Unfälle, die bei Sonne und Wärme geschehen, enden schlimmer Foto: dpa

Regenwetter als Lebensretter? Für Motorradfahrer hat das durchaus seine Berechtigung. Sobald das Wetter schön wird, passieren Unfälle mit gravierenden Folgen.

Regenwetter als Lebensretter? Für Motorradfahrer hat das durchaus seine Berechtigung. Sobald das Wetter schön wird, passieren Unfälle mit gravierenden Folgen.

Stuttgart - Wehe, wenn es warm wird und die Sonne scheint. Dann gibt es bei so manchem Biker kein Halten mehr. Eine Auswertung des Auto Clubs Europa (ACE) jedenfalls ergab: Bei schlechtem Wetter steigt zwar die Zahl der Verkehrsunfälle an. Doch Unfälle, die bei gutem Wetter passieren, enden schlimmer. Ein Grund: Mehr als ein Drittel der Menschen fühlt sich in ihrer Stimmungslage vom Wetter beeinflusst. Vor allem schwül-warmes Wetter wird als belastend empfunden. Die Folge ist eine gereizte, undisziplinierte und risikoreichere Fahrweise.

Schönem Wetter wird eine leistungssteigernde Wirkung zugeschrieben. Das führt in vielen Fällen zu einer Selbstüberschätzung. Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer (UDV) in Bonn nimmt kein Blatt vor den Mund. Bundesweite Untersuchungen der UDV hätten ergeben, „dass die Landesstraßenbegrenzung auf 100 km/h nicht einmal als grober Anhaltspunkt betrachtet wird“. Motorradfahrer haben demnach fünfmal häufiger Überholunfälle mit Getöteten oder Verletzten als alle anderen Verkehrsteilnehmer zusammen. An fast jedem dritten Überholunfall mit Getöteten sei ein Motorradfahrer beteiligt. Außerdem habe das Leistungsgewicht der Maschinen einen Einfluss aufs Unfallgeschehen. Brockmann: „Also genau genommen natürlich die Fahrer. Meist sind das auch noch die, die glauben, kein ABS nötig zu haben.“

Das erste ABS für Motorräder wurde bereits 1985 vorgestellt. Der Durchbruch kam erst 2004 durch die Selbstverpflichtung von Honda, vom Jahr 2010 an neu entwickelte Motorräder mit einem Hubraum über 250 Kubikzentimeter zumindest optional mit ABS anzubieten. BMW war dann der weltweit erste Motorradhersteller, der seine gesamte Modellreihe ab 2013 serienmäßig mit ABS ausstattete.

Nicht neu ist auch die Idee, mit Hilfe eines Motorrad-Airbags mehr Schutz bei Unfällen zu haben. Bisher aber waren die Anzüge, die sich beim Aufprall beziehungsweise Sturz aufpolsterten, mit einem Kabel an der Maschine verbunden. In diesem Monat nun hat Ducati eine Jacke auf den Markt gebracht, die drahtlos mit Sensoren im Motorrad verbunden ist. Der in die Jacke integrierte Airbag ist bei einem Aufprall nach nur 45 Millisekunden komplett gefüllt – so schnell wie ein Wimpernschlag. Das System hat allerdings seinen Preis: Die um 1,5 Kilogramm schwerere Airbag-Jacke kostet 1400 Euro, die Sensortechnik an der Maschine 700 Euro Aufpreis.

ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner verweist darauf, dass sich die Jacken noch nicht durchgesetzt hätten. Dies liege am hohen Anschaffungspreis und auch daran, dass sie „noch nicht voll entwickelt sind“. Stürze der Fahrer auf die Straße, könne dieser mehrfach wie ein Punching-Ball aufprallen. Manche Experten würden das Verletzungsrisiko als geringer einschätzen, wenn die Fahrer mit der normalen Motorradkluft über die Fahrbahn schlittern. Dennoch nennt er die Airbag-Jacken „einen guten und innovativen Ansatz“. Jetzt gelte es, dieses System „vollends zu perfektionieren“.

Denn die Unfallbilanz für dieses Jahr verheißt nichts Gutes. Im Südwesten haben sich bis Ende April die Zahl der Motorradunfälle und auch die Zahl der Motorradtoten gegenüber 2013 fast verdoppelt. Als Hauptgrund gilt das gute Wetter im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, das mehr Motorradfahrer auf die Straßen lockte. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hofft trotzdem, bis 2020 die Opferzahlen unabhängig vom Wetter um rund 40 Prozent senken zu können. Im Verkehrsleitkonzept, das die grün-rote Landesregierung 2013 beschlossen hat, werden als Maßnahmen unter anderem Tempolimits und die Entschärfung von Unfallschwerpunkten erwähnt. Aktuell werden an unfallträchtigen Kurven gerade biegsame Schilder aus Plastik statt aus hartem Blech angebracht, die für die Biker besser sichtbar sind und die Folgen eines Unfalls mildern sollen. Die Kurvenleittafeln werden auf die gängigen Leitpfosten einfach aufgesteckt, wie dies Hermann kürzlich im Landkreis Reutlingen vorführte. In den kommenden zwei Jahren sollen 500 Kurven im Land mit diesen Schildern ausgestattet werden.