In seinem Urteil lies das Landgericht in Stuttgart Foto: dpa

Weil er seine Ex-Freundin geschlagen und entführt hat, wurde ein 43-Jähriger zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Eine Vergewaltigung wurde ihm nicht nachgewiesen.

Wernau - Als freier Mann und gut gelaunt verließ er nach einem halben Jahr in Untersuchungshaft den Gerichtssaal. Der 43-Jähriger wurde am Dienstag vom Landgericht Stuttgart zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Der Vorsitzende Richter Ulrich Tormählen folgte mit seinem Urteil dem Ansinnen der Verteidigung. Diese hatte in ihrem Plädoyer eine Bewährungsstrafe für ihren Mandanten gefordert. Die Staatsanwaltschaft hatte dagegen sechs Jahre Haft wegen Körperverletzung und Geiselnahme verlangt.

Der Mann hatte am Abend des 30. Januars seine Ex-Freundin gegen 21.40 Uhr in Wernau geschlagen, sie anschließend gewaltsam in sein Auto gezerrt und dort mit Kabelbindern an den Beifahrersitz gefesselt. Sollte sie weiter nach Hilfe rufen, werde er ihr die Kehle durchschneiden, drohte der Mann der 31-Jährigen. Unterstrichen wurde die Todesdrohung von einem Teppichmesser, das der gelernte Fliesenleger bei sich hatte.

Erzwungener Sex, aber keine Vergewaltigung

Nachdem er die Frau in seinem Auto gefesselt hatte, fuhr er mit ihr von Wernau bis in einen Wald bei Markgröningen im Landkreis Ludwigsburg. Diese Gegend kannte der Mann aus Kindheitstagen. Was dort in jener Winternacht geschah, wertete der Vorsitzende Richter in seinem Urteil nicht als eine Vergewaltigung.

Gemäß den Schilderungen der Frau habe sie, verängstigt von der gewaltsamen nächtlichen Entführung in einen dunklen Wald sowie den Todesdrohungen des als wütend beschriebenen Mannes, einem Geschlechtsverkehr zugestimmt. Deshalb könne die Tat nicht als eine Vergewaltigung angesehen werden, fand der Richter des Landgerichts. „Obwohl der Geschlechtsverkehr erzwungen war“, verlas er seine Urteilsbegründung.

Der Täter habe vor dem Geschlechtsverkehr die Fesseln seines Opfers gelöst und sich mit der Frau unterhalten. Im Verlauf des Gesprächs sei es der Dame gelungen, ihren Entführer von seinen ursprünglichen und als gewaltsam angekündigten Sexplänen auf einen normalen Geschlechtsverkehr herunterzuhandeln. Dafür habe sie ihm eine Versöhnung vorgespielt und zugesagt, wieder mit ihm zusammenzukommen und ein Kind mit ihm zu haben. Der Angeklagte habe sich dann auch beruhigt, attestierte der Richter. Das sei eine echte Zäsur im Verlauf der Entführung gewesen, fand er. Denn damit sei die Vergewaltigung aus Sicht des Angeklagten schließlich keine Vergewaltigung mehr gewesen.

Täter und Opfer lernten sich im Bordell kennen

Neben den beschriebenen Umständen während der Tatnacht komme dem Angeklagten zugute, dass er ein Teilgeständnis abgegeben habe und von der Untersuchungshaft beeindruckt sei, wie es der Richter formulierte. Außerdem sei der Mann nicht einschlägig vorbestraft. Dass er sein späteres Opfer schon einmal im September 2016 mit einem Revolver bedroht hatte, bewertete der Richter nicht strafverschärfend. Die damalige Verhandlung sei eingestellt worden. Er hoffe, dass sich das monatelange Beziehungsdrama nach der jetzigen Entlassung des Mannes aus der Haft nicht fortsetze.

Eine Beziehung hatte das Opfer mit ihrem späteren Entführer seit dem Jahr 2013 geführt. Kennengelernt hatten sich die beiden in einem Bordell, in welchem das spätere Opfer als Prostituierte arbeitete. Für sie hat ihr späterer Entführer seine Familie verlassen. In Plochingen hatte das Paar in einer gemeinsamen Wohnung im Gebiet Bruckenwasen gelebt. Um ihr einen Ausstieg aus der Prostitution zu ermöglichen, habe der Mann etwa 100 000 Euro und viele Eigenleistungen in einen Schönheitssalon in Bad Cannstatt investiert, wie das Gericht erklärte. Doch der Salon sei nie gut gelaufen. Dafür habe der nun zu einer Bewährungsstrafe Verurteilte seinem Opfer die Schuld gegeben. Die Frau habe sich nicht um das Geschäft gekümmert und sei lieber wieder im Bordell anschaffen gegangen, als in dem Schönheitssalon zu arbeiten. Spätestens seit dem August des vergangenen Jahres sei die Beziehung von häufigen Streitereien und anschließenden Versöhnungen gekennzeichnet gewesen, stellte das Landesgericht fest.

Nach der Urteilsverkündung bedankte sich der Mann beim Vorsitzenden Richter. „Jetzt kann man die Fußfesseln abmachen“, meinte er zu drei Justizmitarbeitern, die seiner Anweisung umgehend nachkamen. „Sie sind ein freier Mann“, sagte der Vorsitzende Richter.