Angela Merkel während ihrer Rede in Davos Foto: AP

Mit einem gebremsten Plädoyer für ein stärkeres Europa unterstützt die Kanzlerin Frankreichs Präsident Macron und setzt sich von US-Präsident Trump ab. Überhaupt scheint die Idee von Europa in Davos neu zu begeistern.

Davos - Angela Merkel hat in Davos Lob für den französischen Präsidenten parat: „Mit der Wahl von Emmanuel Macron ist Schwung in die EU gekommen“, sagte sie am Mittwoch auf der großen Bühne des Kongresszentrums von Davos. „Viele Probleme lassen sich nur im Rahmen der EU lösen.“ Die Bundeskanzlerin redete am zweiten Tag des diesjährigen Kongresses der Wirtschafts- und Politikelite, bei dem Europa im Mittelpunkt steht. Sie sprach sich dafür aus, die „Eurozone zu festigen“. „Wir brauchen eine Kapitalmarktunion und müssen die Bankenunion vollenden.“ Dabei müsse aber jedes Land selbst seine Hausaufgaben machen. Die Vergemeinschaftung von Risiken dürfe nur als „letzte Sicherung“ dienen.

Zu einigen konkreten Vorschlägen des französischen Staatspräsidenten Macron äußerte sich die Kanzlerin allerdings nicht. Ein gemeinsamer Haushalt für die Euro-Länder, ein europäischer Finanzminister? Diese und andere Punkte sparte Merkel aus. Ihr Plädoyer für den europäischen Aufbruch hätte deutlicher ausfallen können.

In seiner Davos-Rede, die er am Mittwoch vier Stunden nach Merkel hielt, schlug Macron vor, eine europäische Strategie für die kommenden zehn Jahren auszuarbeiten. Diese müsse darauf hinauslaufen, dass die EU eine ökonomische, soziale, ökologische und wissenschaftliche Weltmacht werde. Frankreich wolle mit einem eigenen Reformprogramm seinen Teil dazu beitragen. Unter Applaus kündigte Macron an, alle französischen Kohlekraftwerke bis 2021 abzuschalten.

Merkel warnt vor Abschottung

Konkret forderte die Kanzlerin, die EU-Außenpolitik auszubauen. „Wir brauchen eine gemeinsame Sprache gegenüber China, Indien, USA und Russland.“ Sie begrüßte die bereits verbesserte „Verteidigungszusammenarbeit“. In Regionen wie dem Mittelmeerraum, dem Nahen Osten und Nordafrika müsse Europa „mehr Verantwortung übernehmen“.

Auch räumte sie eine „tiefe Schuld gegenüber dem afrikanischen Kontinent“ wegen der Kolonisierung ein und betonte „ein tiefes Interesse an Afrika“. Europa müsse den südlichen Ländern helfen, „an der Wohlstandsentwicklung teilzuhaben“. „Wir brauchen eine neues Modell von Entwicklungshilfe.“ Seit der verstärkten Einwanderung ab 2015 betrachtet Merkel ihre Afrika-Politik auch als Instrument, damit potenzielle Migranten zu Hause bleiben. Ein Essen mit afrikanischen Unternehmern stand später auf ihrem Programm.

Mit Blick auf die Politik von US-Präsident Donald Trump, der am Donnerstag in Davos ankommt, warnte Merkel vor „Abschottung und Protektionismus“. Der multilaterale Weg der Verhandlung mit gleichberechtigten Partnern sei besser als die unilaterale Lösung, die Interessen eines Landes einseitig durchzusetzen. Bei „der großen Herausforderung des Klimaschutzes“ müsse man „leider ohne die Beteiligung der USA“ auskommen.

An Unternehmen plädierte Merkel, nicht die digitale Modernisierung der Wirtschaft ohne Rücksicht auf Verluste durchzuziehen. Man müsse die soziale Sicherheit aus dem Industriezeitalter in die neue Zeit hinüberretten. Nur auf die Unterstützung von „20 oder 30 Prozent der Bevölkerung“ zu setzen, reiche nicht.

Phänomen des „Europtimismus“

Ebenfalls am Mittwoch sprach der italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni. Die Stimmung, die die Delegationen verbreiten, ist die einer Art Europa-Renaissance. Die EU, so lautete die Botschaft, ist wieder auf dem aufsteigenden Ast und nimmt ihre Interessen zwischen den USA und Asien selbstbewusst wahr. „Die schwierigen Jahre liegen hinter uns. Wer auf eine Endkrise Europas gesetzt hat, hat seine Wette verloren“, sagte Gentiloni.

Als Belege für diese Entwicklung wurden die Wahlen im vergangenen Jahr in Frankreich und den Niederlanden angeführt, bei denen pro-europäische Politiker gewannen und die Rechten Niederlagen einsteckten. Außerdem sind die Wirtschaftsdaten gut, Europa kommt allmählich aus seiner Finanz- und Verschuldungskrise heraus. Auch wenn letztere These einer genauen Bewertung vielleicht nicht in vollem Umfang standhält, so kommt sie in Davos doch in vielen Kommentaren und Bewertungen vor. „Europtimismus“ nennt das Online-Medium Politico dieses Phänomen.

Zu Untermauerung setzte Belgiens Vize-Premierminister Alexander De Croo den Spin, dass der Brexit für die EU lange nicht so wichtig sei wie für Großbritannien. Schließlich werde die Regierung in London auch nach dem Austritt ein enges Verhältnis zur EU akzeptieren.