Der Tod eines geliebten Menschen ist zuerst schwer zu ertragen. Foto: dpa

Wenn ein geliebter Mensch stirbt, hinterlässt er im Leben anderer oft eine große Lücke. Am wichtigsten ist es, die eigene Trauer zuzulassen und sie mit anderen zu teilen.

Stuttgart - Wenn ein geliebter Mensch stirbt, hinterlässt er im Leben anderer oft eine große Lücke. Am wichtigsten ist es, die eigene Trauer zuzulassen und sie mit anderen zu teilen. Wir haben einige Fragen und Antworten zu diesem Thema zusammengestellt.

Kann man sich auf die Trauer nach dem Tod eines Menschen überhaupt vorbereiten?

„Man kann sich auf den Tod vorbereiten, aber man kann sich schwer auf Trauer vorbereiten“, sagt Marianne Bevier vom Bundesverband Trauerbegleitung (BVT). Zwar sei es hilfreich, wenn Menschen sich verabschieden und Dinge regeln könnten. „Aber die Trauer kommt, wie sie kommt, und das können wir nicht planen.“ Besonders schwer sei es, den Tod eines Menschen zu realisieren, wenn er plötzlich und überraschend geschehen sei: „Dann brauche ich eine Zeitlang, um zu spüren, wahrzunehmen, dass der andere Mensch nicht mehr da ist. Ich kann es wortwörtlich nicht begreifen, weil ich nicht dabei war.“

Was kann helfen, den Tod eines anderen zu begreifen?

Marianne Bevier gibt zu bedenken, dass „wir zwei Wege haben, Dinge zu begreifen“. Der eine Weg gehe über die Sinne, deshalb sei es gut, wenn es einen Abschied vom toten Körper gebe. „Der zweite Weg des Realisierens geht über die Sprache – indem wir erzählen, was geschehen ist, können wir es begreifen.“

Braucht es andere Menschen, um trauern zu können?

„Ja“, sagt Klaus Onnasch, Pastor im Ruhestand und Mitglied der Fachgruppe Trauer im Deutschen Hospiz- und PalliativVerband (DHPV). Trauer sei von vornherein auf Mitteilung angelegt. Zwar gebe es Zeiten, in denen es wichtig sei, sich zurückzuziehen. „Aber es ist sehr erleichternd, sich auf Dauer mitzuteilen. Ich bin nicht allein in dem Schmerz, ich kann ihn teilen und indem ich ihn ausspreche, wird mir vieles klarer. Das ist auch der Sinn von Trauergruppen.“

Wie kann man den Alltag neu gestalten, wenn ein geliebter Mensch verstorben ist?

„Wichtig ist, nicht einfach darüber hinwegzugehen, dass etwas fehlt, sondern die Lücke zu spüren und wahrzunehmen, was der Mensch einem bedeutet“, so Marianne Bevier. Danach gehe es darum zu lernen, damit umzugehen. „Sei es nur, dass mein Partner immer dafür verantwortlich gewesen ist einzukaufen. Solche Sachen muss ich dann selbst wieder lernen.“

Und was ist, wenn mich die Trauer im Alltag wegen einer Kleinigkeit wieder überwältigt?

Klaus Onnasch empfiehlt, innezuhalten: „Ich kann mir eine Kerze anzünden, ich kann mir selbst einen Blumenstrauß kaufen und auf den Tisch stellen. Ich kann mir ein Bild der verstorbenen Person ansehen oder ein Foto, auf dem wir beide zusammen zu sehen sind.“ Wichtig sei vor allem zu atmen, in den Körper hineinzuspüren und so zur Ruhe zu kommen.

Was kann mir helfen, den Tod eines geliebten Menschen anzunehmen?

„Man geht heute in der Trauerbegleitung davon aus, dass es Beziehungen gibt, die bleiben – und dass es auch wichtig ist, diese Beziehungen zu pflegen“, so Onnasch. Viele Erinnerungen kämen in Träumen wieder. „Die kann ich aufzeichnen, in einem Traumtagebuch oder in einem Begegnungstagebuch.“ Von manchen Menschen weiß der Seelsorger, dass sie bestimmte Erlebnisse mit dem Verstorbenen verbinden, ein Schmetterling, der ihnen nachgeflogen sei oder ein bestimmter Vogel, der auf dem Grab des Verstorbenen sitze. „Es gibt auch die Möglichkeit mit dem Verstorbenen zu sprechen“, sagt Onnasch. „So wie wir auch zu Lebzeiten oft sehr genau fühlen und wissen, was der Partner sagen will oder dass man sich gegenseitig ergänzt, ist das auch über den Tod hinaus möglich. Erfahrbar wird dann ein weiter Raum, der von vielen als Gottes Ewigkeit bezeichnet wird.“

Marianne Bevier hält es zudem für wichtig einen Ort zu haben, an dem Betroffene mit der verstorbenen Person in Beziehung sein können. „Das kann ein Grab sein, ein Foto, ein Ort, wo wir uns miteinander wohlgefühlt haben. Aber das kann auch ein Ort in mir sein“, so die Theologin. „Es gibt Trauernde, die sagen, ich brauche keinen Friedhof, ich brauche kein Grab, ich trage ihn immer mit mir.“

Inwiefern trauern Männer und Frauen unterschiedlich?

„Frauen gehen mehr über die Emotionen“, so Bevier. „Sie können weinen, sie können lachen.“ Männern helfe es, etwas tun zu können – etwa, wenn sie ein Fotoalbum im Internet erstellen, Holz hacken oder Musik machen.

Wie können Angehörige auf Trauernde eingehen?

„Zuhören, nicht werten, Geduld haben“, rät Marianne Bevier. Zwar gebe es Trauerprozesse und Modelle, wie Prozesse ablaufen könnten. „Aber letztendlich macht es jeder, wie es für ihn stimmt und wie es seiner Lebensgeschichte entspricht.“ Ein normaler Trauerprozess dauere zwischen drei und sieben Jahre. Wer dann auch einmal keine Kraft habe zuzuhören, solle das ehrlich sagen. „Aber zu sagen, jetzt ist mal gut, damit erreicht man nur, dass sich Trauernde verschließen und sich der Trauerprozess noch verlängert.“

Kann Trauer krank machen?

Die Weltgesundheitsorganisation plant, im Mai dieses Jahres die „anhaltende Trauerstörung“ als eigenständiges Krankheitsbild in die Liste von Krankheiten und Gesundheitsproblemen aufzunehmen. Dagegen sprechen sich international mehrere Verbände aus. „Das Krankheitsbild der anhaltenden Trauerstörung zerstört das Verständnis von Trauer und Trauerkultur, das der Trauer eine heilende Kraft zuschreibt“, so Klaus Onnasch. Trauer werde zu einer Krankheit, die Diagnose sei bereits sechs Monate nach dem Verlust möglich. „Das Wort anhaltend bezieht sich darauf, dass die Trauer normiert wird und ihr kaum Zeit gelassen wird.“ Dabei sei jede Trauer anders. „Der DHPV sagt stattdessen, dass es Belastungen gibt, die durch einen Verlust besonders geprägt werden. Es ist die Verlustsituation, die eine Störung mit sich bringen kann – nicht die Trauer als solche.“