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An einigen Werkrealschulen dauert die Anfahrt länger als zu Gymnasien und Realschulen.

Stuttgart - 525 Werkrealschulen werden im neuen Schuljahr an den Start gehen. Das hat Kultusministerin Marion Schick (CDU) am Montag in Stuttgart bekanntgegeben. Die Kommunen fordern mehr Geld für den Schülertransport.

Die Schule soll im Dorf bleiben. Das haben die Kommunen seit Jahren gefordert und sich dagegen gewehrt, dass kleine Hauptschulen geschlossen werden. Sie wird auch im Ort bleiben, versprach ihnen die Landesregierung. Im kommenden Schuljahr wird es im Südwesten noch 402 der knapp 1200 Hauptschulen geben, 84 werden geschlossen, die übrigen werden zu Werkrealschulen weiterentwickelt. Dort können Schüler nach dem neunten Schuljahr den Hauptschulabschluss, nach dem zehnten die mittlere Reife machen.

Besonderer Wert wird auf eine berufliche Grundbildung gelegt, um die Ausbildungsfähigkeit der Schüler zu stärken. 525 neue Werkrealschulen werden eingerichtet, dazu kommen 142 Außenstellen - das macht zusammen 667 Standorte, sagte Kultusministerin Marion Schick (CDU) am Montag in Stuttgart. 119 Schulen verteilen sich auf mehrere Standorte. Welche Hauptschulen geschlossen werden und ob davon auch Schulen in Stuttgart und der Region betroffen sind, konnte die Kultusministerin am Montag noch nicht sagen. Am heutigen Dienstag sollen die Standorte von 12 Uhr an auf der Internetseite des Ministeriums abrufbar sein.

"Ich freue mich sehr, dass die innovative Konzeption schon nach der ersten Antragsrunde an so vielen Standorten umgesetzt werden kann", sagte Schick. Allerdings gebe es noch "acht bis zehn weiße Flecken", in denen Schüler zur Werkrealschule einen weiteren Schulweg hätten als zur Realschule oder zum Gymnasium. Bis zum übernächsten Schuljahr will Schick diese Probleme beheben. Ihr sei wichtig, "überall dort, wo trotz großer Mühen bisher noch keine Werkrealschule gegründet werden konnte, aktiv nach wohnortnahen Lösungen zu suchen und den Schulträgern Unterstützung zu signalisieren", sagte Schick.

Übergangszeit für kleinere Hauptschulen gefordert

Die Kommunen sehen die neue Werkrealschule im Wesentlichen positiv. Nötig seien allerdings höhere Zuschüsse für die Schülerbeförderung, forderte der Vize-Präsident des Landkreistages, Guido Wolf. Bereits jetzt fehlten den Kreisen knapp 35 Millionen Euro pro Jahr. "Deshalb brauchen wir einen Nachschlag des Landes."

Wegen der sinkenden Schülerzahlen an Hauptschulen gebe es vielerorts keine andere Möglichkeit als Schulschließungen, sagte der Präsident des baden-württembergischen Städtetages, Ivo Gönner. "Mit der Werkrealschule haben Land und Kommunen gemeinsam eine innovative und zukunftweisende Antwort auf diese Herausforderung gefunden." Allerdings müsse sich die neue Schulart profilieren, "anderenfalls werden die Eltern eine Abstimmung mit den Füßen machen". Gemeindetagspräsident Roger Kehle forderte eine Übergangszeit für kleinere Hauptschulen, damit sie leichter die Zweizügigkeit erreichen können. So sollten schon vom nächsten Schuljahr an Klassen ab 28 Schüler geteilt werden. Das lehnte Schick ab.

Voraussetzung für die Genehmigung der Werkrealschule ist, dass es pro Jahrgang mindestens zwei Klassen gibt, das heißt derzeit mindestens 32 Schüler. Von den 402 Hauptschulen, die vorerst weiterbestehen, hat der größte Teil nur eine - oft kleine - Klasse je Jahrgang.

Die Opposition im Landtag und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sehen die Schließung von 84 Hauptschulen bereits zum nächsten Schuljahr als Beleg dafür, dass die wohnortnahe Hauptschule keine Zukunft hat. "Weitere Schließungen werden angesichts der demografischen Entwicklung und der Vorgabe der Zweizügigkeit in den nächsten Jahren bei den noch bestehenden 402 selbstständigen Hauptschulen folgen", sagte die Grünen-Politikerin Renate Rastätter. Die GEW, die kürzlich eine Studie zur Entwicklung der Schülerzahl in Baden-Württemberg veröffentlicht hat, geht davon aus, dass auch viele der neuen Werkrealschulen in den nächsten Jahren nicht mehr genügend Schüler finden und damit existenziell gefährdet sind. "Die Einzigen, die von der neuen Schulart profitieren, sind die Busunternehmen im Land", so GEW-Landeschefin Doro Moritz. Der SPD-Bildungsexperte Frank Mentrup warf Schick vor, sie informiere die Öffentlichkeit nicht richtig. "Viele Eltern im Land wissen nach wie vor nicht, ob in ihrer Kommune eine neue Werkrealschule errichtet wird."