Werner Wölfle, Stuttgarts neuer Bürgermeister für Allgemeine Verwaltung und Krankenhäuser Foto: Wagner

Werner Wölfle ist Bürgermeister für Verwaltung und Kliniken - wir haben ihn interviewt.

Stuttgart - Als Fraktionschef der Grünen im Rathaus war er einer der Wadelbeißer des Oberbürgermeisters. Jetzt ist Werner Wölfle als Bürgermeister für Verwaltung und Krankenhäuser einer seiner wichtigsten Zuarbeiter. Er muss die städtischen Bediensteten motivieren und das Klinikum auf einem schwierigem Kurs zu halten.

 

Herr Wölfle, wir sind überrascht, Sie hier an einem runden Tisch anzutreffen. Den wollten sie doch sofort aus Ihrem Büro entfernen.
Ein ovaler Tisch ist bestellt. Dieser passt besser in dieses Zimmer. Hauptgrund ist, dass man hier auch mal größere Besprechungen machen soll, ohne eines der raren Sitzungszimmer im Rathaus vorbuchen zu müssen.

Man sagt, Sie sitzen gern oben am Tisch.
Dieses Zitat stammt nicht von mir. Aber ein runder Tisch bietet keine Gestaltungsmöglichkeit. Der ist immer gleich. Es gibt Gesprächsatmosphären, da ist man froh, etwas weiter weg zu sitzen. Es gibt auch mal Streitgespräche, in denen der Bürgermeister vermitteln muss. Dann ist es gut, er sitzt weder auf der einen noch auf der anderen Seite.

Sie haben als Fraktionsvorsitzenden mal gesagt, Sie würden das auch machen wegen des Adrenalinspiegels. Jetzt sind Sie als Bürgermeister in ruhigeres Fahrwasser geraten.
Ruhiger würde ich nicht sagen. Mit ein Grund, warum ich die Seiten wechseln wollte, war, wieder operativ tätig zu sein. Das heißt, du kannst deinen Arbeitsnachweis auch durch andere Dinge als durch Zitate in der Zeitung erbringen. Zum Beispiel durch Taten, gescheite Entscheidungsvorlagen für den Gemeinderat...

Sie sind der Personalchef des größten Arbeitgebers in der Stadt. Wenn Sie eine Stellenausschreibung machen, warum sollte ich denn zur Stadt wechseln?
Ich habe in meiner Antrittsrede betont, dass ich es als ausgesprochen soziale Aufgabenstellung betrachte, wenn der größte Arbeitgeber der Stadt Standards setzt, wie man mit Arbeitnehmern umgeht. Es ist eine gute Balance zu finden zwischen Arbeitsplatzsicherheit, aber auch für diejenigen attraktiv zu sein und zu bleiben, die mit besonderem Engagement ihr Geschäft machen.

Wie groß ist da der Handlungsspielraum der Stadt, es gibt ja einen tariflichen Rahmen.
Finanziell ist das alles extrem begrenzt. Aber gute Mitarbeiter wissen auch andere Dinge zu schätzen, sprich Fortbildungsmöglichkeiten, Aufstiegsmöglichkeiten, Anerkennung am Arbeitsplatz. Das ist Management, das die Stadt selber machen kann.

Wie können Sie als Bürgermeister den Personalbestand noch schlagkräftiger und gleichzeitig noch zufriedener machen?
Wir hatten ja ein paar Haushaltskonsolidierungen, wo man zum Teil ganz erheblich Maßnahmen gekürzt oder gestrichen hat, die eigentlich zur Arbeitszufriedenheit gehören. Ich denke an Fortbildungsmittel. Modern und auf dem Laufenden zu bleiben ist für Mitarbeiter von Interesse. Gute Firmen wissen, dass Mitarbeiterpflege dazugehört.

Nennen Sie doch Beispiele.
Es gibt Dinge, die könnte man regeln, wenn der Gemeinderat mitmacht. Wenn eine Mitarbeiterin in Mutterschutz geht, sollte das Amt sofort Ersatz bekommen. Es würde dann bei der Einstellung nicht überlegt, das ist eine Frau, bei der die Chance besteht, die wird irgendwann mal schwanger, da nehme wir lieber eine andere Bewerberin, bei der das nicht droht. Ein anderes Beispiel ist die Pflege von Angehörigen. Auch solche weiche Faktoren sind wichtig.

Da hört man den gelernten Sozialpädagogen raus.
Ich bringe bezogen darauf eine gewisse Sensibilität mit.

Wird die Wiederbesetzungssperre fallen?
Ich gehe davon aus, dass die Verwaltungsspitze das ab dem 1.Januar 2012 nicht fortsetzen will. Erstens hat sich die finanzielle Situation geändert, zweiten spielt der demographische Faktor eine Rolle. Das heißt, wir müssen uns anstrengen, Mitarbeiter zu gewinnen.

Wo liegen denn konkret die Problemzonen innerhalb der Mitarbeiterschaft?
Wir haben im Bereich der Erzieherinnen und der Pflege einen erheblichen Mangel.

Ihr zweites großes Arbeitsfeld, das Krankenhauswesen, ist eine Großbaustellen.
Die größte Krankenhausbaustelle in Deutschland.

