Hans-Peter Sieg beschäftigt sich damit, wie Hochwasser und Starkregen gemanaged werden können. Hier steht er am Hochwasserrückhaltebecken bei Winterbach. Foto: Gottfried Stoppel

Hochwasser ist eine Gefahr im Tal der Rems, immer häufiger auftretender Starkregen auch. Dank eines Pegelmessnetzes sollen Kommunen die Lage besser einschätzen und schnell handeln können.

Hochwasserereignisse sind im Remstal nicht Neues, es hat sie schon immer gegeben. Hans-Peter Sieg, der technische Geschäftsführer des Wasserverbands Rems, zeigt Fotos. Ein Schwarz-Weiß-Bild des Marktplatzes in Winterbach aus dem Jahr 1956 zum Beispiel. Das Remswasser steht dem Dorfbrunnen bis kurz unter den Beckenrand, von den Erdgeschossen der Häuser ringsum ist nur noch der obere Teil zu sehen. Im Februar 1990 hat Hochwasser im Remstal Schäden von rund 20 Millionen Mark verursacht – das im März 2002 verfehlte mit einem Pegelstand von 5,12 Metern bei Schorndorf nur knapp die Marke zum Jahrhunderthochwasser.

Starkregen tritt immer häufiger auf

Ein weiteres Wetterereignis, das mit viel Wasser einhergeht und hohe Schäden verursachen kann, ist Starkregen. Auch dieser ist kein neues Phänomen, aber eines, das in jüngerer Zeit verstärkt auftritt. Ein Grund dafür ist vermutlich der Klimawandel. „Die wärmere Luft nimmt mehr Wasser auf, und der Starkregen wandert oft nicht mehr, sondern bleibt stehen“, sagt Hans-Peter Sieg. Auf bis zu 50, 100 oder sogar 200 Kilometer Länge könne sich so ein Starkregengebiet auswachsen und insbesondere dann gefährlich werden, wenn es schon in den Tagen zuvor kräftig geregnet hat, der nasse Boden also keine weitere Feuchtigkeit mehr aufnehmen kann. So kann es sein, dass sich auf Straßen plötzlich reißende Flüsse bilden.

Das Schadenspotenzial bei Starkregen sei durchaus vergleichbar mit dem von Hochwasserereignissen, erklärt Hans-Peter Sieg. Was tun? Damit letztere möglichst glimpflich ablaufen, hat der Wasserverband Rems vor Jahren mit dem Bau von Hochwasserrückhaltebecken entlang der Rems begonnen. Neun sollten es werden, vier Becken sind inzwischen umgesetzt worden. Sie böten ein Speichervolumen von 3,5 Millionen Kubikmetern, sagt Sieg: „Für ein 100-jähriges Hochwasser bräuchten wir aber ein Volumen von 5,5 Kubikmetern, das heißt, uns fehlt noch was.“ Abhilfe sollte nach den ursprünglichen Plänen ein großes Becken zwischen Urbach und Schorndorf im Schutzgebiet Morgensand bringen, das Projekt sei aber auf Eis gelegt, sagt Hans-Peter Sieg. „Auf der Basis der bislang vorliegenden Daten darf das Hochwasserrückhaltebecken nicht gebaut werden. Es muss bis zum Vorliegen der neuen Hochwassergefahrenkarten zurückgestellt werden“, schreibt der Wasserverband Rems auf seiner Internetseite. Ein Gutachten eines Fachbüros hatte dem Becken im Sommer 2020 eine eher geringe Schutzwirkung bescheinigt.

Regenschreiber verschafft wertvollen Zeitvorsprung

Bis die neuen Gefahrenkarten vorliegen, gehen wohl noch zwei Jahre ins Land, schätzt Hans-Peter Sieg. An Arbeit fehlt es trotzdem nicht, denn für die Zukunft braucht es nicht nur Hochwasser-, sondern auch Starkregenkarten für die Remsanlieger. Sie geben Aufschluss darüber, wie und wohin das Regenwasser abfließt, wo es stehen bleibt und welche Bereiche gefährdet sind.

Ein Pegelmessnetz und ein virtueller Regenschreiber, der Prognosen gibt, sollen helfen, dass die Verantwortlichen vor Ort die Lage besser einschätzen und die nötigen Maßnahmen rasch einleiten können. „Jede Kommune sollte eigene Remspegel haben“, findet Sieg. Diese messen mit Ultraschallsensoren den Wasserstand, eine Webcam vermittelt Eindrücke von der Lage vor Ort und zeigt ergänzend, wo eingegriffen werden muss, weil beispielsweise eine Tiefgarage vollzulaufen droht. „Ein Pegel kostet nicht die Welt – etwa 1500 Euro in der Anschaffung – ist aber eine Hilfe, denn dadurch gewinnt man etwa 15 bis 20 Minuten Zeit.“ Einen weiteren Vorsprung von bis zu einer dreiviertel Stunde bringe der virtuelle Regenschreiber.

Kommunen sollen Daten in Warnsystem einspeisen

Im Auftrag des Landratsamtes untersucht ein Ingenieurbüro, wo im Rems-Murr-Kreis Pegelstandorte Sinn haben. „Bis das Konzept fertig ist, dauert es noch ein bis zwei Jahre“, ist Hans-Peter Siegs Einschätzung. Bereits jetzt gebe es aber auf der Strecke von Lorch bis Weinstadt 25 Pegel.

Hilfreich für eine Einschätzung der Lage ist auch das Flut- und Informationswarnsystem. Auf der Plattform des Regierungspräsidiums Stuttgart können und sollten irgendwann möglichst viele Kommunen ihre Daten einspeisen, sodass sich jeder einen Überblick über die Lage verschaffen kann. Das System könne auch einen Alarm abwickeln und über die einzelnen Schritte, die zu tun sind, informieren. „Alle Gemeinden sollten in Zukunft damit arbeiten, mit einem einheitlichen System“, ist Hans-Peter Siegs Wunsch. Er hofft, dass das klappt: „Es braucht Leute, die sich einarbeiten, den Gemeinden fehlt das Fachpersonal dafür.“

Wassermanagement – eine herausfordernde Aufgabe

Verband
 Dem Wasserverband Rems gehören die direkt an der Rems anliegenden Kommunen an – mit Ausnahme von Böbingen im Ostalbkreis. Zudem beteiligt sind der Rems-Murr-Kreis, der Ostalbkreis und der Kreis Ludwigsburg sowie das Regierungspräsidium Stuttgart. Ziel des 1998 gegründeten Verbands ist der Bau von Hochwasserschutzeinrichtungen. Den Anstoß zur Gründung des Verbands, dessen Einzugsgebiet rund 580 Quadratkilometer umfasst, gab ein Hochwasser im Jahr 1990, das einen Schaden von rund 20 Millionen Mark verursachte.

Hochwasser
Von Hochwasser spricht man, wenn Flüsse oder Bäche viel mehr Wasser als sonst führen und deshalb auch teils über ihre Ufer treten.

Starkregen
Unabhängig von Gewässern kann Starkregen überall auftreten. Der Deutsche Wetterdienst definiert Niederschläge dann als Starkregen, wenn in einer Stunde mehr als zehn Millimeter, in sechs Stunden mehr als 20 Millimeter Regen fallen. Wie Hochwasser kann Starkregen große Schäden verursachen, anders als dieses aber sehr überraschend auftreten.