Auktionshäuser haben früher einen Nischenmarkt bedient, heute boomt das Segment der Gebrauchtwaren. Foto: /Julia Sang Nguyen

„Bares für Rares“, aber in echt: Im Stuttgarter Auktionshaus Eppli lässt sich seit über 45 Jahren der Glamour und Nervenkitzel erleben, den der Handel mit schönen, edlen Dingen bringt. Ein Blick hinter die Kulissen.

Es funkelt. Der weitläufige Raum im Haus nahe des Stuttgarter Marktplatzes wirkt, als wäre man durch die Eingangstür direkt ins Innere einer Schatztruhe gestolpert. In hohen Vitrinen liegen Perlenketten, goldene Uhren und Ohrringe mit verschlungenen Ornamenten. Edelsteine blitzen, Metall spiegelt sich in den Glasscheiben. An den Wänden hängen Gemälde in Goldrahmen, eine Jagdszene mit Pferd und Reiter, eine Gruppe Kätzchen in blühender Natur. Alles erinnert ans Gestern. Alles glänzt wie die Zukunft.

 

Eine Versteigerung ist eine emotionale Sache

In der Mitte des Raums steht Ferdinand Eppli, 37, am breiten Pult, den sprichwörtlichen Versteigerungshammer in der Hand. Das heißt: Der Geschäftsführer des Auktionshauses Eppli macht sich für den Einsatz bereit. Seit über 45 Jahren wechseln hier im Familienunternehmen der Epplis – gegründet und bis 2013 zu zweit geführt von Ferdinands Eltern – edle Objekte die Besitzerinnen und Besitzer. Heute verteilt sich das Unternehmen auf Standorte in sieben baden-württembergischen Städten (und einer bayerischen). Und viermal im Monat wird wortwörtlich der Hammer geschwungen.

„Man kann vorher nie sagen, wie eine Versteigerung ausgeht“, sagt Eppli vor Beginn der Auktion – mit einem Blick über die Stuhlreihen, auf denen bald eine Reihe Menschen mit Bieternummern sitzen wird. „Das ist oft eine sehr emotionale Sache. Manchmal passiert es, dass Stücke, die wir im Vorfeld gar nicht so hoch geschätzt haben, richtige Bietgefechte erleben und der Preis nach oben schnellt.“ Rund 200 bis 300 Objekte aus den Bereichen Schmuck, Uhren, Antiquitäten, Kunst, Designermode und -accessoires werden hier jeden Samstag versteigert. „Wir haben viele Stammkunden, die dann regelmäßig mit dabei sind“, sagt Ferdinand Eppli. „Man muss bei uns nicht zwangsweise viel Geld ausgeben. Wir wollen eine Anlaufstelle für alle sein.“

Hier kreist der Hammer: Juniorchef Ferdinand Eppli in Aktion bei der Stuttgarter Samstagsversteigerung. Foto: Julia Sang Nguyen

Dass Secondhand- und Vintage-Artikel bei vielen Menschen gut ankommen, zeigt die Bilanz des Auktionshauses. Der Andrang ist groß: Schon im Dezember 2024 waren die Lager so voll, dass neue Artikel erst im März oder April 2025 in die Versteigerung gehen können. Den Boom spürt man in der ganzen Republik. Knapp 15 Milliarden Euro gaben die Deutschen 2022 einer Studie des Instituts für Handelsforschung Köln für Gebrauchtwaren aus – über eine Milliarde mehr als im Jahr davor. Es scheint zu anderen, kaum wegzudiskutierenden Gesellschaftstrends zu passen: Vintage, Nachhaltigkeit und Upcycling sind definitiv in Mode. „Wir merken deutlich, dass sich die Einstellung gegenüber gebrauchten Waren verändert hat. Wir haben einst einen Nischenmarkt bedient, heute boomt das Segment“, bestätigt Eppli. „Ich erinnere mich, dass viele Menschen früher eher mit hochgeschlagenen Mantelkrägen zu uns kamen und immer wieder versicherten, dass sie es eigentlich überhaupt nicht nötig hätten, ihre Sachen ins Auktionshaus zu bringen.“

