Im Vorfeld des internationalen Treffens demonstrierten Kapitalismus-Kritiker in Bern gegen Ausbeutung – und die Teilnahme Trumps am Weltwirtschaftsforum. Foto: AP

Das Weltwirtschaftsforum beginnt am Dienstag – voraussichtlich mit Lob und Tadel für US-Präsident Donald Trump sowie harscher Kritik an Amazon, Facebook und Google. Die Organisation Oxfam warnt derweil vor steigender sozialer Ungleichheit.

Davos - Es ist ein Glücksfall für das Weltwirtschaftsforum in Davos (WEF) – und das Resultat erstaunlicher Hellsichtigkeit. Seinem diesjährigen Mega-Event in den Schweizer Bergen gab WEF-Präsident Klaus Schwab den Titel „Gemeinsame Zukunft in einer zersplitterten Welt“. Erst danach kündigte die Personifizierung dieser Zersplitterung an, selbst nach Davos kommen zu wollen. Doch die Haushaltssperre in den USA setzte am Wochenende auch ein Fragezeichen hinter den Tripp Donald Trumps in die Schweiz.

So oder so zeigt die Besuchsankündigung des US-Präsidenten, wie einflussreich das Weltwirtschaftsforum (WEF), das am Dienstag startet, inzwischen ist. Mehrmals in seiner 48-jährigen Geschichte schien es auf dem Abstellgleis zu stehen, letztendlich stieg aber seine Bedeutung. Zur Ausgabe 2018 hat Schwab die Anmeldungen von 70 Staats- und Regierungschefs. Ein Drittel aller Staaten der Welt sind mit ihrer Nummer eins vertreten.

Bei kaum einem anderen Ereignis drängelt sich die Weltelite so sehr wie in Davos

Zwei Effekte spielen dabei eine Rolle: zum einen der Wettbewerb von Spitzenpolitikern um den besten Sendeplatz. Dieser lässt es weiteren Staats- und Konzernchefs ratsam erscheinen, ebenfalls beim WEF zu erscheinen. Im vergangenen Jahr etwa gewann Schwab Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping als Eröffnungsredner. Der versuchte sich als neuer Führer der Weltgemeinschaft zu positionieren und sprach sich für eine „offene globale Wirtschaft“ aus. Das veranlasste wohl Premierminister Narendra Modi – Regierungschef von Chinas asiatischem Konkurrenten Indien – dieses Jahr die Eröffnungsrede im Kongresszentrum von Davos zu halten. Zweitens ist der allseits erspürte Gesprächsbedarf zur Diskussion der Weltlage offenbar so groß, dass das WEF eine Rekordbeteiligung vermeldet. Entschieden wird dort in der Regel zwar nichts, aber für die wichtigen Akteure ist es unumgänglich, die Sichtweisen ihrer Konkurrenten, Mitstreiter und Geschäftspartner persönlich aus erster Hand zu erfahren. Bei kaum einem anderen Ereignis drängelt sich daher die Weltelite so sehr wie in Davos.

Donald Trump dürfte dieser Umstand ebenfalls bewogen haben, dorthin reisen zu wollen, wo die von ihm geschmähten „Globalisten“ sitzen. Über Trumps Absichten für Davos ist bislang wenig bekannt. Sarah Sanders, Sprecherin des Weißen Hauses, sagte, er wolle für „seine Politik werben, die amerikanische Wirtschaft, Industrie und Beschäftigten zu stärken“. Mit Trump soll ein Aufgebot von sechs Ministern, Sicherheitsberater Herbert McMaster, Schwiegersohn Jared Kushner und weiterem Spitzenpersonal reisen. Inklusive Sicherheitsleuten könnte die Karawane des US-Präsidenten bis zu 2000 Personen umfassen.

