Der Fachbau der Stammheimer Werkrealschule ist jüngst für einen Millionenbetrag modernisiert worden, derzeit ist der Hof dran – doch der Standort steht auf der Streichliste. Foto: Max Kovalenko

Es ist eine Hängepartie mit ungewissem Ausgang für Schüler, Eltern und Lehrer: Ende Februar soll der Gemeinderat das Aus für 18 von derzeit 32 Stuttgarter Werkrealschulen beschließen. Dabei modernisiert die Stadt viele der Wackel- kandidaten für eine Millionensumme.

Stuttgart - Der Fachbau an der Stammheimer Grund- und Werkrealschule strahlt frisch herausgeputzt. Im Schulhof daneben sind die Arbeiten noch in vollem Gange. Steine für den neuen Belag stapeln sich, die Zufahrt wird von Gittern und Absperrbändern flankiert. Hier investiert die Stadt in großem Stil – für eine glänzende Bildungszukunft, könnte man meinen. Doch die Stammheimer Schule steht auf der Streichliste. Trotz 2,9 Millionen Euro, die dort verbaut werden.

„Der Fachbau ist wunderschön saniert worden, es gibt Technikräume und zudem ein neues Schülercafé“, sagt Claudia Neulinger, die erst seit Kurzem Rektorin in Stammheim ist. Doch die Zukunft der Schule ist offen. „Ganz geschlossen wird sie sicher nicht“, sagt die Rektorin und verweist auf die Grundschulklassen. Doch es gilt als sicher, dass zumindest große Teile des weitläufigen Geländes künftig anders genutzt werden müssen.

Grund dafür sind die stark sinkenden Schülerzahlen an vielen Stuttgarter Werkrealschulen. Nach dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung schicken viele Eltern ihre Kinder lieber auf Realschule und Gymnasium. Die früheren Hauptschulen, die in Stuttgart inzwischen alle zu Werkrealschulen geworden sind, bleiben außen vor. Nur noch 489 Fünftklässler lernen dort zurzeit. Platz wäre für 1740 Kinder. Fünfte Klassen gibt es oft gar nicht mehr.

18 von 32 Werkrealschulen stehen auf Streichliste der Stadt

Die Stadt sah sich gezwungen, eine Streichliste zu erstellen. 18 von 32 Werkrealschulen stehen darauf, ausgesucht nach Bedarf, Lage und Erreichbarkeit. Der Gemeinderat soll Ende Februar entscheiden. Das Votum hätte bereits früher fallen sollen, aber weil die Diskussionen und Sorgen in vielen Stadtbezirken hochgekocht sind, ist es verschoben worden.

Während man noch über die Zukunft streitet, wird fleißig weiter investiert. 28,1 Millionen Euro von der Stadt oder aus Bundesprogrammen sind laut einer Aufstellung des Schulverwaltungsamts in jüngster Vergangenheit in die 18 betroffenen Schulen geflossen oder noch in diesem Jahr verplant – spätere Vorhaben noch nicht eingerechnet.

Den Vorwurf, die Stadt saniere mit viel Aufwand Schulen, die nicht mehr gebraucht werden, will Susanne Eisenmann nicht gelten lassen. „Wir haben weiterhin Bedarf für diese Gebäude im Bereich Bildung und Betreuung“, sagt die Schulbürgermeisterin. Manche Sanierungsmaßnahmen ließen sich nicht zurückstellen, weil sie sich wie Heizungs- oder Dachsanierung auf Sicherheit und Gesundheit auswirkten. Andere stelle man zurück, bis man wisse, welche künftige Nutzung denkbar ist. „Aber die Investitionen sind sinnvoll“, sagt Eisenmann.

An manchen Standorten sollen Grundschulklassen mehr Platz bekommen

Was die Nachnutzung betrifft, läuft für sieben Standorte die Prüfung auf Einrichtung einer Gemeinschaftsschule. Die ist freilich nicht überall denkbar, denn dafür sieht das Land zwei Züge, also mindestens 40 Schüler, pro Jahr vor. Damit ist man vielerorts beim alten Problem. „Egal, wie das Kind heißt: Eine Schule braucht genug Schüler“, so Eisenmann. An manchen Standorten sollen Grundschulklassen mehr Platz bekommen. Außerdem sei denkbar, den steigenden Platzbedarf von Realschulen und Gymnasien mit Außenklassen zu decken oder Angebote zur Kinderbetreuung einzurichten.

Die Verunsicherung bei den Streichkandidaten ist dennoch groß. „Wir wären vorbereitet, in Richtung Gemeinschaftsschule zu gehen“, sagt Claudia Neulinger in Stammheim. Dafür brauche es aber einen längeren Prozess gemeinsam mit den Eltern, doch das setze Gewissheit voraus. „Die Informationspolitik ist insgesamt nicht glücklich und hat viel Unmut erzeugt“, kritisiert die Rektorin. Der komplette Stadtbezirk, der eng mit der Schule verzahnt sei, stehe „auf Stand-by“. Lange dürfe das so nicht weitergehen, warnt Neulinger: „Das Kollegium erwartet zitternd die Entscheidung des Gemeinderats.“