Putins Krieg verschärft die globale Lebensmittelknappheit. Doch es gibt noch andere Ursachen, analysiert Christoph Link.
Die Welt ist nicht krisenfest, und unser Kontinent ist es auch nicht. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die aktuelle Lage, dass die deutsche Welthungerhilfe nach drei Jahrzehnten Pause wieder mitten in Europa Nahrungsmittel an Bedürftige verteilt: an Flüchtlinge aus der Ukraine in deren Heimatland sowie in Polen und der Republik Moldau. Der letzte europäische Einsatz der Hungerhelfer war Mitte der 1990er Jahre in Albanien, als man dort ein Kinderheim mit Lebensmitteln und Kleidung unterstützte.
Der Ukraine-Krieg ist ein Rückschlag, hat vieles verändert, er wirkt mit seiner Drosselung der Getreideausfuhren wie ein Brandbeschleuniger für die globale Hungerkrise. Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze (SPD) hat recht in ihrer Kritik, dass der russische Präsident Wladimir Putin den „Hunger als Kriegswaffe“ einsetze. Das tut er mit der Bombardierung ukrainischer Häfen und dem dadurch bedingten Getreideexportstopp, aber auch im Weltsicherheitsrat mit seiner Blockade von Hilfslieferungen der UN aus der Türkei nach Nordwest-Syrien, wo den Gegnern des Regimes von Diktator Assad eine humanitäre Katastrophe droht.
Vier Regenzeiten fielen aus
Die Kritik ist berechtigt, und dennoch ist Putin nicht allein verantwortlich dafür, dass das 2015 vom UN-Gipfel für nachhaltige Entwicklung für 2030 festgelegte Ziel einer Welt ohne Hunger vermutlich nicht erreicht werden wird. Die Hungerkrise bahnte sich schon im vergangenen Jahr an – und es mehren sich die Anzeichen dafür, dass zum einen die Wirtschaftskrisen der Coronapandemie, in erster Linie aber die Folgen des Klimawandels die Ursachen sind. In Teilen Ostafrikas – um ein Beispiel zu nennen – sind viermal hintereinander die Regenzeiten ausgeblieben – das können selbst die an Dürren gewohnten Viehnomaden am Horn von Afrika nicht lange aushalten. Erst stirbt das Vieh, dann der Mensch, heißt es in Somalia. Weltweit ist nun von Dürren die Rede, die sich gleichzeitig abspielen. Auch der Irak, Frankreich und der Westen der USA sind betroffen.
Afrika fehlt eine robuste Landwirtschaft
Schon vor Putins Krieg kletterten die Lebensmittelpreise – mit dramatischen Wirkungen für ärmere Staaten. Es gehe das Gespenst um, dass wir es in den nächsten Jahren mit einer weltweiten Nahrungsmittelknappheit zu tun haben, hat UN-Generalsekretär Antonio Guterres gewarnt. Kehrt nun der Hunger zurück, werden noch vor wenigen Jahren konstatierte Erfolge beim globalen Rückgang der Kindersterblichkeit, der Armutsrate und Malariatoten zunichte gemacht. Es ist in den vergangenen Jahrzehnten leider bis auf wenige Ausnahmen nicht gelungen, eine nachhaltige, starke Landwirtschaft in weiten Teilen Afrikas aufzubauen.
Deutschland verfüttert Getreide an Vieh
Eine Landwirtschaft, die ohne teure Mineraldünger auskommt, in der Kleinbauern mit organischem Dünger marktfähige Erträge erzielen. Länder wie Sudan, Kongo, Ägypten, Tansania oder Senegal sind stark von Getreideimporten abhängig – obwohl sie Agrarflächen haben. Wohlfeile Ratschläge für den armen Süden sind aber ebenso wenig angezeigt wie Besserwisserei, solange der reiche Norden an seinem Ressourcenverbrauch festhält: In Deutschland wird 50 Prozent des Getreides ans Vieh verfüttert – ein Teil des vorhandenen Getreides (auch aus Importen) landet als Bioethanol im Tank statt auf dem Teller. Eine makabre Vorstellung angesichts von abgemagerten Kindern in Afrika.
Die G7-Staaten haben das Welthungerproblem erkannt und in Elmau eine Finanzspritze zur globalen Ernährungssicherheit vereinbart. Mittelfristig müssen Strategien ersonnen werden, wie man die Landwirtschaft im Süden an den Klimawandel anpasst. Dass manche Region gar nicht mehr als Standort in Frage kommt, ist möglich.