Unter Druck wird das Spitzenpersonal der US-Technologiekonzerne stehen

Die neue US-Politik und ihre Folgen für die Welt ist ohnehin ein Thema, das beim WEF gesetzt ist. Absehbar erscheint, dass nicht nur ablehnende Stimmen zu hören sein werden. Viele Manager kritisieren zwar den neuen Nationalismus, die partielle Abkehr von internationaler Kooperation und die Mauer-Mentalität des US-Präsidenten, aber zugleich freuen sie sich über die lukrativen Steuersenkungen für Unternehmensgewinne und privates Kapital.

Unter Druck wird indes in Davos das Spitzenpersonal der US-Technologiekonzerne stehen. Amazon, Facebook und Google müssen sich mit der Kritik auseinandersetzen, sie seien zu groß, monopolistisch und würden der Demokratie schaden. Gleich am ersten Tag hat das Forum eine Diskussion anberaumt mit dem Titel „In Technology we trust?“ – vertrauen wir den Techunternehmen? Zur Debatte steht, ob die Politik, etwa die US-Regierung oder die EU-Kommission, die Internetkonzerne regulieren sollte. Im Raum steht beispielsweise der Vorschlag, Aufsichtsbehörden zu schaffen, die die Algorithmen der sozialen Netzwerke, Konsum-Plattformen und Suchmaschinen kontrollieren. Eine andere Variante: Facebook muss die persönlichen Daten der Nutzer, die die Firma hortet, mit anderen Unternehmen teilen.

Auch der Sozialstaat steht zur Debatte

Damit ist die Frage nach den Folgen der Digitalisierung insgesamt angeschnitten. So beschäftigt Facebook 20 000 Mitarbeiter, der Autogigant General Motors verschaffte dagegen einst einer Million Menschen Arbeit und Lohn. Eine Frage lautet daher, wovon all die Arbeitnehmer, die heute noch Jobs haben, leben sollen, wenn die Digitalfirmen die Wirtschaft immer weiter umbauen? Verspricht Trumps Strategie, die alten Jobs zurückzuholen, Erfolg?

Auch der Sozialstaat steht zur Debatte. In mehreren Diskussionsrunden soll debattiert werden, ob Länder wie Deutschland ihr Sozialmodell renovieren müssen, um den Beschäftigten der digitalen Ökonomie eine moderne Absicherung zu bieten. Klaus Schwab kann sich vorstellen, dass das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens mehr Bedeutung bekommt. Dies könnte auch ein Weg sein, der zunehmenden sozialen Polarisierung entgegenzuwirken, die die Entwicklungsorganisation Oxfam in ihrem neuen Bericht zur globalen Ungleichheit anprangert. Der globalen Elite, dem reichsten einen Prozent der Weltbevölkerung, gehöre über die Hälfte allen Vermögens auf Erden, so Oxfam. Und dieser Anteil nehme zu. Sowohl die Ungleichheit der Einkommen, als auch der Vermögen wachse. Ein Beleg dafür: Mittlerweile hätten 42 Milliardäre so viel Kapital angehäuft wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. 2009 seien das noch 380 Milliardäre gewesen. Das Vermögen konzentriere sich also in immer weniger Händen, so Jörn Kalinski, Kampagnenleiter von Oxfam Deutschland.

Für 2018 führen Extremwetter und Naturdesaster die Risiko-Rangliste an

Bereits veröffentlicht hat das WEF seinen Welt-Risiko-Bericht. Rund 1000 Spitzenmanager und Wissenschaftler erklären, welche Risiken die Menschheit in näherer Zukunft am meisten bedrohen. Für 2018 und die Folgejahre stehen Extremwetter und Naturdesaster auf den obersten Plätzen der Risiko-Rangliste. Außerdem machen sich die Autoren große Sorgen darüber, dass der Kampf gegen den Klimawandel nicht zum Erfolg führt.

Man darf also gespannt sein, ob US-Präsident Trump in seiner Davos-Rede Kompromissbereitschaft erkennen lässt, nachdem er den Austritt der USA aus dem Klima-Abkommen von Paris angekündigt hat.