Kurios, erschreckend: Ein Hausmeister hatte über die Jahre rund 25 Tonnen an Waren aller Art von der Stadt gestohlen. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Peter-Michael Petsch

Landesweit sinkt Zahl der Fälle auf Rekordtief – Stadt bestellt Vertrauensanwalt für Hinweisgeber.

Stuttgart - Betrügereien bei der Herrenberger Autobahnmeisterei. Krumme Geschäfte innerhalb der Böblinger Abfallwirtschaft. Ein früherer Hausmeister im Stuttgarter Rathaus bedient sich über Jahre und hortet 25 Tonnen gestohlene Waren. Ein Bauunternehmer soll diverse Polizisten und Mitarbeiter der Stadt Heilbronn geschmiert haben. All dies, sei es nun Bestechlichkeit, Vorteilsannahme oder Unterschlagung, läuft unter dem Stichwort Korruption bei der öffentlichen Hand. Und dieses Phänomen ist – trotz der prominenten Beispiele – zuletzt zurückgegangen.

Reinhold Gall, Innenminister von Baden-Württemberg, hat jüngst erfreuliche Zahlen präsentiert. Im vergangenen Jahr sind landesweit nur noch 89 Fälle von Korruption verzeichnet worden. Das ist ein Rückgang von über 30 Prozent, denn 2010 sind es laut Statistik des Landeskriminalamts noch 131 Fälle gewesen, und gleichzeitig der niedrigste Wert seit zehn Jahren.

Was Gall nicht erwähnt hat: Fast alle registrierten Fälle betreffen Ämter und Einrichtungen der Kommunen und des Landes. „Bis auf wenige Ausnahmen geht es um die öffentliche Hand“, sagt Günter Loos, Sprecher des Innenministeriums, auf Anfrage. Die Delikte Vorteilsannahme und Bestechung von Bediensteten wurden 16-mal verzeichnet, nach 26 Fällen im Jahr zuvor. Die Dunkelziffer dürfte freilich auch nach Auffassung des Ministeriums deutlich höher liegen. Große Rückgänge gibt es besonders bei Mauscheleien innerhalb von Firmen – allerdings vornehmlich, weil solche Taten, wenn sie auffliegen, dort mittlerweile gerne intern geregelt werden, bevor das Unternehmen öffentlich in ein schlechtes Licht gerät.

Vertrauensverlust der Bürger

Für Behörden sind die Folgen solcher Fälle allerdings noch ungleich schlimmer. Dort geht es nicht nur um finanziellen Schaden, sondern auch um einen Vertrauensverlust der Bürger. Eine Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers aus dem vergangenen Jahr geht von einem bundesweiten Schaden von jährlich rund zwei Milliarden Euro aus. Laut der Untersuchung ist jede zweite Behörde von einer kriminellen Handlung betroffen, in Baden-Württemberg sind es 54 Prozent.

Doch diese Zahl soll nun weiter sinken. „Es gibt inzwischen diverse Vorsichtsmaßnahmen“, sagt Ministeriumssprecher Loos. Dazu gehört etwa das Sechs-Augen-Prinzip: Wenn in Behörden um größere Summen verhandelt wird, müssen mindestens drei Beteiligte am Tisch sitzen. Im September 2009 hat das Land zudem für mehrere Ministerien den Schorndorfer Rechtsanwalt Klaus Abele als Vertrauensanwalt zur Korruptionsbekämpfung bestellt. Er soll als unabhängige Anlaufstelle Hinweise annehmen, prüfen und bei einem konkreten Verdacht an die entsprechende Behörde weiterleiten.

Seit April fungiert Abele in dieser Rolle auch für die Stadt Stuttgart. Wer auch immer einen Verdacht hat, der die Stadtverwaltung betrifft, kann sich an ihn wenden. Der Rechtsanwalt leitet die Fälle anschließend an das Rechnungsprüfungsamt weiter. „Eine solche Stelle ist sinnvoll“, sagt dessen Leiter Manfred Blumenschein. Häufig erfahre man von solchen Fällen aus dem direkten Umfeld der Täter. Die Hinweisgeber wollten sich aber nicht der Gefahr aussetzen, durch einen Tipp an den Vorgesetzten aufzufliegen. Ein externer Ansprechpartner dagegen könne Anonymität zusichern.

Den Vertrauensanwalt wertet man bei Stadt wie Land als Beitrag zur Prävention. Er erhöhe den Druck auf mögliche Täter. „Wir machen das als erste größere Stadt im Land“, sagt Blumenschein. Er hat in seinem eigenen Amt zudem inzwischen einen Antikorruptionsbeauftragten bestellt. Verhaltensrichtlinien und Ansprechpartner bei jedem einzelnen Amt ergänzen das System.

Bisher hält sich die Zahl der Korruptionsfälle in der Landeshauptstadt in Grenzen. „Im Schnitt kommt ein Fall pro Jahr zur Anzeige“, so Blumenschein. Seit 2005 sind es acht Vorkommnisse gewesen, die insgesamt einen Schaden von etwa 800.000 Euro verursacht haben. Mit Abstand der größte Einzelbetrag: das Warenlager des diebischen Ex-Hausmeisters im Wert von geschätzt einer halben Million Euro. Solche spektakulären Fälle sollen nach Willen der Stadt künftig nicht mehr vorkommen.

Bei allen Verdachtsfällen zu Korruption in Stadt- oder Landesverwaltung ist Rechtsanwalt Klaus Abele Ansprechpartner. Er ist in seiner Kanzlei zu erreichen unter Telefon 0 71 81 / 93 20 - 0 oder per Mail an vertrauensanwalt@abele-kanzlei.de.