Die Weltwirtschaft brummt, allerdings nimmt die Furcht vor einem Rückschlag zu. Volkswirte raten den Staaten dazu, Puffer gegen Krisen aufzubauen. Foto: Fiat

Der Internationale Währungsfonds hebt die Prognosen für die Weltwirtschaft an, und die Bundesregierung erwartet mehr Wachstum für Deutschland. Doch es gibt Sorgen vor Übertreibungen an den Märkten.

Berlin - Die Weltkonjunktur gewinnt an Fahrt – das ist die frohe Kunde, die der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem Weltwirtschaftsausblick verbreitet. Nach Jahren mit schwachem Wachstum, das noch auf die Folgen der Finanzkrise von 2008 zurückging, heben die IWF-Volkswirte ihre Prognosen an. Die Weltwirtschaft schließt neun Jahre nach der Rezession 2009 wieder an die Zeiten vor der Krise an. Wenn von Donnerstag an die Finanzminister, Notenbankpräsidenten und Banker aus aller Welt zur Jahrestagung von IWF und Weltbank in Washington zusammenkommen, herrscht gute Stimmung. Anders als in früheren Jahren sind Finanzpolitiker und Notenbankchefs nicht als Brandbekämpfer gefordert. Ob Europa, Japan, China oder die USA: Überall wächst die Wirtschaft. Der IWF erhöhte seine Prognose für das weltweite Wachstum in diesem Jahr auf 3,6 Prozent und für das nächste Jahr auf 3,7 Prozent. Das ist ein bemerkenswerter Sprung, denn 2016 legte die globale Wirtschaft nur um 3,2 Prozent zu. Dass es nun einige Zehntelpunkte mehr sind, macht einiges aus. „Die positiven Entwicklungen sind Grund für größeres Vertrauen“, heißt es in der IWF-Prognose. Vordergründig scheint alles zum Besten zu stehen. Auch die Bundesregierung wird an diesem Mittwoch ihre Konjunkturprognose anheben – statt wie zuvor mit 1,5 Prozent Wachstum rechnet Berlin für dieses Jahr nun mit einem Plus von 1,9 Prozent. 2018 soll der Zuwachs zwei Prozent betragen. Ähnlich sieht das der IWF.

Gefahr der Überhitzung?

Dennoch wachsen Zweifel. Erstmals seit Langem fragen die Experten des Bundeswirtschaftsministeriums, wie groß die Gefahr der Überhitzung ist. Immerhin hält der Aufschwung in Deutschland seit fünfeinhalb Jahren an. Die Bundesbank warnt schon seit einiger Zeit vor Übertreibungen an den Märkten. Beobachten lässt sich das etwa auf den Immobilienmärkten in Ballungsräumen, wo die Preise weiter steigen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht angesichts hoher Schulden in Teilen der Welt das Risiko, dass Spekulationsblasen platzen. Schäuble wird das in Washington in Erinnerung rufen. Er nimmt zum achten Mal an der Herbsttagung von IWF- und Weltbank teil. Für den 75-Jährigen ist es als Finanzminister die letzte Auslandsreise. Er soll neuer Bundestagspräsident werden.

Mit dem Treffen in Washington geht auch die deutsche G-20-Präsidentschaft zu Ende. Vor der IWF-Jahrestagung kommen die Finanzminister und Notenbankchefs der 20 großen Industrie- und Schwellenländer zusammen. Die deutsche Delegation freut sich, dass die Linie der G-20-Präsidentschaft zum Teil vom IWF übernommen wird. Schäuble betonte immer, dass die Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften erhöht werden muss, um Finanzkrisen zu vermeiden. Das ist – zur Überraschung in Berlin – auch Tenor des IWF-Weltwirtschaftsausblicks. In den vergangenen Jahren hatte es für den Währungsfonds Priorität, mit hohen Staatsausgaben das schwache Wachstum anzukurbeln. Inzwischen deutet sich ein Umdenken an: Der Fonds empfiehlt einigen Ländern, ihre überschuldeten Haushalte in Ordnung zu bringen und Risiken abzubauen.

Puffer gegen Krisen nötig

„Der IWF hat unsere Anliegen aufgegriffen“, heißt es in deutschen Regierungskreisen. Anders als früher findet sich im aktuellen IWF-Ausblick mehrfach der Hinweis, dass die Länder auf eine nachhaltige Finanzpolitik achten sollten. Die Staaten sollten Puffer gegen Krisen aufbauen.

Der IWF richtet sich mit seinen Mahnungen insbesondere an Frankreich und Italien. In diesen Ländern hält er den Schuldenabbau und wachstumsfreundliche Reformen für notwendig. Auch Japan sollte seine expansive Finanzpolitik zurückfahren. Auch in der deutschen Politik sieht der IWF Handlungsbedarf. Der IWF wiederholt frühere Ratschläge an die Bundesregierung: Berlin solle Haushaltsüberschüsse nutzen, um die staatlichen Investitionen zu erhöhen. Davon könnten auch die übrigen Euroländer profitieren, weil sie dann mehr Waren und Dienstleistungen nach Deutschland verkaufen können. Auf wenig Gegenliebe dürfte in der Bundesregierung stoßen, dass der IWF die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) gutheißt: Solange die Inflation in Europa niedrig bleibe, solle die EZB ihre Geldpolitik beibehalten. Schäuble fordert dagegen die Zinswende.