Plädiert für ein Lobby-Register: Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Uli Sckerl Foto: dpa

Lobbyisten haben einen schlechten Ruf, denn sie gelten als Drahtzieher in der Politik. Die meisten Abgeordneten schätzen jedoch die Interessenvertreter – sofern sie mit offenen Karten spielen.

Lobbyisten haben einen schlechten Ruf, denn sie gelten als Drahtzieher in der Politik. Die meisten Abgeordneten schätzen jedoch die Interessenvertreter – sofern sie mit offenen Karten spielen.

Stuttgart - Der Landtag unternimmt einen neuen Anlauf, um Einflüsse auf politische Entscheidungen transparenten zu machen. Am 4. Juni wollen sich die Parlamentarischen Geschäftsführer der vier Fraktionen treffen, um die bestehenden Transparenzregeln zu diskutieren – und die Frage, ob sie verschärft werden müssen.

Grüne und SPD hatten dies im Herbst 2013 gefordert, nachdem bekannt geworden war, dass der CDU-Abgeordnete und Sparkassenpräsident Peter Schneider von dem EnBW-Aktiendeal profitiert hatte, weil er selbst Aktien besaß. Auch die Vortragshonorare von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück befeuerten die Diskussion. Die Grünen unterwarfen sich daraufhin freiwillig schärferen Offenlegungsregeln – doch parlamentarisch herrschte Funkstille.

Erst jetzt kommt das Thema wieder auf den Tisch: „Wir wollen ausloten, wie die Bereitschaft zu einer Reform ist“, sagte Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Uli Sckerl unserer Zeitung. Sein Ziel sei größtmögliche Transparenz bei gleichzeitiger Wahrung des Datenschutzes.

Unter anderem soll es um die Frage gehen, wie exakt Parlamentarier ihre Nebentätigkeiten bezeichnen und veröffentlichen müssen. Bisher sind sie nur verpflichtet, ihren Beruf sowie Posten in Aufsichtsräten und anderen Gremien allgemein offen zu legen, nicht aber Honorare für Vorträge. Der Bundestag hat strengere Regeln.

Grüne und SPD wollen aber auch die Lobbyarbeit ausleuchten, da Bürger diese oft als Grauzone empfänden, wie sie meinen. Dazu schlagen sie ein Lobby-Register vor, in dem Interessenverbände Auskunft über ihre Arbeit und ihre Finanzierung geben. So sollen Verbände auch ihren Aufwand für Parlamentarische Abende offen legen.

Solche Veranstaltungen laufen so ab, dass Vertreter von Interessenverbänden aktuelle politische Fragen mit Abgeordneten diskutieren – in geselliger Runde bei einem Abendessen. Am gestrigen Mittwoch zum Beispiel empfing der Verband der Chemischen Industrie mehrere Dutzend Parlamentarier im Foyer des Württembergischen Kunstvereins in Stuttgart. Zeitgleich lud die Arbeitsgemeinschaft der Bausparkassen Abgeordnete in ihre Stuttgarter Zentrale.

Die Parlamentarier schätzen diesen Kontakt uneingeschränkt und in allen Fraktionen: „Das ist völlig legitim, aber es muss transparent sein“, sagt Sckerl. „Ich war anfangs skeptisch, habe dann aber gemerkt, dass ich auch inhaltliche Impulse erhalte“, stimmt Stefan Fulst-Blei zu, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD. So hätten etwa die Sparkassen im vergangenen Jahr erläutert, welche Folgen die neuen Vorgaben für die Eigenkapitalbasis mit sich bringen. „Das ist von beiderseitigem Nutzen“, sagt Fraktionschef Claus Schmiedel.

Auch Landespolitik spielt bei solchen Treffen eine große Rolle. So werden die Chemieverbände das von Grün-Rot geplante Gesetz über Bildungsurlaub angesprochen haben – die Industrie lehnt die Pläne vehement ab. Werden die Abgeordneten da nicht über Gebühr bedrängt? „Gut organisierte Verbände schaffen es, die Grundstimmung zu beeinflussen, aber nicht, den Abgeordneten umzudrehen“, glaubt CDU-Mann Ulrich Lusche. Lobbyarbeit sei dann unproblematisch, wenn klar sei, wer Einfluss nimmt: „Hellhörig werde ich dann, wenn jemand behauptet, er habe keine Interessen.“

Den Chemieverbänden kann man dies ebenso wenig unterstellen wie den Bausparkassen oder dem Nabu Deutschland – der nächste in der Reihe der Gastgeber. „Die Akteure sind bekannt, ein Lobby-Register ist nicht nötig“, meint denn auch CDU-Fraktionschef Peter Hauk. Das schaffe nur zusätzliche Bürokratie. Doch gerade die Tatsache, dass meist nur die großen, bekannten Akteure einen der raren Termine ergattern, hält Sckerl für fragwürdig: „Bisher haben nur die Zugang, die gut organisiert sind.“ Aber sind das auch die dringlichsten Anliegen?

Während Hauk der Ansicht ist, schon jetzt könne sich jeder an den Landtag wenden, plädiert Sckerl für neue Spielregeln für die Lobbyarbeit – auch außerhalb der Parlamentarischen Abende. Er wolle dem Eindruck entgegenwirken, dass nur jene Einfluss nehmen können, die ohnehin Einfluss haben. Auch der Sozialdemokrat Fulst-Blei hält es für eine zentrale Frage, welche Gruppen gehört werden, und welche nicht.

Die Chemieverbände im Land können sicher sein, dass man sie hört. Immerhin haben die 405 Unternehmen 106 000 Beschäftigte. „Wir versuchen, den Abgeordneten in der immer komplexeren Welt jene Informationen zu liefern, die sie für ihre Entscheidungen brauchen“, sagt Verbandssprecher Andreas Fehler. Natürlich aus Sicht der Chemieindustrie, räumt er ein. Wichtig sei, miteinander zureden, und nicht nur Briefe zu schreiben. „So verstehen wir auch, wie die Politiker denken.“