehrkosten zu tragen hat.

Start ist am Sonntag um 7 Uhr

Aber all das steht derzeit nicht im Mittelpunkt. Was zählt, ist, dass am Sonntagmorgen gegen 7 Uhr der 300 Meter lange chinesische Containerriese Andronikos mit seinen rund 9500 Containern vor Dutzenden geladenen Staatschefs als erstes durch den neuen Kanal manövriert. Das aus Griechenland kommende Schiff hatte vor Monaten eine feierliche Auslosung gewonnen und wurde nun zu Ehren der erweiterten Wasserstraße auf „Panama“ umgetauft. Ihm folgen 120 Frachter der Postpanamax- oder Neopanamax-Klasse, die seit Wochen ihren Platz für die rund 80 Kilometer lange Passage reserviert haben.

Durch die Erweiterung verdoppelt sich die Transportkapazität des Kanals, denn nun können Frachter mit bis zu 14 000 Containern durch die Wasserstraße fahren, während es vorher nur die Panamax-Frachter schafften, die einst genau für die mittelamerikanische Wasserstraße entworfen wurden. Sie bieten Platz für 5000 Container. Der Ausbau war notwendig, um den Kanal konkurrenzfähig zu halten, denn die Seeschifffahrt hat sich verändert. Die Reeder haben sich aus Kostengründen für größere Schiffe entschieden, die mehr Fracht transportieren können.

Panama strebt höheres Frachtaufkommen an

ACP-Chef Quijano hofft, dass der Kanal nach der Erweiterung Marktanteile zurückgewinnt, die er in der vergangenen Jahren zum einen an den Suezkanal, die größte Frachtwasserstraße der Welt, verloren hat. Aber Panama will auch Frachtaufkommen zurück, das an die Häfen der US-Westküste – vor allem an Los Angeles und Long Beach – verloren ging, von wo die Container kompliziert und teuer mit dem Zug in den mittleren Westen und an die Ostküste transportiert werden müssen.

Derzeit werden über den Kanal fünf Prozent des weltweiten Seehandels abgewickelt. Große Bedeutung hat die Wasserstraße für den Warenaustausch zwischen Asien und der US-Ostküste. Bis zu 150 000 Dollar müssen Schiffe für die rund 24 Stunden dauernde Passage zahlen. Die Kanalgebühren summieren sich auf gut eine Milliarde Dollar im Jahr, was rund 40 Prozent der Staatseinnahmen entspricht. Durch die Erweiterung hofft die Kanalbehörde auf die Verdreifachung der Einnahmen in den kommenden zehn Jahren. 12 300 Frachter passierten vergangenes Jahr den Kanal, der in dem kleinen Land 13 100 direkte Arbeitsplätze schafft.

Durch den Kanals ist das Land zu einem Dienstleistungszentrum geworden. Handel, Banken und Transport tragen 80 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Exporte wie Kaffee und Bananen, mit denen die Nachbarstaaten ihre Wirtschaft am Laufen halten, spielen in Panama eine geringe Rolle. Im Süden das friedlose Kolumbien und im Norden die unruhigen Staaten Zentralamerikas ist Panama eine Oase der Sicherheit: kein Drogenkrieg, keine Paramilitärs oder Guerillas. Das Land ist das modernste und stabilste in der Region. Zwar gibt es auch hier ein dramatisches Armutsgefälle, aber soziale Spannungen sind die große Ausnahme. Ohne den Kanal wäre Panama noch eine Provinz Kolumbiens. Anfang des 20. Jahrhunderts sorgten die USA für die Abspaltung Panamas vom südlichen Nachbarn, um die Passage nach ihren Vorstellungen bauen zu können.