Die Bahn baut Tag und Nacht. Doch der Konkurrent Transdev wirft der DB vor, dass sie ihre Bauarbeiten oft ohne Rücksicht auf Gleisnutzer und Kunden organisiert. Foto: Horst Rudel

Der größte Bahn-Wettbewerber Transdev beklagt zahlreiche Fälle unfairer Benachteiligung durch die DB Netz AG – vor allem wegen zahlloser Verspätungen.

Berlin - Christian Schreyer kennt die Führungsetagen der Deutschen Bahn AG bestens. Jahrelang war der Manager der Leiter der Konzernstrategie beim früheren DB-Chef Hartmut Mehdorn. Inzwischen ist Schreyer der Chef des größten DB-Wettbewerber Transdev, dem Nachfolger des französischen Verkehrsunternehmens Veolia. Und in diesem Amt sieht er die Geschäftsmethoden seines ehemaligen Arbeitgebers äußerst kritisch.

„Die DB Netz stiehlt sich einfach auf unsere Kosten aus der Verantwortung, und die Politik und Aufsichtsbehörden dulden das“, sagt der Manager. Deshalb hat Transdev den Staatskonzern vor dem Landgericht Frankfurt/Main verklagt. Nun soll die Justiz klären, ob DB-Wettbewerber auf der Schiene systematisch benachteiligt werden. Schreyer beklagt generelle Fehlentwicklungen – und schließt nicht aus, dass auf die Bahn Schadenersatzklagen in dreistelliger Millionenhöhe zukommen könnten, wenn Transdev das Musterverfahren gewinnt.

Wer haftet für die Kosten von Zugverspätungen?

Im Kern geht es beim aktuellen Streit darum, wer am Ende die Kosten vieler Zugverspätungen trägt, die im deutschen Schienenverkehr leider üblich sind. Die Fahrgäste können bei größerem Verzug immerhin einen Teil des Ticketpreises zurückverlangen. Dann muss der Zuganbieter zahlen, zum Beispiel, wenn ICE-Züge wegen Defekten liegenbleiben.

Häufig sind aber gar nicht die Zugunternehmen für die Probleme verantwortlich, sondern die Verspätungen entstehen durch Mängel und Baustellen im Schienennetz, das die DB Netz in Ordnung halten soll. Den Fahrgästen kann das egal sein. Doch die DB-Wettbewerber bekommen meist den Ärger ab und haben auch noch den finanziellen Schaden.

Das will Schreyer nicht länger hinnehmen. Mit der Musterklage der Bayerischen Regiobahn, die zu Transdev gehört, gegen die DB Netz AG soll geklärt werden, ob die Bahn als Betreiber der Infrastruktur Schadenersatz leisten muss, wenn von ihr zugesagte Leistungen am Ende nicht erbracht werden. „Es kann doch nicht sein, dass die DB Netz Fahrpläne produziert, die nicht umsetzbar sind, und wir zahlen dann die Strafen für Verspätungen“, sagt der Manager verärgert.

Im konkreten Fall geht es um bis zu 180 000 Euro Schaden. „Wir haben aber viel größere Fälle ebenso wie andere Wettbewerber“, sagt Schreyer. Die Branche wartet nun, ob Transdev den Musterprozess gewinnt. „Dann könnte es eine Klagewelle gegen die DB Netz AG geben“, erwartet der Manager.

Denn die DB-Wettbewerber sind nicht nur wegen der Rückerstattungen an die Fahrgäste verärgert, die im Regionalverkehr eher gering sind. Weit höher werden die Regionalbahnen von ihren staatlichen Auftraggebern belastet, wenn die Pünktlichkeitswerte nicht stimmen. Dann sehen die Verkehrsverträge meist gekürzte Entgelte vor. Auch hier trägt also der Zugbetreiber und nicht die DB Netz den Schaden.

Die Liste der Verspätungsursachen ist lang

Bei den Transdev-Bahnen hat man zahlreiche Fälle von Verspätungen gesammelt, deren Ursache bei der Infrastruktur liegt: veraltete und schlecht gewartete Gleise, Signalstörungen, überlastete Bahnhöfe und mangelhafte Baustellenplanung. Besonders die vielen Hundert Baustellen, mit denen die DB Netz derzeit viele Abschnitte des 34 000 langen Gleisnetzes modernisiert, verschärfen den Konflikt.

Denn die Baustellen schränken den Betrieb häufig massiv ein. „Auch die Interessen der Fahrgäste geraten inzwischen völlig aus dem Blick“, kritisiert Schreyer. Oft gebe es nun monatelange Komplettsperrungen mit Schienenersatzverkehr, weil die DB Netz für den raschen Abschluss von Sanierungen belohnt werde. Zuvor dagegen habe die Reparatur zwar länger gedauert, weil nur ein Gleis gesperrt wurde. Dafür aber sei die Strecke weiter nutzbar gewesen, Verkehr und Einnahmen seien nicht komplett ausgefallen.

Ob die Musterklage von Transdev Erfolg hat, ist offen. Der DB-Konkurrent stützt sich vor allem auf allgemeine Rechtsgrundsätze, wonach bei schlechter Leistung ein Folgeschaden ersetzt werden soll. Die Schienennutzungsbedingungen der DB Netz AG schließen aber einen solchen Schadenersatz aus. Allerdings ist der Konzern als Infrastrukturbetreiber der Monopolist und kann den Bahnen, die auf dem Netz fahren wollen, die Geschäftsbedingungen diktieren.

Beim Staatskonzern, der jährlich mehr als 4 Milliarden Euro Steuergeld allein für den Erhalt des bundeseigenen Schienennetzes erhält, sieht man das anders. Dort verweist man auf die Qualitätsstandards beim Netz, die man im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) mit dem Bund einzuhalten habe. Würden diese nicht erfüllt, seien Vertragsstrafen zu zahlen. Kritiker halten die Vorgaben des Bundesverkehrsministeriums allerdings für zu lasch und die gedeckelten Pönalen für viel zu niedrig.

Zum laufenden Verfahren will sich der Staatskonzern nicht äußern. Transdev-Chef Schreyer erwartet, dass das Verfahren durch mehrere Instanzen geht und bis zu fünf Jahre dauern könnte. Letztlich werde wohl erst der Bundesgerichtshof den Fall entscheiden.