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Hundehaare-Wette, ein kluges Kind und ein unfreiwillig komischer Karl Lagerfeld. So viel hat sich bei der Samstagabend-Sendung „Wetten, dass . . .?“ dann doch nicht geändert.

Düsseldorf - „Ging es sehr lange?“, fragt Markus Lanz schelmisch zum Schluss. Natürlich ging es das. Zu lange. Über drei Stunden. Dann gibt es Blumen für die Damen, Küsschen für Sylvie van der Vaart. Lanz scheint erleichtert. Die Reifeprüfung ist vorbei. Bei der 200. Sendung von „Wetten, dass . . .?“ gab es am Samstagabend einen neuen, aufgeregten Moderator – und ein paar Änderungen, die kaum ins Gewicht fallen.

Das Publikum im Düsseldorfer ISS Dome ist euphorisch. Der Applaus will kaum enden, als Lanz nervös lächelnd die Bühne betritt. Doch es geht hier am Samstagabend nicht nur um den neuen Moderator. Es geht um die Marke „Wetten, dass . . .?“, das „Lagerfeuer der Nation“, um das man sich nach Vesper und Badewanne versammelte. Es geht um die letzte generationenübergreifende Familienshow. Campino von den Toten Hosen ist Pate der Stadtwette, bei der 500 Mutige das Fortuna-Düsseldorf-Wappen nackig nachstellen. Neben ihm auf der Couch Sylvie und Rafael van der Vaart, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Modedesigner Karl Lagerfeld, Opernsänger Rolando Villazón und Comedian Bülent Ceylan. Lanz springt immer wieder zwischen den Gästen hin und her. Fragt hier mal nach dem Alter (Campino), dem Geld (Lagerfeld), den Nasenhaaren (Villazón). Die schillernde Cindy aus Marzahn – von Lagerfeld „strammer Brummer“ genannt – gibt die Co-Moderatorin.

Ach, ist das alles nett hier

Die Kulisse wurde entrümpelt – aber nicht runderneuert. Es gibt jetzt eine fahrbare Couch, es gibt mehr Wetten (sechs statt fünf) und eine Showtreppe, die hinter einer Schiebetüre auftaucht und von der Gäste und Kandidaten herabschreiten. Manche sogar Händchen haltend. So soll wohl die Verbindung zwischen Paten und Kandidat gezeigt werden. Bei Wotan Wilke Möhring und der Hundehaar-Ertasterin Monika Thaler scheint es zu funktionieren, während Karl Lagerfeld zum klugen Kind Julian Distanz pflegt. Die Gäste können pro richtigen Tipp 1000 Euro für ihren Kandidaten erspielen. Auch so eine Neuerung, die zeigt: Ach, ist das alles nett hier. Wir stehen das gemeinsam durch. Auch wenn das Durchhaltevermögen erfordert. Von den Gästen, den Zuschauern – und von Lanz, auf dessen schmalen Schultern sichtbar viel Druck lastet.

Die neue „Lanz-Challenge“, bei der der Moderator gegen einen Zuschauer antritt, erinnert natürlich an „Schlag den Raab“. Die Nummer, mit einem Bierkasten auf dem Rücken Liegestütze zu machen, sagt aber viel über Lanz’ Gesamtstil aus. Er ist wahnsinnig gut trainiert. Und er schafft doch mehr, als man ihm zugetraut hätte. Er ist solide. Souverän. Aber nicht sensationell. Er macht den Job ordentlich, aber nicht überragend. Er ist nicht witzig, was man gleich zu Beginn merkt, als er die Pelzdichte von Grönland mit der von Düsseldorf vergleicht und erklärt, ein Moderator mit „Migränehintergrund“ zu sein. Für Überraschungen sorgen viel mehr ein paar Prominente: Lagerfeld etwa, dem die Idee mit den Wetten auch nach vielen Besuchen in der Sendung suspekt zu sein scheint und dem es wirklich ganz egal ist, was die TV-Nation über ihn denkt. Oder Schauspieler Wotan Wilke Möhring, der die Hundehaar-Wette mit Charme und Witz dann doch noch interessant macht.

Lanz ist der Typ Traumschwiegersohn mit Dackelblick

Lanz aber ist langweilig. Und nervös. Er ist der Typ Traumschwiegersohn mit Dackelblick: Die einen finden ihn öde, die anderen total nett. Und vielleicht ist es genau das, was die alte Tante ZDF-Samstagabendshow braucht. Einen braven Streber, den viele irgendwie okay finden. Den kleinsten gemeinsamen Nenner im Moderatorenpool. Einen Mann, der niemandem wehtut, keinem Gast, keinem Zuschauer, nur manchmal die Kandidaten bei ihren Wetten mit etwas zu viel Zuspruch („jetzt nur nicht nervös werden“ oder „ganz ruhig, hast du alles schon geschafft“) nervt. Er ist einer, der nicht auffällt. Der nicht aus der Reihe tanzen mag. Man erinnert sich mit Grausen an die Klamotten eines Thomas Gottschalk. Lanz trägt einen dunklen Anzug, Weste, weißes Hemd. Einziges Rebelliönchen: Er hat die oberen zwei Knöpfe geöffnet. Während Gottschalk anzügliche Witze über tiefe Dekolletés riss, scheint Lanz das Auftreten seiner Gäste egal zu sein. Nur Jennifer Lopez, der einzige Stargast, der später kommen und dafür früher gehen darf, fragt er nach ihrem jungen Tänzer-Freund. Nie und nimmer würde er, der nette Lanz, einem weiblichen Gast das Knie tätscheln, wie es Gottschalk doch schon mal passiert ist.

Der Kern der Marke „Wetten, dass . . .?“ ist die große Samstagabendshow für die ganze Familie. Ein netter Moderator, absonderliche Wetten, Prominente, oberflächliche Plaudereien. Mehr nicht. Und genau das wird bei der Lanz-Premiere erfüllt. Dazwischen gibt es Musik. Von Panda-Rapper Cro aus Stuttgart beispielsweise. Ein Zeichen, dass man die junge Zielgruppe auch wieder haben will. Später klatschen TV-Koch Horst Lichter und Frank Elstner in der ersten Reihe zum Tote-Hosen-Playback von „Altes Fieber“ mit.

Im Mittelpunkt stehen aber die Wetten: Es geht darum, ob normale Typen das Besondere schaffen. Hier ist alles wie immer. Wunderbar absurd. Es geht darum, mit den Ohren Wörter zu morsen. Dann gibt es den Ruderachter, der einen Wakeboarder hinter sich herzieht, und eine Traktorwette. Und den Kinderwettkandidaten Julian, der als Düsseldorfer das komplette S-Bahn-Liniennetz von Berlin auswendig aufsagen kann. Schöne, heile Fernsehwelt. Besonders deutlich wird diese Normalität bei Hundefriseurin Monika, die nach dem Gewinn ihrer Wette, geführt von Lanz, ihren Schwager grüßt, der „einen runden Geburtstag feiert“. Wettkönig wird der Slackliner Cijan Calis aus Esslingen am Neckar, der nur knapp daran scheitert, auf der Slackline balancierend vier Fußbälle per Fallrückzieher zu versenken. Um das zu erfahren, musste man sehr lange warten. Und man sieht: Irgendwie ist fast alles beim Alten geblieben.