Die Region Fichtelgebirge hat unter dem Motto #Freiraum für Macher für sich geworben und in zwei Plexiglaskuben deutlich gemacht, wie sich die Unterschiede zwischen dem Leben in der Großstadt oder in der oberfränkischen Region darstellen. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Mit einer Werbeaktion unter dem Motto #FreiraumfürMacher hat die Region Fichtelgebirge am Stuttgarter Wilhelmsplatz für sich geworben. Der oberfränkische Landstrich wirbt provokant mit viel Natur, Sicherheit, günstigen Mieten und verfügbaren Kita-Plätzen für einen Umzug.

Stuttgart - Stuttgart muss sich warm anziehen: Im Wettbewerb um Arbeitskräfte und junge Familien will die Region Fichtelgebirge der Landeshauptstadt künftig Konkurrenz machen. Am Samstag hat die oberfränkische Region ihren ersten Aufschlag in Schwaben gemacht und unter dem Motto #Freiraum für Macher für das Gebiet an der einst deutsch-deutschen-Grenze geworben – auf dem Wilhelmsplatz. Nicht nur Mitarbeiter der für das Regionalmarketingkonzept verantwortlichen Agentur Jahreiss waren aus Oberfranken nach Schwaben gekommen, um auf die Vorzüge der Fichtelgebirgsregion aufmerksam zu machen.

Auch Wunsiedels Landrat Karl Döhler, der Anfang, Mitte der 1990er-Jahre im baden-württembergischen Umweltministerium gearbeitet und in Herrenberg gewohnt hat, war – wie eine Reihe seiner Mitarbeiter aus der Entwicklungsagentur der Kreisverwaltung –, nach Stuttgart gereist, um an seiner einstigen Wirkstätte für seine aktuelle Heimat zu werben. Zwei Kuben aus Plexiglas verdeutlichten dabei, was aus Sicht der Fichtelgebirgler den Unterscheid ausmacht: Mehr Raum für Leben und Kreativität für geringere Kosten im ländlichen Raum – statt Enge in der Stadt. Hätte Karl Döhler aber einen Bus, oder auch nur ein Taxi füllen müssen, um Menschen gleich dauerhaft aus dem Südwesten in die laut dem Landrat „zentral zwischen Berlin und München, Frankfurt und Prag gelegene Region“ mitzunehmen, das Gefährt wäre wohl leer aus der Schwabenmetropole Richtung Nordosten gestartet.

Stuttgarter haben sich offen gezeigt

Hoffnung darauf, Menschen auf die Schnelle zu einem Umzug ins Fichtelgebirge zu bewegen, hatten Döhler und seine Mitstreiter aber auch nicht. Positiv haben sie aber registriert, dass die Stuttgarter keineswegs verschlossen sind, wenn es um Fragen wie verfügbare Kitaplätze, Arbeitsplätze mit Entwicklungschancen oder bezahlbaren Wohnraum geht. „Bei uns gibt es noch bezahlbare Bauplätze und Mietwohnungen“, so Döhler, der um die Bauland- und Mietpreise in Stuttgart bestens Bescheid weiß. In der Region Fichtelgebirge gebe es noch unerschlossenes Bauland für 20, erschlossen für den doppelten Preis zu kaufen.“Da kann man sich als junge Familie noch was eigenes leisten“, sagt Döhler, der auch auf die Natur in seiner Heimat aufmerksam macht und auf die Tatsache, dass Taus und Feinstaub in Oberfranken gemeinhin kein Thema sind. Und auch auf Kitaplätze müsse man nicht warten, die seien in ausreichender Zahl vorhanden.

Aus gutem Grund: Die Region Fichtelgebirge, die nach eigenen Angaben die „zweithöchste Industriedichte Europas“ besitzt, habe schon immer dafür gesorgt, dass die Eltern arbeiten können und die Kinder gut betreut sind. Und dies nicht nur in der Porzellanindustrie, die unter anderem mit Hutschenreuther und Rosenthal vertreten ist. Zu lange habe die Region, die lange unter einem Bevölkerungsschwund gelitten hat, „wenig im Marketing gemacht“, so Döhler. Nun wolle man die Vorzüge der Region aufzeigen und so einen Denkprozess anregen, ob es für eine gute Work-Life-Balance nicht möglicherweise sinnvoll wäre, ins Fichtelgebirge umzusiedeln. Und wenn kein Ortswechsel generell in Frage komme, dann können man vielleicht den einen oder anderen Stuttgarter für einen urlaub in der Region gewinnen.

Trend des Bevölkerungszuwachses soll unterstützt werden

Seit vier, fünf Jahren, so Döhler, gebe es wieder einen spürbaren Bevölkerungszuwachs – und diesen Trend wolle man mit der Aktion unterstützen. In München und Würzburg sei man bereits mit der Aktion vor Ort gewesen und habe viele positive Rückmeldungen erhalten. „Mehr als wir anfangs gedacht haben“, sagt Katharina Hupfer von der Entwicklungs- und Willkommensagentur Fichtelgebirge. Auch in Stuttgart habe man „vor allem bei jungen Familien“ viele offene Ohren gefunden. Nur in einem Fall habe man vollkommen auf Granit gebissen, sagt Manfred Jahreiss von der gleichnamigen Medienagentur. „Es gebe hier gar keinen Feinstaub“, so berichtet er, habe ein Passant bei einer heftig geführten Diskussion gesagt. Dieser habe auch keinerlei Verständnis für die laut Landrat Döhler „durchaus provokante“ Aktion auf dem Wilhelmsplatz gehabt. Gut erreicht habe man indes viele andere Passanten.

Mehr als 100 Gespräche wurden geführt. Dabei habe man mit den Kernthemen Mietpreise, Sicherheit, Natur und Geborgenheit durchaus Interesse geweckt, verdeutlicht Katharina Hupfer mit ihrer Kollegin Sina Hamzaoui. Letztere ist, als es um die Familiengründung ging, wieder in ihre Kindheitsregion zurückgekehrt, nach Jahren in anderen Städten und im Ausland. Und nicht nur ihr gefalle es in Oberfranken. Auch ihr aus Tunesien stammender Mann fühle sich dort wohl, beteuert sie. Und Manfred Jahreiss ergänzt: „Die Region ist offen, tolerant.“

Idee: Räume zum Probewohnen

An weiteren Ideen, wie man Menschen für die Region Fichtelgebirge mit Städten wie Wunsiedel, Bayreuth oder Hof begeistern und an sie heranführen kann, mangelt es nicht. So spiele man mit der Idee, Interessierten beispielsweise Angebote fürs Probewohnen anzubieten. Manfred Jahreiss jedenfalls ist überzeugt, dass die Erfahrungen, die die Menschen dann vor Ort sammelten, für sich sprechen würden. AN Selbstbewusstsein mangelt es also nicht. Arbeits- und Ausbildungsplätze gebe es zudem genug, und wenn man im Fichtelgebirge vielleicht auch nicht ganz so viel verdienen würde, wie in der Region Stuttgart, so könne man sich dort doch auf jeden Fall mehr vom Geld leisten. Ob Mieten oder Restaurantbesuche – „bei uns ist vieles günstiger“, sagt er.