"Das Klinikum muss im Wettbewerb bestehen"

Aber nicht nur deshalb tut sich beim Thema Klinikum ein Berg vor Ihnen auf.
Ein Riesenberg, eine Unzahl von Köchen und Mitspielern, auf die du, bezogen aufs Geld, nur bedingt bis gar keinen Einfluss hast. Kaum hast du ein ordentliches Ergebnis hingelegt, kommt jemand und streicht wieder Gelder. Und du wirst dabei weder gefragt noch gehört.

Das klingt nach Hase-und-Igel-Rennen, das man nur verlieren kann.
Es ist ein komplizierter und vom Volumen her beachtlicher Bereich. Mein erster Eindruck ist, dass unser Klinikum relativ gut dasteht. Die Entscheidung des Gemeinderats damals, das Klinikum in städtischer Regie zu halten, wird allgemein wertgeschätzt.
 

Es gibt beim Klinikumsneubau viele Unwägbarkeiten, zum Beispiel die Zuschüsse des Landes. Ihr Vorgänger Murawski war ein Virtuose beim Anmahnen von Fördermitteln...
...ein glühender Vertreter der Aufgabenstellung des Landes. Mit ihm ist jetzt im Staatsministerium einer, der das weiß und der die Situation kennt. Das ist ein entscheidender Vorteil.

Aber er kann kein Geld drucken?
Das sicher nicht. Aber es ist hauptsächlich eine Frage der Verteilung.

Man hört aus dem flachen Land immer wieder den Vorwurf, auch bei der Krankenhausfinanzierung würden zu viele Landesmittel nach Stuttgart fließen.
Das ist falsch. Das städtische Klinikum arbeitet auf dem Niveau der Unikliniken. Dass das Geld kostet, ist klar. Der Neid auf die Landeshauptstadt ist ein Reflex.

Das wirtschaftliche Ziel des Klinikums heißt schwarze Null. Gibt es da Zweifel?
So wie es nach den Prognosen aussieht, schafft man das im Geschäftsjahr 2011, dass das im Wirtschaftsplan vorgegebene Ziel und damit die schwarze Null erreicht wird. Dann wird es aber schon schwieriger. Übrigens fragt niemand bei der Oper, ob sie eine schwarze Null schreibt, und auch nicht beim Schwimmbad oder der Bibliothek. Und das ganz zu recht.

Das kann aber fürs Klinikum keine Freibrief sein...
Nein. Es muss wirtschaftlich arbeiten und im Wettbewerb bestehen.

Sie sagen, fürs Klinikum wird es in Zukunft schwieriger. Das bedeutet, auch für Sie wird es nicht leichter.
Das ist wie bei einer Diät. Wenn ich viel Übergewicht habe, ist das Runterkommen um zehn Kilo relativ leicht, aber danach wird es schwieriger.

Bedeutet das, dass in Zukunft das Klinikum wieder Defizite produziert?
Es kommt auf die Betrachtungsweise an, was ich als Leistung der Stadt für das Klinikum definiere. Denken Sie an die fünf Millionen Euro Zuschussbedarf für das Olgahospital. Da muss man abwägen, ist es uns das wert, oder schmälert wir die Leistungsfähigkeit des Olgäles.

Diese fünf Millionen brauchen Sie auch im nächsten Haushalt?
Wir brauchen auf jeden Fall wieder den Vier-Seiten-Vertrag zwischen Verdi, Personalrat, Stadt und Klinikum. Denn der Kraftakt der Sanierung des Klinikums ist ohne das Mittun des Personalrats nicht möglich gewesen. Mir ist an einem weiteren Miteinander gelegen.

Die Wertschätzung für das Klinikum ist innerhalb der Verwaltung und von Seiten des Gemeinderats gewachsen.
Das muss so bleiben. Deshalb sage ich mir, Wölfle, bei den Finanzen will ich keine unangenehmen Überraschungen erleben. Ich bin kein Freund davon, sich irgendwelche Sachen schön zu rechnen. Das holt einen früher oder später wieder ein.

Sie sind jetzt in einer völlig neue Position. Statt dem OB in die Waden zu beißen, sind sie seine linke Hand. Wie ist das Verhältnis?
Die Aufnahme durch den Oberbürgermeister war ausgesprochen wohlwollend. Er kam nach dem Urlaub vorbei, hat ein Geschenk mitgebracht. Ich stoße bei ihm nicht auf Vorbehalte.

Ihr Vorgänger und der OB waren zuletzt ein Herz und eine Seele. Sehen Sie für sich eine ähnliche Perspektive?
Als gelernter Sozialarbeiter weiß ich, dass Beziehungen wachsen müssen.

Können Sie sich vorstellen, im nächsten Jahr gegen Schuster bei der OB-Wahl anzutreten?
Wer OB-Kandidat der Grünen wird, entscheidet die Partei.

Das klingt nicht so, als wollten Sie Ihre Kandidatur ausschließen.
Sag niemals nie. Das ist ein alter Spruch. Aber mein Ansinnen ist es nicht. Jetzt will ich die Bürgermeisteraufgabe gut machen.