Die gentechnisch veränderte Kartoffelsorte Amflora wurde 2010 zugelassen. Nach einer Klage durch Ungarn wurde die Zulassung 2013 vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben Foto: dpa

Der Naturschutz wird in Deutschland seit der Föderalismusreform vom Bund geregelt. Dennoch haben die Länder in ihren Landesnaturschutzgesetzen noch Spielraum. Den nutzt Minister Alexander Bonde (Grüne) bei der jetzt anstehenden Landesgesetzesnovelle – zur Freude der Naturschutzverbände.

Stuttgart - Seit 2010 gilt das Bundesnaturschutzgesetz, das die Kernfragen wie beispielsweise den Artenschutz verbindlich regelt. Hier haben die Länder keine Spielräume. Anders sieht es etwa beim Thema Naturparks aus: Bei der Definition dieser Schutzgebiete können die Länder vom Bundesgesetz abweichen.

Der Entwurf für das neue Landesnaturschutzgesetz sieht das vor. Während bundesweit mehr als 50 Prozent eines Naturparks Natur- oder Landschaftsschutzgebiet sein müssen, will Baden-Württemberg sich mit weniger zufriedengeben. Dies soll laut Wolfgang Baur, Ministerialdirigent im Ministerium für Ländlichen Raum, die Erweiterung einiger bestehender Naturparks beschleunigen. Vorgesehen sei dies für den Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald sowie den Naturpark Neckartal-Odenwald.

Wesentlich strengere Maßstäbe als der Bund

In puncto Gentechnik legt das Land allerdings wesentlich strengere Maßstäbe an als der Bund. So sollen die besonders wertvollen Schutzgebiete frei von Gentechnik bleiben. Demnach sind in Naturschutzgebieten, in den Kern- und Pflegezonen in Biosphärengebieten und in flächenhaften Naturdenkmalen sowohl die versuchsweise Ausbringung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) verboten als auch der Anbau zugelassener GVO.

Das Gleiche gilt für einen jeweils 3000 Meter breiten Schutzgürtel um diese Gebiete herum. So könne beispielsweise der Eintrag gentechnisch veränderter Maispollen in Schutzgebieten wirksam verhindert werden, argumentiert das Ministerium. Bundesweit sind GVO zugelassen. Der Gesetzgeber bastelt dort zurzeit an einem neuen Gentechnikgesetz.

Vor der Abstimmung im Landtag über das neue Gesetz sind jetzt die Verbände zu Stellungnahmen aufgerufen. Der Landesbauernverband ist aber noch dabei, den 200 Seiten dicken Entwurf zu beackern, und ist noch zu keiner Einschätzung bereit, auch nicht zu den gentechnikfreien Schutzgebieten. Anders die Naturschutzverbände. Der Nabu-Landesvorsitzende André Baumann sagt: „Der Gesetzentwurf macht einen guten ersten Eindruck. Endlich kommt die Novelle, auf die wir im Naturschutz schon lange warten.“ Natürlich wäre ein totales Gentechnik-Anbauverbot in Baden-Württemberg und Deutschland erste Wahl, sagt Baumann. Doch habe die Große Koalition in Berlin dies auf Druck von CDU und CSU verhindert.

Abschottung hochwertiger Schutzgebiete

Der Landesnaturschutzverband (LNV), Dachverband für 34 Natur- und Umweltverbände im Land, begrüßt ebenfalls die Abschottung hochwertiger Schutzgebiete vor GVO. Der Vorsitzende Reiner Ehret kritisiert hingegen die Aufweichung der strengeren Regeln im Bund für Naturparks: „Das Gütesiegel Naturpark wird so unterlaufen.“

Christine Fabricius, Naturschutzreferentin beim BUND, ist insgesamt mit dem Entwurf eher zufrieden: „Das Ministerium hat gut geschafft.“ Vor allem das Verbot von gentechnisch veränderten Organismen in Schutzgebieten lobt sie ausdrücklich. Ebenso den neuen Ansatz für die nach europäischem Recht besonders zu schützenden Natura-2000-Gebiete. Auch sie sollen besser vor GVO-Einflüssen geschützt werden, auch dort soll jeweils ein 3000 Meter breiter Schutzgürtel gelten.

Alle Verbände begrüßen den in dem Gesetz vorgesehenen Alleenschutz sowie das geplante landesweite Moorschutzkonzept. Nabu und BUND vermissen indes den Schutz von Horstbäumen für Greifvögel und Schwarzstörche, wie er in vielen Naturschutzgesetzen in östlichen Bundesländern verankert ist. André Baumann meint: „Je größer die Bestände windkraftsensibler Vogelarten sind, desto eher sind Verluste durch Windräder zu verkraften.“

Es wird zu viel gedüngt und zu viel gemäht

Christine Fabricius vermisst in dem Entwurf den Schutz artenreicher Wiesen. Die machten nur noch zehn Prozent des Grünlandes aus und würden für die Silage zu viel gedüngt und zu viel gemäht. „Durch Schnitt und Gülle schwindet der Artenreichtum“ – und leider stehe im Gesetzentwurf zu dem Thema nichts drin. Dabei könnten die artenreichen Wiesen in die Liste der gesetzlich geschützten Biotope aufgenommen werden, zu denen etwa Höhlen, Dolinen, naturnahe Uferbereiche, Feldhecken oder Trockenmauern gehören. „Doch dagegen gibt es enormen Widerstand der Landwirtschaft“, sagt Christine Fabricius. Auch die Verbindlichkeit von Landschaftsplänen hätte sie sich gewünscht. Diese werden von den Kommunen – freiwillig – als Teil der Flächennutzungspläne aufgestellt und regeln etwa, wo es im Außenbereich schützenswerte Biotope zu erhalten gibt.

Die Verbände haben bis 10. März Zeit, ihre Bedenken und Anregungen einzubringen. Das Ministerium prüft sie und nimmt sie gegebenenfalls in das Gesetz auf. Noch vor der Sommerpause könnte sich dann der Landtag mit dem Gesetz beschäftigen – die Schlusslesung, so ein Ministeriumssprecher, sei voraussichtlich im Herbst.