US-Präsident Trump hat seinen Wählern mehr Arbeitsplätze versprochen. Foto: AFP

Etwa 3000 Wirtschaftsführer treffen sich in Davos, um über die Zukunft des Welthandels zu diskutieren. Dieses Jahr wird auch US-Präsident Donald Trump als Redner erwartet. Der Ökonom Rolf Weder spricht im Interview über Trumps Strategie und sagt, warum der Präsident in einigen Punkten falsch liege.

Davos - Das Weltwirtschaftsforum wurde gegründet, um den internationalen Handel voranzubringen. Doch US-Präsident Trump sieht sein Land als Verlierer der Globalisierung. Nun kann er seine Kritik in Davos vor führenden Unternehmern und Politikern der Welt äußern.

Herr Weder, US-Präsident Donald Trump will diese Woche beim Weltwirtschaftsforum in Davos sprechen. Dort treffen sich die Befürworter der Globalisierung. Diese hat Trump oft kritisiert. Ändert er nun seine Meinung?
Die meisten Teilnehmer in Davos, aber nicht alle, wünschen sich tatsächlich offene Grenzen und Märkte. Ich glaube, denen will Trump erklären, warum er das kritischer sieht. Das ist gut, denn Medienberichte geben seine Aussagen meist nur bruchstückhaft wieder. Ich selbst bin gespannt auf seine Rede.
Was ist Trumps Agenda in Davos?
Möglicherweise möchte er den Wählern in den USA demonstrieren, dass er international anders auftritt als seine Vorgänger. Er könnte betonen, dass die USA nicht mehr den Weltpolizisten spielen wollen und sich eher auf ihre eigenen Probleme konzentrieren.
Kann man es so formulieren: Der US-Präsident ist nicht gegen die Globalisierung, sondern er will eine, die seinem Land mehr Vorteile bringt?
Das sagt er so. Das Handelsbilanzdefizit der USA hält er für schlecht, Importe ebenso. US-Exporte befürwortet er dagegen. Das ist sein Credo. Als Argument dienen immer die Arbeitsplätze, die im eigenen Land verloren gehen. Das leuchtet vielen Leuten ein. Die Frage ist, ob diese Sichtweise stimmt.
Warum halten Sie Trumps Einschätzung für falsch?
Weil es bei der Handelsliberalisierung nicht primär um Jobs geht, sondern um Realeinkommen und den Wohlstand des Landes insgesamt. Exporterlöse sind nur Mittel, um Güter zu importieren, die man sonst teurer selbst herstellen muss. Günstige Importe von Möbeln und Textilien helfen gerade ärmeren US-Bürgern. Für einheimische Produkte bezahlen sie derzeit oft höhere Preise.
Die US-Wähler interessiert natürlich auch, ob sie einen Arbeitslohn verdienen, mit dem sie diese Waren kaufen können.
Sicherlich. Aber die USA sind kein Verlierer der Globalisierung. Das Geld, das für Importe ausgegeben wird, kommt als Kapitalzufluss wieder zurück. Die ausländischen Investoren erwerben US-Staatsanleihen oder finanzieren amerikanische Unternehmen. Das schafft Arbeitsplätze in konkurrenzfähigen Branchen, zum Beispiel der Informationstechnologie-Industrie des Silicon Valley. Trump müsste viel mehr darauf setzen, diesen Strukturwandel von alter zu neuer Wirtschaft zu meistern. Dazu gehören eine bessere Sozialversicherung, Ausbildung und Infrastruktur. Stattdessen pflegt er eine gewisse Nostalgie. Leute wie er trauern den traditionellen Industrien nach, die man für typisch amerikanisch hält, zum Beispiel den Autofabriken.
Der US-Präsident hat versprochen, den US-Bürgern der Mittel- und Unterschicht mehr Jobs zu liefern. Kann er das einhalten?
Nicht, wenn er versucht, sein Land vor Importen zu schützen. Das erhöht die Preise und führt zu Gegenreaktionen im Ausland, die wiederum gerade die modernen und konkurrenzfähigen US-Unternehmen treffen könnten. In einem Handelskrieg würden Microsoft und Apple leiden – und deren Beschäftigten.
Mit seiner Steuerreform senkt Trump die staatlichen Abgaben auf Gewinne von US-Unternehmen und die Einkommen von reichen Privatpersonen. Führt diese Begünstigung der Elite dazu, dass mehr Jobs geschaffen werden und beispielsweise die Löhne in den USA steigen?
Ja. Wenn die Unternehmenssteuern sinken, geben die Firmen einen Teil ihrer höheren Gewinne an die Aktionäre weiter. Außerdem können sie die Preise senken und Löhne erhöhen. Drittens investieren sie mehr. Das erhöht die Produktivität und damit wiederum die Löhne.
Ist diese Entwicklung in der Praxis schon zu sehen?
Nein, Trump regiert ja erst ein Jahr. Der Zeitraum ist zu kurz. Der aktuelle Wirtschaftsaufschwung in den USA hat damit wenig zu tun.
Hohe Steuern auf Konzerngewinne und privates Kapital hat die in Davos versammelte Wirtschaftselite schon immer abgelehnt. Das Weltwirtschaftsforum müsste Trump doch eigentlich herzlich willkommen heißen, oder?
Jein. Unternehmer haben Interesse an niedrigen Steuern, aber auch an guter Infrastruktur und bestens ausgebildeten Arbeitnehmern. Dies zu schaffen, wenn dem Staat Steuereinnahmen fehlen, ist schwierig. Die vielen Politiker, die am Weltwirtschaftsforum teilnehmen, werden das bestätigen.