Mit solchen Vorbehalten hatten vor allem Ferdinands Eltern, Franz und Gabriele Eppli, im Laufe der Jahre immer wieder zu kämpfen. „Als wir unser Unternehmen gründeten, schauten die Juweliere auf uns herab. Gebrauchter Schmuck hatte ein schlechtes Image, vor allem, wenn er nicht antik, sondern nur 20 oder 30 Jahre alt war“, erinnert sich Gabriele Eppli. Während ihr Sohn im Erdgeschoss schon am Auktionspult steht, haben die zwei Seniorchefs, beide inzwischen 71, es sich im oberen Stock gemütlich gemacht: Gabriele und ihr Mann, der Firmengründer Franz Eppli. Seit 2013 leiten sie das Unternehmen gemeinsam mit Ferdinand und dessen 35-jähriger Schwester Katharina.

Vom Flohmarktprinzip zum Schätzekontor

Für Gabriele und Franz Eppli hatten gebrauchte Objekte schon immer ihre eigene Faszination. „Für mich verkörpern sie Individualität und Charakter“, sagt Gabriele Eppli. Gleichzeitig ist ihr klar, dass solche Gegenstände nicht jeden ansprechen. „Bei Vintage-Produkten kann man sich schwer an aktuellen Trends orientieren und muss für sich selbst entscheiden, was zu einem passt. Man braucht Persönlichkeit und einen sicheren Stil, um bei uns fündig zu werden.“

Aus seiner Leidenschaft entwickelte das Ehepaar dann ein Geschäftsmodell. Schon während des Studiums finanzierten die zwei ihr Leben durch den Verkauf von Antiquitäten auf Flohmärkten, die Gründung eines eigenen Unternehmens war der nächste Schritt. „Zu Beginn haben wir uns vor allem auf den An- und Verkauf von gebrauchtem Schmuck fokussiert“, erzählt Franz Eppli. Doch nach und nach sei durch die Nachfrage der Kundschaft immer deutlicher geworden, dass auch andere Artikel stark gefragt waren, zum Beispiel Porzellan. „Darauf haben wir uns dann eingelassen. Parallel zum Ausbau haben wir unseren ersten Kunsthistoriker eingestellt, der den Wert solcher Stücke bewerten konnte.“ Nach und nach wuchs das 1978 eröffnete Auktionshaus zu einem der größten in Süddeutschland. Heute arbeiten rund 80 Expertinnen und Experten für Eppli – eine Expansion, die mal leichter, mal mit etwas mehr Risiko vonstatten ging.

Vor allem die Entscheidung, Mode mit ins Sortiment aufzunehmen, sei zu Beginn ein Wagnis gewesen, erinnert sich Franz Eppli: „Das wurde deutlich, als ich einen Nachlass in Bayern betreute.“ In den frühen 2000er-Jahren war das: Die verstorbene Frau habe ein großes Ankleidezimmer gehabt, von oben bis unten voll mit Hermès-Stücken. „Trotz der tollen Qualität haben wir damals lange überlegt, ob wir die Stücke bei uns aufnehmen sollten. Getragene Klamotten? Da waren die Menschen sehr skeptisch. Wir waren besorgt, wie diese Secondhand-Mode ankommen würde“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Heute hätten wir die Sachen innerhalb von Sekunden weiterverkaufen können.“

Kostbare Objekte wie Luxusuhren gehören zu den begehrten Stücken. Foto: Julia Sang Nguyen

Schließlich gab das Ehepaar der Mode eine Chance im Eppli-Repertoire – und das mit Erfolg. Heute ist dieses Segment das Steckenpferd von Mitgeschäftsführerin Katharina. „Ich bin froh, dass ich mich beruflich mit Dingen beschäftigen kann, für die ich eine große private Leidenschaft habe“, sagt sie. Wenn sie von den Kleidern und Accessoires erzählt, mit denen sie im Unternehmen in Berührung kommt, gerät sie geradezu ins Schwärmen. „Ich erinnere mich zum Beispiel an ein besonderes Kleid von Dior“, erzählt sie. Die Expertinnen und Experten hätten seinen Wert auf rund 7500 Euro geschätzt – doch weit gefehlt. „Bei der Auktion gab es ein Gefecht zwischen zwei Parteien aus China und den USA, die sich gegenseitig immer wieder überboten. Am Ende ging das Kleid für 30 000 Euro an eine bekannte Person in Hollywood“, sagt sie. „Es ist etwas sehr Besonderes, wenn schöne Dinge von Stuttgart bis nach Hollywood reisen.“

