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Bei seinem ersten Besuch in Ankara hat Außenminister Guido Westerwelle die türkische Regierung zu einer weiteren demokratischen Öffnung ermuntert.

Istanbul - Außenminister Guido Westerwelle hat von der Türkei für eine Mitgliedschaft in der EU Reformen verlangt. Bei seinem ersten Besuch in Ankara ermunterte der FDP-Chef die türkische Regierung zu einer weiteren demokratischen Öffnung.

Der Schatten von Kreuth reicht bis nach Ankara. Bei seinem Antrittsbesuch in der türkischen Hauptstadt konnte es Guido Westerwelle nicht ruhig angehen lassen und sich darauf beschränken, erst einmal ein Bild von den Hauptakteuren in einem Land zu gewinnen, das ihn in seinem neuen Amt voraussichtlich noch viel beschäftigen wird. Der Vizekanzler und FDP-Chef musste gleich ran und frisch aufgekommene Zweifel an deutscher Glaubwürdigkeit zerstreuen. Dabei kam er nicht umhin, vor seinen türkischen Zuhörern den Berliner Koalitionsstreit auszubreiten: Keine Sorge, die CSU bestimmt nicht die deutsche Türkeipolitik, war Westerwelles Botschaft.

"Dafür stehe ich ein", lautete ein Schlüsselsatz des neuen Ministers. Damit signalisierte Westerwelle Standfestigkeit sowohl in den großen Linien deutscher Außenpolitik als auch in der Auseinandersetzung mit den Christsozialen. Die haben - gerade rechtzeitig vor Westerwelles Besuch - wieder einmal ihre Forderung nach Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei erneuert. Die Verhandlungen mit Ankara müssten beendet werden, weil die Türkei meilenweit von den Grundvoraussetzungen für einen EU-Beitritt entfernt sei.

Das Störfeuer aus Kreuth zwang den Außenminister dazu, in Ankara deutliche Worte zu sprechen. Natürlich erwähnte der Minister den Koalitionspartner und dessen Europa-Skepsis, die auch bei der Klausurtagung in Wildbad Kreuth wieder eine Rolle spielt, nicht ausdrücklich. Was er meinte, war trotzdem klar: Die Forderung der CSU nach einem Ende des türkischen EU-Prozesses muss niemanden in der Türkei aufregen, weil sie ohnehin nicht verwirklicht wird.

Mancherorts sei die Befürchtung geäußert worden, dass die Bundesregierung "die Tür zu einer Mitgliedschaft der Türkei schließen will", sagte Westerwelle in einer Rede vor türkischen Diplomaten. "Ich sage es Ihnen ganz klar: Was die EU und die Türkei vereinbart haben, gilt. Es gilt auch für diese Bundesregierung."

Türkische Reporter wollten es dennoch ganz genau wissen und fragten Westerwelle noch einmal, ob sie diesen Sätzen glauben könnten. Dahinter stand Unsicherheit darüber, ob der Minister das politische Gewicht hat, für eine Regierung zu sprechen, in denen zwei von drei Parteien im Grundsatz gegen eine türkische EU-Mitgliedschaft sind.

Was er als Außenminister sage, habe Gültigkeit, betonte Westerwelle. "Ich bin hier nicht als Tourist in kurzer Hose unterwegs." Den Diplomaten las Westerwelle sogar den Türkei-Passus aus dem Berliner Koalitionsvertrag vor - es kommt nicht alle Tage vor, dass ein innenpolitischer Streit so offen auf außenpolitischer Bühne ausgetragen wird. Westerwelle ging noch einen Schritt weiter und rief die Türkei zu weiteren Reformen auf, um dem EU-Beitritt näher zu kommen, also jenem Ziel, von dem die CSU nichts wissen will. Er selbst habe sich als frisch gebackener Minister im vergangenen Monat in Brüssel "mit großem Nachdruck für die Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen eingesetzt", sagte Westerwelle.

Obwohl die Beitrittsgespräche zwischen der EU und Ankara bereits 2005 begannen, haben die Türkei bisher erst zwölf der insgesamt 35 Verhandlungskapitel angehen können. Das liegt zum Teil am Widerstand von Ländern wie Frankreich, aber auch an der Haltung der Türkei im Streit um Zypern. Ankara weigert sich nach wie vor, türkische Häfen für Schiffe aus der zur EU gehörenden griechischen Republik Zypern zu öffnen. Diese Position müsse die Türkei überdenken, forderte Westerwelle.

Die EU-Reformen hätten in der Türkei bereits viel bewegt, sagte der Minister. "Ich möchte Sie ermutigen, damit fortzufahren", besonders auf den Gebieten der Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit.