Die Zahl der Arbeitslosen nimmt in nahezu allen Branchen ab. Foto: dpa

Von der guten Wirtschaftslage profitieren auch Arbeitslose, an denen der Aufschwung bisher vorbei ging. Die Unternehmen dürfen Mobilität von den Beschäftigten erwarten, sie müssen ihnen aber auch Perspektiven bieten, kommentiert Wirtschaftsredakteur Thomas Thieme.

Stuttgart - Die gute Konjunktur belebt den Arbeitsmarkt im Südwesten. Mit einer Arbeitslosenquote von 3,6 Prozent wird das Land nur noch von Bayern übertroffen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist noch niedriger. Selbst bei den schwierigen Fällen gibt es sichtbare Fortschritte: So ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Baden-Württemberg im Vergleich zum Vorjahr um rund zehn Prozent zurückgegangen. Auch Erwerbslose, die älter als 50 Jahre sind, haben zuletzt leichter einen neuen Job gefunden als noch vor Jahresfrist. Die Betriebe sind in zunehmendem Maße bereit, auch denen eine Chance zu geben, die bislang am wenigsten vom Aufschwung profitiert haben. Sie haben die Zeichen der Zeit erkannt.

Die Unternehmen handeln nicht aus Wohltätigkeit, sondern weil sie dringender denn je auf Personal angewiesen sind. Dabei liegt der Südwesten bundesweit an der Spitze, wie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) jüngst errechnet hat: Demnach waren in Baden-Württemberg im Monatsdurchschnitt 2016 mehr als 70 Prozent der freien Stellen schwer zu besetzen. Die Zahl der offenen Stellen nährt sich der Marke von 100 000 an. Das Verhältnis freie Stellen zu Arbeitslosen würde damit nur noch etwa 1:2 betragen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit findet derzeit in nahezu allen Branchen – abgesehen vom Bereich Finanzen und Versicherungen – ein Beschäftigungsaufbau statt.

Allerdings sind nicht alle Regionen gleichermaßen vom Aufschwung betroffen. Hier zeigt sich eines der weiterhin ungelösten Probleme am Jobmarkt: Die Arbeitskräfte werden nicht immer dort gesucht, wo auch die Bewerber sind – und umgekehrt. Die Betriebe verlangen zurecht Flexibilität und Mobilität von ihren Beschäftigten. So müssen etwa Auszubildende bereit sein, Elternhaus und Heimatort für die Lehre zu verlassen. Im Gegenzug muss ihnen der Arbeitgeber im Anschluss aber auch eine vernünftige Perspektive bieten. Auch hier gibt es Luft nach oben, wie die hohe Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse gerade bei Unter-25-Jährigen zeigt.