Merrylu Casselly mit Cyrano im Weltweihnachtscircus in der Hommage für ihre verstorbene Artistenfreundin Rosi Hochegger. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Im Weltweihnachtscircus glänzt Merrylu Casselly nicht nur mit ihrem Bruder René und dessen Partnerin. Am Herzen liegt ihr auch Hengst Cyrano von einer verstorbenen guten Freundin.

Im Stall ist Cyrano gleich ganz fröhlich und scheint zu grinsen, als Merrylu Casselly seine Tür öffnet und er die Besucherin mit Kamera und Block erblickt. Als ob er ahnt, dass er jetzt mit seiner Show beginnen kann, hebt er den Kopf und zeigt seine Zähne, wie wenn er lachen würde. Der siebenjährige weiße Hengst mit den schwarzen Flecken, ist ein dänischer Knabstrupper. Doch nicht irgendeiner. Bis August ist er mit Artistin Rosi Hochegger im Zirkus aufgetreten, Merrylus bester Freundin. Dann starb Hochegger überraschend an einer krankhaften Gefäßerweiterung einer Schlagader, einem Aneurysma. Auf einmal war alles anders.

Monate zuvor war Merrylu Casselly noch einige Wochen lang bei Hochegger in Straßburg gewesen, wo diese beim Royal Palast auftrat. „Dort habe ich kennengelernt, wie sie mit den Pferden umgeht“, erzählt die 31-jährige Artistin, die sich Anfang  des  Jahres  nach siebenjähriger Ehe von ihrem Partner getrennt hat. Hochegger habe ihr in der schwierigen Zeit sehr geholfen. Sie schmiedeten Pläne. „Sie wollte mit ihren Tieren nach Ungarn kommen in den Kimba-Elefant-Park“, sagt Casselly. In dem kleinen Ort Töltestava haben sie einen Gnadenhof, der vielen Tieren im Ruhestand eine Heimat bietet: den Elefanten der Cassellys, Dromedaren, Zebras, Lamas, Kängurus.

Aus der gemeinsamen Westernfarm wurde nichts

Doch dann kam alles anders. Die beiden Pferde von Hochegger, der 13-jährige Hidalgo und der 26-jährige Scout, der 2014 im Weltweihnachtscircus in Stuttgart aufgetreten ist, sollte zu den Cassellys kommen. Die humorvolle, quirlige Hochegger, die 2014 unsere Redaktion mit ihrem Hund Collie Troll besucht hat, wollte noch eine Saison machen und dann mit Merrylu Casselly in Ungarn eine Westernfarm aufbauen.

Nun sind Scout und die beiden anderen Knabstrupper in Stuttgart. Und Cyrano darf mit ihr im Weltweihnachtscircus, der zurzeit auf dem Cannstatter Wasen gastiert, auftreten. Bei der Premiere übergab der Bruder Benny Hochegger das Pferd an Casselly, mit dem sie von nun an Tricks zeigt. Besondere Herausforderung ist es, wenn sie das 600 Kilo schwere Pferd auf dem Sofa platziert und es so viel Vertrauen zu ihr hat, dass es sich hinlegt. „Cyrano ist ein Sturkopf“, weiß Casselly. Doch seine Zicken, mit denen er als Hengst zeigen will, dass er der Starke ist, werden als spielerisches Agieren aufgenommen. Das Publikum ist begeistert von dem lachenden, Kopf schüttelnden, küssenden und kneifenden Vierbeiner mit menschlichen Zügen. Für Casselly ist die Aufführung sehr emotional, weil sie an ihre Freundin denkt, in deren Sinne sie nun arbeitet. Wer Hochegger kannte, sieht, dass Casselly das Werk auf äußerst treffende Weise fortführt. Hochegger hätte ihre Freude daran.

Mit dem Pas de Trois nach Monte Carlo

Am meisten Spaß hat Casselly, die einer großen, alten Artistenfamilie entstammt, mit dem Pas de Trois, sagt sie, wenn sie mit ihrem Bruder und dessen Partnerin auf den beiden Noriker-Pferden die Pyramiden baut. Die mehrfach preisgekrönte Casselly zählt zu den Top-Artistinnen der Welt. Sie hat in Monte Carlo beim Circusfestival mit Josef Richter 2018 Gold gewonnen, 2014 mit den Elefanten Gold, 2008 mit den Elefanten und Pferden Gold. Und jetzt ist sie mit dem Pas de Trois wieder nach Monte Carlo eingeladen. Sie freut sich auch über die Karriere ihres Bruders René im Fernsehen, wo er bei „Let’s dance“ und der Sportshow „Ninja Warrior Germany“ für Furore gesorgt hat, und im Zirkus. „Wenn er ein Ziel hat, hat er es durchgezogen“, weiß die Schwester. Im Weltweihnachtscircus ist die Artistin von Anfang bis Ende eingespannt. Gleich bei der Eröffnung zeigt sie mit dem geflügelten Pferd, dass sie auch an den Strapaten, Luftgurten, zu Hause ist. Auch assistiert sie mehrfach, darunter Quincy Azzario bei ihrer Kraftnummer. Sie zittert mit, hilft, wo es geht.

Während Merrylu Casselly in Dorsten bei Dortmund geboren ist, ist ihr jüngerer Bruder René in Hamburg zur Welt gekommen. Der 60-jährige Vater René Casselly senior ist stolz auf seine Kinder: „Sie hatten einen Privatlehrer, der überall hin mit uns gereist ist.“ Merrylu Casselly bekocht die Familie in Stuttgart gerne Italienisch und Ungarisch. „Ich wünsche mir, dass die Menschen jeden Tag etwas haben, was sie froh macht, einen schönen Moment – so wie unser Gespräch.“

Casselly ist mit ihrem bewegten Leben, das sie gerade in diesem Jahr hatte, noch dankbarer geworden für das, was sie hat. Und für den Vorschlag von Elisa van der Meijden, mit der sie befreundet ist, doch den Pas de Trois zu probieren. Kaum hatten die Macher von Monte Carlo davon gehört, luden sie den Pas de Trois ein. Hier wie dort können die Cassellys mit ihren artistischen Partnern Hingabe, Herz, Schönheit und ihr großartiges Können zeigen.