Zehn Gebote? Meistens sind es deutlich mehr

Im Unternehmen der Eltern zu arbeiten, kann eine stressige Sache sein. Für Katharina und Ferdinand Eppli ist es allerdings eine angenehme Erfahrung. Von klein auf sind die Geschwister zwischen den glitzernden Vitrinen des Auktionshauses aufgewachsen, bestaunten die tollen Objekte, die andere nur im Fernsehen sahen. Ernsthaft daran gezweifelt, dass sie später einmal ins Familienbusiness einsteigen wollten, haben sie nie. „Es war immer wie ein zweites Zuhause“, sagt Ferdinand Eppli.

Schon als Kind faszinierten ihn Gegenstände, die ihre eigene Geschichte erzählten, in seinem Job kommt es immer wieder zu besonderen Begegnungen mit ihnen. „Eine Kundin brachte zum Beispiel einmal eine alte Armbanduhr bei uns vorbei. Sie stammte von ihrem Großvater, hatte massive Gebrauchsspuren. Sie wusste, dass das Stück wohl ein besonderes Uhrwerk habe, meinte aber, über 50 Euro Erlös schon froh zu sein“, erzählt er. Die Eppli-Expertinnen und -Experten machten sich daran, den Wert zu bestimmen – und erlebten eine Überraschung. Die vermeintlich wertlose Uhr stellte sich als Sonderausgabe und Teil der Ausrüstung der Kampfschwimmer der deutschen Marine heraus. Weltweit gab es nur rund 70 Exemplare davon. „Ich habe die Kundin angerufen und ihr gesagt, dass aus den 50 Euro leider nichts wird. Wir sind bei der Auktion stattdessen gleich mit 40 000 Euro eingestiegen“, sagt Eppli. Am Ende erzielte sie den doppelten Verkaufspreis.

Die Geschäftsführerfamilie Eppli: Ferdinand, Franz und Katharina (hinten) sowie Gabriele. Foto: Julia Sang Nguyen

Ähnliche Geschichten gibt es im Auktionshaus viele. Es sind vor allem Privatmenschen, die mit ihren Wertsachen auftauchen – oft handelt es sich um Erbstücke aus der Familie, Ringe oder Uhren. Diese Gegenstände werden von den Fachleuten geschätzt und bewertet. Hierfür gibt es im Expertenzentrum des Unternehmens unter anderem Edelsteinprüfstellen und Goldschmiedewerkstätten, in denen die Stücke genau unter die Lupe genommen werden. Dazu zählt eine ausgiebige Recherche und historische Einordnung. Ist der Wert geschätzt, werden die Objekte – falls nötig – aufbereitet und sind dann bereit für die Versteigerung. „Die meisten Menschen kommen allerdings immer noch mit Schmuck zu uns“, resümiert Juniorchef Ferdinand Eppli, der selbst Gemmologie – also Edelsteinkunde – studiert hat.

Alle warten auf die erlösende Geste: verkauft

Und auch an diesem Wintersamstag im Haus am Stuttgarter Marktplatz läuft die Auktion rund und abenteuerlich. Rund 130 Artikel warten in den Vitrinen auf neue Besitzerinnen und Besitzer, ein prächtiger Solitärring mit Brillant, ein Saphirring von Laudier, vieles mehr. Die Stuhlreihen vor dem Pult sind inzwischen voller Interessierter, rechts daneben nehmen Mitarbeiterinnen des Auktionshauses Gebote an, die online oder telefonisch eingehen. Bei einem der berühmten goldenen Trinity-Ringe von Cartier hebt eine von ihnen die Hand: 4300 Euro hat jemand via Internet für das ikonische Schmuckstück geboten. Eppli wartet noch einen Augenblick ab. Dann schlägt er den Hammer auf das Holz. Es ist immer wieder eine erlösende Geste: verkauft.