Festes Liedduo und erste Preisträger in Stuttgart: der Bariton Konstantin Ingenpaß und die Pianistin Hyun-hwa Park Foto: Reiner Pfisterer

Beim Wettbewerb für Liedkunst der Hugo-Wolf-Akademie Stuttgart haben sich die Preisträger vorgestellt.

Stuttgart - „Schön festhalten“, sagt die Juryvorsitzende Brigitte Fassbaender mit dem ihr eigenen trockenen Humor, als die Gewinner des Internationalen Liedduo-Wettbewerbs der Hugo-Wolf-Akademie am Sonntagnachmittag ihre Urkunden entgegennehmen – „schön festhalten und etwas draus machen.“ Dann winkt die Mezzosopranistin, Gesangsprofessorin, Regisseurin, Intendantin und omnipräsente Jurorin ins Publikum und wünscht allen „Auf Wiedersehen“. 2022 wird der nächste, dann 13. Liedwettbewerb stattfinden, hoffentlich in besseren Zeiten, also: mit einem überzeugenderen Verhältnis von Publikum auf der einen, Masken und Desinfektionsmittel auf der anderen Seite. Immerhin, so der Vorstandsvorsitzende Hansjörg Bäzner in seiner Begrüßung, wurde der Livestream aus der Musikhochschule in der vergangenen Woche weltweit schon 18 000 Mal aufgerufen.

Das muss man erst einmal schaffen – obendrein mit einem Genre, das gemeinhin als Nischenkunst gilt. Und wer je an Wert und Nutzen dieser (mit insgesamt 33 000 Euro Preisgeldern hoch dotierten) Veranstaltung zweifelte, wurde auch bei diesem unter ungewöhnlichen Umständen stattfindenden Preisträgerkonzert im Konzertsaal der Musikhochschule auf überwältigende Weise eines Besseren belehrt.

Den ersten Preis erhalten der Bariton Konstantin Ingenpaß und die Pianistin Hyun-hwa Park

Nachdem die erst 22-jährige Mezzosopranistin Ekaterina Chayka-Rubinstein, getragen und vorangetrieben von ihrer Klavierpartnerin Maria Yulin, zum Auftakt einen Schwall von Klangfarben, Energie, Temperament, Emphase und selbstbewusster Gestaltung über ausgewählten Liedern ausgegossen hatte, fragte man sich, was um Himmels willen nach dieser musikalischen und gestalterischen Explosion der dritten Preisträger noch Besseres kommen sollte.

Dem Duo fehlte lediglich manchmal der Mut auch zu leiseren Tönen – oder die Einsicht, dass weniger (vor allem an Dynamik) manchmal mehr (an Prägnanz und Textverständlichkeit) bringen kann. Die zweiten Preisträger, die Sopranistin Malgorzata Roclawska und die Pianistin Olga Wien, haben genau dies schon verinnerlicht – in einer Weise, die sogar die spätromantischen Klangverdichtungen von Richard Strauss’ „Cäcilie“ durchsichtig wirken ließ. Zu Recht erhielt Wien für ihre feine und sehr individuelle Gestaltung am Flügel zusätzlich einen Sonderpreis.

Nur eine einzige Frage blieb nach dem Auftritt des Baritons Konstantin Ingenpaß und seiner wunderbar zwischen zarter Gefolgschaft und auftrumpfender Behauptung wechselnden Klavierpartnerin Hyun-hwa Park offen: Nämlich, warum diese beiden ersten Preisträger überhaupt noch bei Wettbewerben mitmachen? So vollendet wirkte ihr Miteinander, so ausgefeilt der Zugriff auf Text und Musik. Hugo Wolfs zwei „Peregrina“-Lieder: so viele Nuancen der Artikulation und der Klangfärbung in Stimme und Instrument! Schuberts „Abschied“: eine muntere Szene, von ferner Wehmut grundiert. Hans Pfitzners „An den Mond“: ein gewaltiges Nachtstück. Bei solchen Talenten und bei solch einer Begeisterung junger Menschen für das Lied muss einem um dessen Zukunft vielleicht doch nicht bange sein.